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Geschichte zum Anfassen und Erleben

„Das Russlands-Deutsche Haus“ in Nürnberg
Geschichte zum Anfassen und Erleben Maria und Peter Warkentin
Foto: Nina Paulsen

Ein Besucher formulierte es so: „Danke, dass sie uns die deutsch-russische Seele näher gebracht haben.“ Die Projektleiterin hätte sich dann doch mehr einheimische Besucher gewünscht. In Nürnberg hat „Das Russlands-Deutsche Haus“ Station gemacht, die 51. Etappe der Wanderausstellung, die seit fast sechs Jahren unterwegs ist.

Nürnberg, im Juni 2008 - Heimat ist Gefühl, Erfahrung, kulturelle Identifikation. Heimat ist dort, wo man versteht und verstanden wird, und dort, wo man sich nicht erklären muss. Was es heißt, wenn die Menschen ihre vertraute Welt verlieren und in einem neuen Land Fuß fassen müssen, erfahren die Besucher der Wanderausstellung „Das Russlands-Deutsche Haus“, die vor sechs Jahren in der Aussiedlerarbeit der Evangelischen Kirche Westfalens von Pfarrer Edgar Born erarbeitet und seitdem an 50 Orten bundesweit gezeigt wurde.

Im Juni war „Das Russlands-Deutsche Haus“ in Nürnberg zu Gast. Knapp tausend Besucher aller Altersgruppen haben die Ausstellung in der Martin-Niemöller-Kirche gesehen und an den Veranstaltungen teilgenommen. Vorbereitung und Betreuung des Ausstellungsprojektes lagen in der Hand von Sabine Arnold von der SinN-Stiftung des Dekanats Nürnberg und von  Aussiedlerseelsorger Friedrich Röttenbacher.

„Das Russlands-Deutsche Haus“ ist keine gewöhnliche Ausstellung, sie lässt die Betroffenen selbst zu Wort kommen. Der Eingangsbereich informiert über die Gründe, warum, wann, von wo und wohin Menschen aus Deutschland nach Russland übersiedelten. Dann führt der Weg durch drei Zimmer und einen Korridor. Die russlanddeutsche Stube zeigt die Lebensart der Deutschen in ihren Herkunfts- oder Verbannungsgebieten in verschiedenen Zeitabschnitten: Das sorgfältig gemachte Bett mit Sprüchen an der Wand und der Bibel auf dem Nachttisch, die Kinderecke mit Spielzeug und Schuluniform, der Essraum mit Samowar und Geschirr, die Küche mit erkennbaren Einrichtung und herkömmlichen Lebensmitteln.

Die Bet-Stube mit ihren alten Bibeln, handgeschriebenen Lieder- und Gebetbüchern gibt Einblick in das verborgene Leben der christlichen Gemeinden. Und sie zeigt, dass viele Russlanddeutsche trotz Verbots fest zu ihrem Glauben als Teil ihrer Identität standen. Im Gedenkraum hängen Porträts und Lebensläufe - stellvertretend für Hunderttausende, die unter Stalin verfolgt und ermordet wurden.

Der Korridor bedeutet die Rückkehr in die fremde Heimat der Vorfahren.  Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion erhielten in der deutschen Öffentlichkeit viele Bezeichnungen: „Aussiedler“, „Spät-Aussiedler“ und „Zu-Spät-Aussiedler“. Sie selbst sagen: Wir sind „Russlands-Deutsche“. Diese Selbstbezeichnung hat der Ausstellung den Namen gegeben, „als Ausdruck des Respekts vor den Russlanddeutschen“, sagte Pater Born bei der Eröffnung. Für ihn  ist das Ausstellungsprojekt, das in den ersten drei Jahren vom Bund unterstützt wurde, längst eine „Herzensangelegenheit“ geworden. „Die Geschichte der Russlanddeutschen steht weder in deutschen noch in russischen Geschichtsbüchern, sie muss erzählt werden“, so Born.

Neben der Ausstellung gab es zahlreiche Abendveranstaltungen, die das Thema nochmals vertieften, sich mit verschiedenen Aspekten von Geschichte und Integration der Russlanddeutschen auseinandersetzten, so ein Fest der Begegnung mit Musik und Tanz, ein Kochkurs für Einheimische und Aussiedlerinnen gleichermaßen. Etwa 50 Personen kamen zum kulinarischen Abend „Fleischstrudel und andere Köstlichkeiten“.

Die Schauspieler Maria und Peter Warkentin vom Russland-Deutschen Theater Niederstetten zeigten das Stück „Der weite Weg zurück“, eine emotionale Reise in die 250-jährige Geschichte der Deutschen in Russland. Das Programm, mit dem sie bereits das ganze Bundesgebiet bereist haben, haben die Schauspieler selbst konzipiert. Die Schauspieler lassen ihre Zuschauer in ihren eigenen Seelenzustand blicken und in das  Wesen des Russlanddeutschen dort und hier.

Viel Erfolg hatte die Schauspielerin Lilia Tetslau aus Hannover – die einzige Kabarettistin unter den Russlanddeutschen. Die Kleinen begeisterte sie mit dem Kindertheater „Die verzogene Prinzessin und Jemelja“. Und abends beleuchtete sie mit dem politisch zugespitzten Kabarett „Deutsch – aber immer noch nicht ganz“ vor zahlreich erschienenen Gästen die komplizierte Beziehung zwischen Einheimischen und Aussiedlern: Missverständnisse und Vorurteile machen das Zusammenleben schwer.
 
„Ich wünschte mir zwar mehr Einheimische unter den Besuchern. Aber denen, die gekommen waren, konnten wir viel zeigen und erzählen“, sagt Dr. Sabine Arnold zufrieden. Das bestätigt auch eine der Eintragungen im Gästebuch, das das Haus begleitet: „Danke, dass sie uns die deutsch-russische Seele näher gebracht haben.“ Und besonders erfreulich findet die Projektleiterin, „dass die Ausstellung geschafft hat, die Russlanddeutschen zu ermutigen.“ (Nina Paulsen)

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