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Berlin, im März 2012 - Revolution, Bürgerkrieg, wirtschaftlicher Umbruch und Missernten führten in Russland Anfang des 20. Jahrhunderts zu schweren Hungersnöten. Vor allem zwischen 1920 und 1924. Als die Revolutionsregierung in einem Ausmaß Ernten requirierte, dass kaum noch Saatgut übrig blieb, kam es zu einer der größten Hungerskatastrophen in der Geschichte des Landes.
Das galt auch für die deutschen Dörfer an der Wolga, die zeitgenössischen Quellen zufolge besonders hohe Abgaben leisten mussten. Danach fielen 1920 und 1921 sämtliche Ernten aus. In diesen Jahren sollen 170.000 deutsche Kolonisten verhungert sein. Hinzu kamen Typhus-, Cholera- und Windpocken-Epidemien, die sich unter der geschwächten Bevölkerung rasant ausbreiteten und ungezählte Todesopfer forderten.
Hilfsgüter werden über die zugefrorene Wolga transportiert. Foto: Hoover Institution Archives
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Über 30 Prozent der Wolgadeutschen sollen verhungert sein, bevor humanitäre Hilfe aus dem Ausland zugelassen wurde. In ihrer Not hatten sich viele Russlanddeutsche hilfesuchend an Familienangehörige gewandt, die zumeist Ende des 19. Jahrhunderts aus Russland und der Ukraine nach Nordamerika ausgewandert waren. Einige dieser „Hunger-Briefe“ wurden in der deutschsprachigen „Welt-Post“ veröffentlicht, die erst in Lincoln und später in Omaha im US-Bundesstaat Nebraska erschien, wo sich viele Deutschstämmige aus Russland angesiedelt hatten.
Kinder in Saratow während der Hungerpriode in den zwanziger Jahren. Foto: Library of Congress
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Aufgerüttelt durch die „Hungerbriefe“ von Freunden und Angehörigen gründeten sie 1921 in Portland/Oregon die „Volga Relief Society“ sowie in Lincoln/Nebraska die „Central States Volga Relief Society“, die sich ein Jahr später zur „American Volga Relief Society“ zusammenschlossen und gemeinsam Geld für ihre Landsleute in Russland sammelten. Spendenaufrufe gab es in dieser Zeit auch in Kalifornien, Colorado, Washington, Montana, Dakota, Idaho, Oklahoma und Kansas.
Insgesamt wurden über eine Million Dollar an Spenden zusammengetragen und der „American Relief Administration“ übergeben, die mit offizieller Erlaubnis der sowjetischen Regierung die Hilfe in Russland zusammen mit weiteren Spenden an bedürftige Russen verteilte, insgesamt etwa 20 Millionen Dollar.
aus Briefen, die "Die Welt-Post" im Jahr 1924 veröffentlichte: „Wenn ihr kommen wollt, dann kommt bald“ |
Hilfsappelle erreichten damals auch das Deutsche Reich. Dazu die Historikerin Maria Köhler-Baur*: „Zu Hilfsmaßnahmen war die deutsche Regierung nur dann bereit, wenn sie dadurch eine Massenauswanderung verhindern konnte. Das Ziel war damals (wie heute), den Deutschen vor Ort zu helfen und so die Auswanderungswelle zu stoppen."
* Maria Köhler-Baur, Die deutsche Berichterstattung über die Russlanddeutschen. „Der Auslandsdeutsche“ 1920-1929, in: Alfred Eisfeld u.a., Deutsche in Rußland und in der Sowjetunion 1914 – 1941, Berlin 2007, hier S. 209
Links zum Thema |
- über die Hilfsaktionen der „American Relief Administration“ - mehr zum Thema "Hungerbriefe" (englisch) |
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Poster der "American Relief Administration" (ARA)
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Die Welt-Post Ursprünglich wurde das Blatt in Lincoln, Nebraska gedruckt, seit 1919 zusätzlich in Omaha, Nebraska. Ab Juli 1958 erschien die Zeitung ausschließlich in Omaha. 1970 schloss sich "Die Welt-Post" mit anderen deutschsprachigen Zeitungen zusammen unter dem Namen „Die Welt-Post und der Staatsanzeiger“. Ausgaben bis 1966 sind als Mikrofilm einsehbar im Bestand der Kongress-Bibliothek in Washington. siehe auch |
Prof. Dr. Wolfgang Hartung, 24.07.2013 20:37:25:
Die deutsche Regierung hat zu dieser Zeit mit der totalitären Sowjetunion gekungelt, militärische Technologie geliefert und systematisch die Bestimmungen des Versailler Vertrages gebrochen. Das war der heute vielgelobten Weimarer Republik wichtiger als das Überleben der Rußlanddeutschen.