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Wo liegt Mantakistan? - Seite 3
Die Legende, wie man zu dieser Bezeichnung kam, wird in Metzenseifen gern erzählt, allerdings nicht als solche, sondern als unzweifelhafte Wahrheit: Als die Hammerwerke in den Wintermonaten zum Erliegen kamen, begaben sich die alten Schmiede mit ihren Söhnen auf die Landmärkte Ungarns, um dort ihre Waren feilzubieten. Durch den ständigen ohrenbetäubenden Lärm der Hammerschläge hatten die Alten ihr Gehör nahezu gänzlich verloren, und so sollen sie, wenn sie beim Handeln etwas nicht verstanden, jene Frage gestellt haben, der sie ihren Namen verdanken wollen: „Bos maant a?“
Für die ungarischen Kunden seien die Schmiede dann bald die „Mantak“ gewesen, und diese hätten sich die Fremdbezeichnung schließlich zu Eeigen gemacht. Die von den Mantaken stets launig dargebrachte Geschichte wird felsenfest geglaubt, auch wenn das ungarische „mondtak“, gleichbedeutend mit „sie sagten“, genauso gut als Erklärung für die Bezeichnung gelten könnte, wie die Ableitung von der möglichen Selbstbezeichnung der Bergleute als „Montanaken“.
Stolz sind sie auf ihre mittelalterliche Mundart, die sie, abgeschottet von allen Einflüssen und Moden der Sprache in ihrer archaischen Form erhalten konnten. Ins Mantakische haben freilich einige Wörter aus dem Slowakischen, mehr aber noch aus dem Ungarischen, Eingang gefunden. Besonders Dinge, die neu eingeführt wurden, für die man keinen deutschen Begriff kannte, wie etwa für den Kürbis, den man mit den Ungarn als „Tök“ bezeichnet.
Einem aus Untermetzenseifen stammenden Pfarrer, Peter Gallus (1868-1927), lag viel daran, diese Mundart, die er durch den infolge des Ausgleichs zwischen Österreich und Ungarn von 1867 um 1900 immer stärker werdenden Druck der Magyarisierung bedroht sah, zu erhalten. Seine Verse, die von einer besonderen gefühlsmäßigen Bindung zu seiner Heimat zeugen, von der er durch seine Arbeit in der Fremde nur körperlich getrennt war, fasste er in dieser Mundart ab. In seinem Gedicht „Bien Mantaakn“, also „Wir Mantaken“, kommt eine gewisse Idealisierung der eigenen Sprache, die seit alters unverändert geblieben sei, aber auch eine Trotzhaltung und Ermunterung, das Erbe zu bewahren zum Ausdruck. Dort heißt es ab der dritten Strophe:
„De Groossvätta hom onsa Sprooch/gescheppt noch aus uralten Pronn/ond ons als Eabtaal metgebrocht/ond hom ka Boat faloan davon./Dos Eabtaal hom bien hochgeschätzt,/ duech viele hundat Joa/ond hom ka Boat dazugesetzt:/De Sprooches izt abi se boa!/Non schäm ba rons nüscht/ Stolz soll ba sein!/Solln se ons ach tääln, bea froogt danoch?/Bien red-n necht „schee“ ond ach net „fein“…bien red-n de alte deutsche Sprooch!“
Auf dem örtlichen Friedhof, der ein Bruchteil des virtuellen Gräberhains aller Auswanderer ist, findet man deutsche, ungarische und slowakische Grabinschriften; deutsche Vornamen verbinden sich mit ungarischen Familiennamen und umgekehrt, auf den Grabmälern ist der Ungarn-Patriotismus der Mantaken als steinerne Erinnerung eingemeißelt. Häufig sind die schön klingenden Namen Gedeon oder Orient, ebenso wie Eiben, Schmotzer oder Stark.
Auf den Grabsteinen fehlt bisweilen nur noch das genaue Sterbejahr der Frau, der Witwe also, 20 steht schon prophetisch da. Der eine oder andere Friedhofsgänger gießt am Grab die Blumen, rupft Unkraut oder spricht ein kurzes Gebet. Derweil turnen Romakinder auf den Grabplatten, ein Mädchen versucht die Inschriften an den Gräbern zu entziffern, tut sich jedoch schwer mit den komplizierten Namen.
Die Karpatendeutschen bildeten durch die Tradition des Bergbaus und ihrer Hammerwerke im Bodwatal, vor allem in Untermetzenseifen bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zwar die Mehrheit, dennoch war es stets ein Zusammenleben mit Slowaken und Ungarn. Nach 1945 wurden dann viele Metzenseifner nach Sibirien verschleppt, andere konnten sich in den umliegenden Wäldern verstecken und so der Abschiebung entgehen, manche kehrten später aus der Gefangenschaft wieder zurück.
Heute leben in Medzev, das rund 3.700 Einwohner zählt, jedenfalls noch immer fünfhundertzwanzig Deutschstämmige – oder andersrum Menschen, die sich zur deutschen Nationalität bekennen, worauf vor der „Sanften Revolution“ im Jahr 1991 häufig verzichtet wurde, zumal es sich im „Kryptodeutschtum“ etwas besser lebte.