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Als vier Studentinnen aus Wolgograd gerade davon berichten, wie ihre Heimatstadt der mörderischen Kriegsereignisse um das damalige Stalingrad gedenkt, schauen einige Mitreisende durch die Tür der Piano-Bar und werden zu stillen Zuhörern. Und vielleicht ist für sie neu, dass die deutschen Spuren in Wolgograd nicht nur mit Krieg und Verderben verknüpft sind. Eine Studentin verteilt an die Seminarteilnehmer Probiertuben – ihr Inhalt: „Original Sareptaer Senf“. Zar Alexander I. schon soll das Senföl aus der ersten Siedlung der Wolgadeutschen, Sarepta, hoch geschätzt haben. Sarepta ist heute ein Stadtbezirk von Wolgograd.
Eine andere Form, Geschichte zu erfassen: In der ersten Maiwoche waren 35 Studenten, die meisten aus Orten entlang der Wolga, auf ihrem Fluss unterwegs, um die Geschichte der deutschen Siedler, der Wolgadeutschen, lebendig werden zu lassen. Auf die täglichen Landgänge hatten sie sich gut vorbereitet, Filme und Bücher beschafft, Präsentationen ausgearbeitet und für die Seminarteilnehmer Frage- und Antwortspiele entwickelt. Das Ziel: „Wir wollen den Studenten auch die Augen öffnen für die deutschen Spuren in ihrer eigenen Stadt“, sagt Deutsch-Lektor Eric Wrasse, der die Seminarreise organisiert hat.
An Bord des Schiffes, das Mitte der achtziger Jahre in einer Werft der deutschen Stadt Rostock gebaut worden war, wird vornehmlich deutsch gesprochen. Die Hinweisschilder sind in deutscher Sprache, ebenso die Wettervorhersage und die Morgengrüße aus dem Bordradio. Selbst die Küche hat sich auf ihre deutschen Gäste eingestellt. Nach wenigen Tagen war das Eis zwischen den Touristen und den Studenten gebrochen. Man kam sich näher und stellte fest, dass manche aus der Gruppe der deutschen Ferienreisenden die Wolgareise aus dem gleichen Grund unternahmen wie die Studenten ihre Seminarfahrt: Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Vertreibung und Krieg sind für viele die Spuren der Vergangenheit noch lebendig. (© ORNIS, 31. Mai 2004)
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