Mit Zuwanderern kennen sich die Menschen in Essen aus. Schon ein Blick ins Telefonbuch zeigt, wie sehr die Einwanderung polnischer Bergarbeiter in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Bild der Stadt und weiter Teile des Ruhrgebiets bis heute geprägt hat. In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen dann Arbeitsemigranten aus der Türkei, die heute die größte Gruppe der Zuwanderer in Essen stellen. Und schließlich: Russlanddeutsche.
Knapp 6.000 Aussiedler leben in der größten Stadt des Ruhrgebiets, vor allem in den nördlichen Stadtteilen, die man durchaus als soziale Brennpunkte bezeichnen kann. Ende Februar stellte die Stadt gemeinsam mit dem „Forum Russlanddeutsche“ einen Aktionsplan vor, der den Titel trägt: „Spätaussiedler für Integration“. Dabei geht es längst nicht nur darum, Zuwanderern aus Russland und Kasachstan Hilfestellung zu leisten, sich in der neuen Umgebung einzugewöhnen. Vielmehr werden acht Experten – allesamt Russlanddeutsche, die meisten von ihnen Akademiker – Mitarbeiter der Stadt im Umgang mit Spätaussiedlern unterweisen.
Nicht nur städtische Beamte werden auf der Schulbank sitzen, auch Mitarbeiter kirchlicher Stellen, von Schulen und Verbänden und nicht zuletzt Beamte der Polizei. Otto Engel, Vorsitzender des „Forums Russlanddeutsche“, kennt das Bild, das seinen Landsleuten bei Teilen der angestammten Bevölkerung anhängt: Wodka und Randale. Wenig bekannt ist, welche Gewohnheiten russlanddeutsche Zuwanderer mitbringen, welches Schicksal sie im vergangenen Jahrhundert ereilt hat, was ihre Kultur prägt. Das „Forum Russlanddeutsche“ ist eine Bürgerinitiative von Aussiedlern, seit Mai 2002 ein eingetragener Verein. Arbeitsziel ist, Landsleute bei den ersten Schritten in Essen zu begleiten und darüber hinaus all jenen Partner zu sein, die in Fragen der Integration Rat brauchen.
„Spätaussiedler für Integration“ ist das jüngste Projekt des Forums gemeinsam mit der Stadt Essen. Zu den zahlreichen geplanten Aktionen zählt auch, engere Kontakte zu Unternehmen in der Region zu knüpfen, um die teils hoch qualifizierten Fachkräfte unter den Russlanddeutschen in Tätigkeiten zu vermitteln. Häufig können Wissenschaftler, Techniker, Lehrer ihre Kenntnisse nicht einsetzen und müssen mit Jobs Vorlieb nehmen, die keine Ausbildung voraussetzen. Nicht nur bürokratische Hemmnissen sind dafür mitverantwortlich - zuweilen kommt auch vor, dass die Fähigkeiten einzelner schlicht unbekannt bleiben, weil sie gar nicht erst damit rechnen, eine angemessene Tätigkeit zu finden. (© ORNIS, 5. März 2005)