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Kleine Anfänge - grosse Ausstrahlung

15 Jahre Begegnungszentrum an der Petrikirche in St. Petersburg

Die Stiftung „Russisch-Deutsches Begegnungszentrum an der Petrikirche in St. Petersburg“ hat ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert. Zum Jubiläum waren Vertreter fast aller deutschen Organisationen aus Russland, Kasachstan und der Ukraine gekommen. Auch der Aussiedlerbeauftragte Christoph Bergner nahm an den Feierlichkeiten teil.

St. Petersburg, im November 2008 – „Vor 15 Jahren haben wir als kleines, fast familiäres Zentrum für 45 Deutsche begonnen, die sich an deutschen Feiertagen bei einer Tasse Tee trafen“, erzählt Arina Nemkowa. Die Direktorin der Stiftung „Russisch-Deutsches Begegnungszentrum an der Petrikirche in St. Petersburg“ blickt zufrieden auf die zurückliegenden Jahre: „Das heutige Jubiläum feiern wir als ein Haus für 1.500 ständige Besucher in St. Petersburg und 7.500 Menschen in der Nordwest-Region Russlands, als Partner vieler deutscher Kulturzentren in der GUS und als Partner von Kultur- und Bildungseinrichtungen in ganz Europa.“

Zur Jubiläumsfeier des Russisch-Deutschen Begegnungszentrums an der Petrikirche waren rund 400 Gäste eingeladen. Sie waren nach St. Petersburg gekommen, um mit den Mitarbeitern des Begegnungszentrums die Arbeit der zurückliegenden Jahre zu würdigen. Ziel der hier geleisteten Arbeit ist, Traditionen und Identität der Deutschen in Petersburg zu wahren und Möglichkeiten zu bieten, die deutsche Sprache zu erlernen.

Die Jubiläumsfeier startete am 2. November mit einem fünftägigen Arbeitstreffen der Koordinatoren der Knotenpunkte des Bildungs- und Informationszentrums (BIZ). Das BIZ ist eine Einrichtung am Deutsch-Russischen Haus in Moskau. Der Diskussion über die Weiterentwicklung des BIZ und seiner Rolle innerhalb der russlanddeutschen Organisationen ging eine Sitzung voraus, an der der BIZ-Koordinationsrat und die  Leiter der regionalen Koordinationsräte der russlanddeutschen Begegnungszentren teilnahmen. Mit dabei waren auch die Leiter der deutschen Verbände und Organisationen Kasachstans, Kyrgyzstans, Usbekistans und der Ukraine.

Zum Abschluss traf Aussiedlerbeauftragter Christoph Bergner mit den Konferenzteilnehmern zusammen. In dem Gespräch ging es um die Rolle des BIZ bei der Förderung der deutschen Minderheit in Russland und anderen GUS-Staaten. „Das BIZ ist im gesamten Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aktiv“, sagte Bergner. Allerdings gebe es in den Regionen unterschiedliche Ansichten zur BIZ-Tätigkeit. Während in Sibirien die Arbeit reibungslos vonstatten gehe, gebe es im europäischen Teil zuweilen Unverständnis darüber, dass die Projektfinanzierung teils über die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), in einer Modellregion jedoch bereits über die regionalen Koordinationsräte abgewickelt werde. Bergner: „Für viele ist das unklar und nicht nachvollziehbar.“

Arina Nemkowa, die zudem BIZ-Koordinatorin in St. Petersburg ist, teilte einige Daten zur BIZ-Arbeit mit. In Russland, Kasachstan, Usbekistan, Kyrgyzstan und der Ukraine gibt es 19 Knotenpunkte und 149 Mitarbeiter, die als so genannte Multiplikatoren tätig sind. In den vergangenen zwei Jahren gab es insgesamt 5.500 Teilnehmer an regionalen Seminaren und 120 Sprachlager jährlich in den Regionen, in denen es Koordinationszentren gibt.

Die Arbeit könne man insgesamt als erfolgreich bezeichnen. Allerdings wurde während des Treffens auch die Frage aufgeworfen, wie aktiv sich Russlanddeutsche selbst an den Aktivitäten des BIZ beteiligen und wie die gesellschaftlichen Organisationen der Russlanddeutschen in diese Arbeit einbezogen werden. Langfristig soll die BIZ-Tätigkeit den gesellschaftlichen Organisationen der Deutschen übertragen werden.

Während die Koordinatoren des BIZ über ihre Aufgaben und Ziele diskutierten, haben sich bis zum 6. November Deutschlehrer und Leiter von Laienspielgruppen an deutschen Begegnungszentren in Kasachstan, Chakassien, in der Altairegion und den Verwaltungsgebieten Kemerowo und Leningrad zusammengefunden. Unter Leitung des Theaterregisseurs und Pädagogen Wilhelm Lattewitz aus Stuttgart erarbeiteten sie Wege, wie man mit den Mitteln des Theaters die Arbeit an den Begegnungszentren verbessern kann. Die meisten Teilnehmer hatten bisher mit Theater nichts zu tun. Aber während der gemeinsamen Arbeit wurde ihnen bewusst, dass bestimmte Abläufe aus der Theaterarbeit durchaus auch im Deutschunterricht verwendet werden können.

„Wilhelm Lattewitz hat uns gezeigt, wie man sich auf der Bühne bewegt und ganz locker wird. Jeder Lehrer ist gewissermaßen auch ein Regisseur, der es verstehen muss, kreativ zu sein und seine Schüler mit seiner Kreativität anzustecken“, erzählte eine  Teilnehmerin des Theaterseminars.

Die Teilnehmer lobten die emotionale Atmosphäre des Seminars. „Sonst sitzen wir bei solchen Seminaren am Tisch und machen uns Notizen. Aber hier lief alles sehr spielerisch ab“, erzählte Larissa Wolkowa, Deutschlehrerin aus Rudny im Verwaltungsgebiet Kostanai (Nordkasachstan). Das Eine oder Andere möchte ich gern für die Arbeit an meiner Schule mitnehmen.“ Das Ergebnis ihrer Arbeit präsentierten die Teilnehmer des pädagogischen Theaterseminars später vor Publikum. Sie führten das einstündige Stück „Und nebenan war das Paradies“ auf.


Das Jubiläum bot nicht nur Anlass zum Feiern, sondern auch Raum für intensives Arbeiten. So nutzte man die Gelegenheit und zog eine Bilanz der bisherigen fünzehnjährigen Tätigkeit zur Förderung und Entwicklung der ethnischen Identität der Deutschen in St. Petersburg und der gesamten Nordwest-Region Russlands. Die Stiftung „Russisch-Deutsches Begegnungszentrum an der Petrikirche St. Petersburg“ vereint mittlerweile 14 Begegnungszentren im Nordwesten Russlands, die sich hauptsächlich in den Städten Pskow, Murmansk, Petrosawodsk, Nowodwinsk und Kotlas (Verwaltungsgebiet Archangelsk), Kirischi, Tosno und Wolkow (Verwaltungsgebiet Leningrad) befinden.

Die Vertreter der Begegnungszentren aus diesen und anderen Städten der Region trafen sich im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten in Petersburg, um sich zum Thema „Neue Ressourcen für die Entwicklung der Begegnungszentren“ auszutauschen. An dem Gespräch nahmen auch die Leiter deutscher Jugendklubs der Region teil.

Ziel des Arbeitstreffens war es, nach neuen Wegen für die Weiterentwicklung der Zentren zu suchen und das für den 7. November geplante Gespräch mit der Delegation des deutschen Innenministeriums (BMI) unter Leitung von Christoph Bergner, dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, vorzubereiten. Thema: „Die Deutschen im Nordwesten Russlands“.

Die Mitarbeiter des BZ waren angehalten, eine übersichtliche und überzeugende Präsentation ihrer Arbeit der vergangenen 15 Jahre vorzubereiten. Darüber hinaus bot sich ihnen zum ersten Mal die Gelegenheit zu einem persönlichen Treffen mit dem Aussiedlerbeauftragten. „Wir konnten direkt mit Dr. Bergner sprechen“, sagte Arina Nemkowa, die Direktorin des Russisch-Deutschen Begegnungszentrums. „Mit seinen Vorgängern ist uns das in den letzten 15 Jahren nicht ein einziges Mal gelungen.“

Die Präsentation war ein voller Erfolg. Die Teilnehmer des Runden Tisches erfuhren, dass das Hauptziel des 1993 gegründeten BZ an der Petrikirche darin besteht, das kulturelle Erbe der Russlanddeutschen, ihre Sprache und Traditionen zu erhalten und zu pflegen. Aus historischer Sicht stellt das Erscheinen der ersten Deutschen in der Hauptstadt des Nordens ein besonderes Kapitel im Buch der russischen Geschichte dar.

Die ersten Deutschen kamen bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, als die Stadt gegründet wurde, an die Ufer der Newa. Peter I. lud schon immer gern Spezialisten aus Westeuropa nach Russland ein und sorgte auch dafür, dass sie angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen vorfanden. Diese Politik setzten seine Nachfolger auf dem russischen Thron fort. So entstand in Petersburg allmählich eine zahlenmäßig große und vielschichtige deutsche Kolonie, eine ethnisch-kulturelle Gemeinschaft von Menschen, die sich durch ihre Sprache, ihre Traditionen und die Zugehörigkeit zur evangelisch-lutherischen Kirche miteinander verbunden fühlten.

Heute leben der letzten Volkszählung zufolge 4.000 Russlanddeutsche in St. Petersburg, weitere 2.000 im Verwaltungsgebiet Leningrad. 2.000 Deutsche leben im Verwaltungsgebiet Pskow und 1.000 in Karelien. Noch einmal 2.000 Deutsche gibt es im Verwaltungsgebiet Archangelsk. Arina Nemkowa zufolge soll die tatsächliche Zahl der Russlanddeutschen in der Nordwest-Region Russlands sogar rund 30.000 betragen. Sie beruft sich dabei auf den Pastor der evangelisch-lutherischen Kirche von St. Petersburg. Der Grund für die unterschiedlichen Zahlen liegt darin, dass sich viele Russlanddeutsche bei der letzten Volkszählung nicht als Deutsche registrieren ließen.

Ein weiterer Höhepunkt der Festwoche war der 6. Petersburger Salon und der Empfang anlässlich des Besuchs des Parlamentarischen Staatssekretärs Bergner. Elisabeth Bauer, die die Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Petersburg leitet, hatte Vertreter des öffentlichen Lebens in ihren Salon geladen. Der Abend begann mit einem Vortrag von Dr. Bergner zum Thema „Die Grundlagen für die Unterstützung der Integration nationaler Minderheiten“ und endete in zwanglosen Gesprächen der Gäste des Salons.

In ihrer kurzen Begrüßung hatte Frau Bauer darauf verwiesen, dass die Tradition der Salongespräche in Petersburg bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Als sie nach Petersburg kam, habe sie sich entschlossen, diese Tradition wieder aufleben zu lassen. Inzwischen hat es im Salon von Frau Bauer eine Vielzahl von Diskussionen und Gesprächen zu tagesaktuellen Themen gegeben, an denen Politiker und Wissenschaftler aus St. Petersburg teilgenommen haben.

Zum Ende seine Vortrags stellte Bergner fest: „Jedes Jahrzehnt entfernt uns weiter vom Ende des Zweiten Weltkrieges und seinen Folgen. Jedes Jahrzehnt erfordert neue Überlegungen zur Lösung der vor uns stehenden Aufgaben. Und es gibt viele Menschen, die auch nach neuen Wegen zur Unterstützung der deutschen Minderheit suchen.“ (Irina Kornewa)

Übersetzung: Norbert Krallemann

 
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