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Der Strom versiegt
München – Es ist ein riesiger Strom, der versiegt: Etwa 4,5 Millionen Aussiedler sind seit 1950 nach Deutschland gekommen, 2,8 Millionen von ihnen nach dem Fall der Mauer 1989, berichtet die «Süddeutsche Zeitung» am 3. Mai. Im vergangenen Jahr seien nur noch knapp 6.000 Menschen mit deutschen Wurzeln oder deutschen Verwandten aus dem Osten in die Bundesrepublik eingereist. In den ersten drei Monaten dieses Jahres kamen gerade noch 960 Menschen im zentralen Aufnahmelager Friedland an. Am Höhepunkt 1990 waren es fast 400.000 Spätaussiedler gewesen. Vor allem die 2005 eingeführten Deutschtests hätten viele Aussiedler gestoppt. „Muss man die Aussiedler eher als Gestrandete ansehen oder haben sie Fuß gefasst im Westen?“, fragt die Zeitung und zitiert den Tübinger Kriminologen Hans-Jürgen Kerner, der über Aussiedler geforscht hat, mit dem Satz: „Die Probleme liegen bei den jungen Männern.“ Sie nähmen überdurchschnittlich oft Drogen und seien auch in den Gefängnissen auffällig stark vertreten. Die größten Schwierigkeiten sehe er bei der jüngsten Spätaussiedler-Welle, die seit Ende der neunziger Jahre kamen. „Die sind sowjetisch geprägt und sprechen oft schlecht Deutsch.“ Adolf Fetsch, Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, wehre sich gegen solche Betrachtungen, so das Blatt. Er bezeichne die Aussiedler-Zuwanderung als „gelungenes Werk“. Man dürfe nicht einzelne Auffälligkeiten wie die Jugendlichen herausgreifen.
Rauschende Feste in Usbekistan
Friedland – Seit sechs Monaten leben Anastasia und Svetlana Schulz im Grenzdurchgangslager Friedland. Die 38 Jahre alte Mutter und ihre 18-jährige Tochter sind aus Nawoi in Usbekistan nach Deutschland ausgesiedelt, schreibt die «Süddeutsche Zeitung» am 3. Mai. Sie werden nach München kommen, eine Verwandte lebe schon dort. Und jedes Mal, wenn für einen der Lagerbewohner mit dem Abschied aus Friedland die Zukunft beginne, gehe das Lager wieder ein Stück seinem Ende entgegen. Es gebe immer weniger Spätaussiedler, die aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in die Bundesrepublik kommen. „Die Tendenz wird sich fortsetzen“, sagt Heinrich Hörnschemeyer der Zeitung. Der Leiter des Durchgangslagers füllt die aufkommende Leere seit 2006 mit Integrationskursen für die wenigen Lagerbewohner, derzeit rund 400 Russlanddeutsche und etwa 40 jüdische Emigranten aus der Ex-Sowjetunion. Viele der Aussiedler würden wegen der Kurse freiwillig ein halbes Jahr statt nur zwei Wochen in Friedland bleiben, in denen die Aufnahmeprozedur abgeschlossen werde. In 50 Jahren, so schätze Hörnschemeyer, sei jedoch definitiv Schluss. Denn nur, wer vor dem 1. Januar 1993 geboren wurde, könne die Spätaussiedler-Regelungen für sich in Anspruch nehmen. Auch die gesetzlichen Hürden seien höher geworden. Fernab von Friedland habe das zur Folge, dass beispielsweise in Usbekistan rauschende Feste gefeiert würden, wenn wieder jemand erfolgreich einen Deutschtest bestanden habe.
„Misstraue deinen Vorurteilen“
Buchen/Adelsheim – Mit Fritz Kuhn, dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, kam ein Politiker zum Anfassen nach Buchen und Adelsheim, berichtet die «Rhein-Neckar-Zeitung» am 2. Mai. „Im lockeren Plausch“ mit Vertretern von TSV Buchen und der ‚Turbo Street Breakers‘ habe sich der Grünen-Chef in Buchen ein Bild von zwei engagierten Integrationsmodellen gemacht. In Buchen, wo unter 19.000 Einwohnern 2.500 Spätaussiedler leben, zeigte sich Kuhn beeindruckt von Paradebeispielen einer gelungenen Integration, heißt es im Blatt weiter. Ein Beispiel sei der Sportverein, der in 13 verschiedenen Abteilungen zahlreichen Sportlern und Trainern mit Migrationshintergrund eine sportliche und gesellschaftliche Heimat biete. Besonders in den TSV-Sparten Fußball und Boxen, wo Multi-Kulti Trumpf sei, bildeten viele Russlanddeutsche, Albaner, Libanesen und Marokkaner mit Alteingesessenen gut funktionierende Teams. Dass viele Mitglieder unabhängig von ihrer Herkunft auch im privaten Leben Freunde geworden seien, habe auch Valerie Müller bekräftigt, der selbst Russlanddeutscher und längst zum wichtigen TSV-Funktionär geworden sei. Nachmittags habe sich Fritz Kuhn dann in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim umgesehen. JVA-Leiter Joachim Walter freute sich, so die Zeitung, erstmals in dem Gefängnis einen Fraktionsvorsitzenden des Bundestags begrüßen zu dürfen. Der Grünen-Politiker habe sich später für einen lehrreichen Tag bedankt, der ihm in der JVA vor allem die Erkenntnis gebracht habe: „Misstraue deinen Vorurteilen.“
Marienfelde macht dicht
Berlin – Millionen von Tränen wurden hier geweint, aus Freude über die Freiheit, die Hoffnung auf ein besseres Leben, schreibt «Bild» am 29. April. „Jetzt das Aus für Marienfelde.“ Am 31. Dezember werde das Berliner Notaufnahmelager geschlossen. 1,35 Millionen Flüchtlinge aus der DDR seien von 1953 bis 1990 über das Lager in den Westen gekommen. Heute sei es Aufnahmestelle für Aussiedler. Svetlana (37) und Maxim Barvikh (29) aus Kasachstan seien zwei von zurzeit 37 Bewohnern. „Uns gefällt es hier“, sagt die Verkäuferin dem Boulevard-Blatt. „Wir sind auf der Suche nach einem besseren Leben, hoffen, es in Berlin zu finden.“ Arbeit hätten sie und ihr Mann, ein Ingenieur, noch nicht. Aber sie wollten Geld verdienen. Mitte Mai würden sie in eine Wohnung in Friedrichshain umziehen. Damit das Aufnahmelager nach der Schließung nicht ganz vergessen werde, bleibe eine Erinnerungsstätte mit Museum erhalten.
Schlichte Menschen aufgehetzt
Münster – Die Historikerin Gisela Schwarze hat ihre Paulus-Plakette, die höchste Auszeichnung der Stadt Münster, an Oberbürgermeister Berthold Tillmann zurückgegeben, heißt es in der «Münsterschen Zeitung» am 30. April. Sie habe dies mit den „Vorgängen um den ‚Bürgerentscheid‘ zur Kultur- und Kongresshalle“ begründet. Sie wirft den Gegnern der Halle „Kulturlosigkeit und Begrenztheit“ vor. Besonders dem Fraktionschef der Grünen, Hery Klas macht sie Vorwürfe, berichtet die Zeitung. Er habe „die vielen schlichten Menschen aufgehetzt“, jene, die nicht wüssten, was eine Kultur- und Kongresshalle für das Wirtschaftsgefüge der Stadt bedeute. Klas habe „Bevölkerungsschichten mobilisiert, die nicht wussten, worum es ging.“ Auch Russlanddeutsche seien umworben worden.
Drogenhändlerring zerschlagen
Offenburg – Die Polizei hat im Saarland und Baden-Württemberg ein Netzwerk von Drogenhändlern zerschlagen, berichtet «e110 Crime Aktuell» am 3. Mai. Auf dem Internet-Auftritt der ZDF-Sendung xy heißt es, die Offenburger Polizeidirektion ermittle nun gegen mehr als 50 zumeist aus Kasachstan stammende Beschuldigte. Von den zunächst 18 festgenommenen Verdächtigten befänden sich derzeit noch 15 in Untersuchungshaft. Der Drogenschmuggler-Ring soll monatlich rund 2,5 Kilogramm Heroin und genauso viel Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland geschmuggelt und mit Hilfe von Komplizen abgesetzt haben. Aufgefallen sei die Bande, als einer der Hauptverdächtigten im Raum Offenburg im September vergangenen Jahres um sich geschossen habe, weil ihm der Türsteher einer Diskothek den Zutritt verweigerte. Ermittlungen hätten ergeben, dass der Mann mehrere Luxusfahrzeuge und andere Reichtümer besaß, obwohl seine einzigen legalen Einnahmen aus 152 Euro Kindergeld bestanden.