Noch ist der Kampf der zwei Linien unter den russlanddeutschen Verbänden nicht vollends ausgestanden. Die stellvertretende Leiterin im neuen Vorstand der Föderalen Nationalen Kulturautonomie erläutert die Lage aus ihrer Sicht.
Von Faina Michajlowna*Moskau im September 2009 – […] Bekanntlich hatte es im April einen Kongress der Föderalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen gegeben, auf dem die bisherige Führung abgewählt wurde. Es wurde eine neue Führung mit Heinrich Martens, dem Vorsitzenden des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur (IVDK), als Präsident gewählt. Leider kam es, wie so häufig in der Geschichte der russlanddeutschen Organisationen, wieder einmal dazu, dass die abgewählte Führung diese Entscheidung ablehnt und daher erklärte, einen eigenen, alternativen Kongress durchzuführen.
In der Tat kamen am 4. und 5. Juli in Moskau einige Vertreter regionaler Kulturautonomien zusammen. Soweit uns bekannt ist, war etwa ein Dutzend regionaler Kulturautonomien vertreten. Die Organisatoren der Veranstaltung gaben sich alle Mühe, diese als Kongress zu deklarieren. In einigen Regionen herrschte daher ziemliche Verwirrung. Die Vertreter dieser Regionen kamen dann ja auch nach Moskau. Wir haben volles Verständnis dafür, dass sie sich darüber sorgen, wie es mit der FNKA weitergehen soll. Wir haben versucht, ihnen diese Sorgen zu nehmen.
Im September soll der Rat der FNKA tagen und sich mit einigen brennenden Fragen befassen: zum zukünftigen Programm der FNKA, zum nächsten Kongress der FNKA und zur Mitarbeit der Opposition in der FNKA. Zu dieser Ratstagung sollen alle Vorsitzenden der regionalen Kulturautonomien eingeladen werden, unabhängig davon, welche Ansichten sie vertreten. Wir werden demnächst allen einen Info-Brief mit unserem Vorschlag für die Tagesordnung zukommen lassen. Auch die Opposition kann ihre Vorschläge einbringen. Auf dieser Ratstagung wollen wir über die aktuelle Situation und die weitere, zukünftige Arbeit diskutieren. […]
Im Moment befassen wir uns mit der Möglichkeit, ja Notwendigkeit, bereits im kommenden Jahr den nächsten Kongress der FNKA, womöglich bereits im April, abzuhalten, um dann möglichst alle noch offenen Fragen der verschieden Funktionäre und Aktivisten zu klären und allen die Möglichkeit zu bieten, ihren Standpunkt darzulegen. Wir müssen gestehen, dass auf dem Kongress im vergangenen April [Abwahl der alten und Wahl der neuen Führungsriege] nur etwa 70 Prozent der regionalen Kulturautonomien vertreten waren, daher wollen wir im nächsten Jahr allen Kräften russlanddeutscher Organisationen ein gemeinsames Forum bieten. Dieser Kongress soll dann endlich alle gesellschaftlichen Kräfte der Russlanddeutschen konsolidieren. […]
Die Veranstaltung der abgewählten Führung Anfang Juli in Moskau konnte allein aus formalen Gründen kein Kongress der FNKA sein. Diese Veranstaltung wurde am 26. Mai im Namen des Präsidiums der FNKA einberufen. Aber wie alle wissen, haben die zuständigen staatlichen Stellen bereits am 7. Mai sämtliche Veränderungen in der Führungsspitze der FNKA, zu denen es am 4. und 5. April auf dem Kongress gekommen war, offiziell registriert. Das heißt, seit dem 7. Mai sind offiziell ein anderer Präsident, ein anderes Präsidium und ein anderer Rat im Amt. Am 26. Mai ist das amtierende Präsidium der FNKA nicht zusammengekommen, hat keine Tagungen geplant und auch keinen Beschluss zu einem Kongress gefasst.
Zu dieser Veranstaltung selbst vielleicht noch ein paar Worte. Wir wissen, dass etwa ein Dutzend Vertreter regionaler Kulturautonomien gekommen war. Aber auch das legitimiert die Veranstaltung nicht als Kongress, weil es eben nicht die Mehrzahl der Autonomien vertreten war und die Zweigstellen überhaupt nicht eingeladen waren. Außerdem wurde auf der Veranstaltung gegen verschiedene Gesetze verstoßen. So hatte der neue Präsident der FNKA, Heinrich Martens, versucht, vor den Versammelten aufzutreten, aber man hatte sich geweigert, ihm den Ort der Zusammenkunft mitzuteilen. Den hielten die Organisatoren geheim.
Alexander Grünewald war auf der Veranstaltung aufgetreten und hatte erklärt, dass Martens bereit sei, zu kommen und vor den Versammelten zu sprechen. Aber das wurde abgelehnt. Es gibt Gesetze in Russland, es gibt eine Satzung der Föderalen Kulturautonomie, und denen zufolge müssen alle Veranstaltungen der Föderalen Kulturautonomie öffentlich sein. Allein einer einzigen Person die Tür zu weisen, wäre ungesetzlich gewesen. Es gäbe noch mehr Beispiele dafür. Diese Veranstaltung war also durch nichts legitimiert. Sie wird sicher auch bei den zuständigen staatlichen Stellen Russlands keine Anerkennung finden, schon allein deswegen, weil weder die Mehrzahl vertreten war und man keine einzige Außenstelle eingeladen hatte.
Außerdem fehlten einige führende Persönlichkeiten der Russlanddeutschen aus Sibirien wie Bruno Reiter, Josef Dukwen oder Viktor Adam. Die staatlichen Stellen, das Justizministerium ausgenommen, waren nicht vertreten. Auch aus der Bundesrepublik Deutschland war niemand da. […] Das Justizministerium war vertreten, weil es prüfen muss, ob die Veranstaltung rechtens war. Wir sind sicher, dass das Ministerium seine Arbeit ordentlich erledigt hat.
* die Autorin ist Vizepräsidentin der Föderalen Nationalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen
Quelle: „Собрание, безусловно, не будет признано государственными органами РФ“,
„Sobranie, bezuslovno, ne budet priznano gosudarstvennymi organami RF“, http://www.rusdeutsch.ru/?news;
Übersetzung: Norbert Krallemann