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Nichtssagend
Düsseldorf – Seit 2004 wurden im Bundesland Nordrhein-Westfalen Straftaten von Spätaussiedlern in einer besonderen Statistik erfasst. Nach Angaben von Innenminister Ingo Wolf wird die Polizei auf diese Auflistung künftig verzichten, wie die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» am 22. September berichtet. Die Statistik habe zu nichts geführt, weil sie zu keinem Vergleich herangezogen werden konnte. Es gebe in Nordrhein-Westfalen keine gesicherten Angaben über die Zahl hier lebender Aussiedler.
Gewaltbereit
Düsseldorf – Im Jahr 2004 wurde in Nordrhein-Westfalen gegen knapp 12.000 Spätaussiedler ermittelt, denen vor allem Ladendiebstahl, Raubüberfall, schwere Körperverletzung und Drogendelikte angelastet wurden. 41 Prozent der Ertappten waren unter 21 Jahre alt, berichtet die «Rheinische Post» am 23. September in einem Kommentar zu der Meldung aus dem Landesinnenministerium, wonach Straftaten von Spätaussiedlern nicht mehr gesondert erfasst werden. Nun lasse sich die Frage wohl nicht mehr klären, ob russlanddeutsche Zuwanderer häufiger straffällig würden als ihre deutschen Nachbarn, heißt es in der Zeitung.
Dialekte
Mannheim – „Das Interesse an der eigenen Heimat wächst um so stärker, je länger man hier ist“, sagt Nina Berend. Die 53-jährige Wissenschaftlerin weiß, wovon sie spricht. Sie forscht, selbst Aussiedlerin, seit vielen Jahren über russlanddeutsche Dialekte. Sie haben ihren Ursprung im Hessischen, Pfälzischen, Schwäbischen oder Bayerischen des 18. Jahrhunderts, sprachliche Eigenheiten, die die Vorfahren unter Zarin Katharina der Großen mit nach Russland brachten. Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» am 22. September berichtet, arbeitet Nina Berend derzeit am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache in einem Projekt mit, das sich „Sprache und Dialekte der Deutschen in Russland in Geschichte und Gegenwart“ nennt und russische Linguisten einbeziehen wird. Denn die russlanddeutschen Dialekte waren im Laufe der Zeit immer auch russischen Spracheinflüssen ausgesetzt. Die Wissenschaftlerin möchte mit der Forschung ihren Landsleuten in Deutschland wie in der ehemaligen Sowjetunion ein Stück sprachlicher Heimat zurückgeben.
Schlussphase
Ostfildern – Weil seit geraumer Zeit die Zahl der zuwandernden Aussiedler abnimmt, werden vielfach Wohnheime geschlossen oder anderweitig genutzt. So wurde dieser Tage in einer Feierstunde das Übergangswohnheim in der Parksiedlung von Ostfildern stillgelegt, wo seit fast einem halben Jahrhundert nahezu 10.000 Menschen ihre ersten Schritte in Deutschland unternommen haben. Nach einem Bericht der «Esslinger Zeitung» vom 23. September sind seit den neunziger Jahren fast ausnahmslos Spätaussiedler hier untergebracht worden. Landrat Heinz Eininger dankte allen beteiligten Organisationen und ehrenamtlich Tätigen, die in den vergangenen Jahren häufig auch Konflikte mit den Zugewanderten zu durchstehen hatten. 1970 hatte sich in Ostfildern der Ökumenische Arbeitskreis gegründet, dessen Mitglieder vor allem die Neuangekommenen im Wohnheim betreute.
Suchdienst
Bad Oldesloe – ‚Zugpferde’ werden intern beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Aussiedler in Deutschland genannt, die Verwandte und andere Angehörige aus der früheren Heimat nachholen. Bei Iris Witte in Bad Oldesloe melden sich pro Monat durchschnittlich zwei Aussiedler, die Beratung suchen, wie Angehörige aus Russland oder Kasachstan nach Deutschland kommen können und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Familienzusammenführung ist die Aufgabe des DRK-Suchdienstes, und die meisten Ratsuchenden sind heute Spätaussiedler. Wie das «Hamburger Abendblatt» am 24. September berichtet, ist es häufig recht schwierig, Verwandte und Angehörige überhaupt ausfindig zu machen. So berichtet Iris Witte von Jana K., die aus Kyrgyzstan stammt und seit 1989 in Deutschland lebt. Ihr Vater ist verstorben, der Kontakt zur Mutter abgebrochen, seit ein sowjetisches Gericht ihr 1988 das Sorgerecht für ihre damals neunjährige Tochter entzogen hatte. Über entfernte Verwandte konnte schließlich die Mutter ausfindig gemacht werden. Doch häufig erfahren die Mitarbeiter des Suchdienstes nicht einmal, ob ihre Arbeit erfolgreich war. Schließlich entscheiden die Gesuchten selber, ob sie nach meist vielen Jahren ein Wiedersehen mit den Verwandten in Deutschland überhaupt wünschen.
Teufelskreis
Torgau – In städtischen Problemgebieten ist es um die gesundheitliche Situation der Bewohner häufig schlechter gestellt als in den Wohngebieten besser gestellter Bürger. Bei der 6. Gesundheitskonferenz des Landkreises Torgau ging es um den Torgauer Stadtteil Nordwest, wo Spätaussiedler die größte Gruppe der Zugewanderten stellen. Die «Torgauer Zeitung» berichtet am 23. September, dass nach Darstellung einer Mitarbeiterin des Kreisgesundheitsamtes wesentlich mehr Kinder in Nordwest an Zahnerkrankungen und Übergewicht leiden als in anderen Stadtteilen. Alkohol- und Drogenmissbrauch sind hier ebenfalls höher. Zudem wurde festgestellt, dass im Vergleich zu anderen Schulen die Grundschule Nordwest wesentlich weniger Schüler an weiterführende Schulen empfiehlt. Die Konferenz hat einen Katalog von Aktivitäten beschlossen, um neben verstärkter Gesundheitsaufklärung mehr Freizeitangebote für Jugendliche zu machen und mehr Informationen über Ausbildungswege und Arbeitsplätze zu geben.
Ausgerastet
Bad Segeberg – Dem Angeklagten Sergej R., der seit sieben Jahren in Deutschland lebt, musste jedes Wort von einem Dolmetscher übersetzt werden. Gemeinsam mit seinem Freund Viktor K. waren die beiden Deutschen aus Kasachstan im Dezember vergangenen Jahres über einen 20-jährigen Mann hergefallen, haben ihn ausgeraubt und schwer verletzt. Nach einem Bericht der «Segeberger Zeitung» vom 24. September hatten die Täter damals 2,3 und 2,5 Promille Alkohol im Blut. Obwohl die beiden Angeklagten sich vor Gericht nicht äußerten, ließ sich das Geschehen leicht rekonstruieren. Auf der nächtlichen Heimfahrt hatte das spätere Opfer die beiden Täter im Zug kennen gelernt. Nach der Ankunft schlug die Situation offenbar um, R. und K. rissen ihr Opfer zu Boden, traten auf ihn ein und beraubten ihn anschließend. Das Urteil lautete ein Jahr auf Bewährung für den 23-jährigen Sergej R. und 21 Monate Haft für den 25-jährigen Viktor K., der in den vergangenen Jahren häufiger schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.
Drogenhandel
Göttingen – Wegen Heroinhandel in großem Maßstab sind in Göttingen fünf Deutschstämmige aus Kasachstan verurteilt worden. Vier der Täter sind Mitglieder einer Großfamilie, zwei von ihnen sind selbst drogenabhängig. Als Grund gaben sie nach einem Bericht des «Göttinger Tageblatts» vom 23. September an, wegen ihrer Arbeitslosigkeit aus wirtschaftlicher Not gehandelt zu haben. Die Haftstrafen betragen zwischen drei und sechs Jahren.
Ausweglos
Neuburg – Die Beweise gegen Alexander B. waren erdrückend, da konnte sein Leugnen kaum noch helfen. Der 44-Jährige stand im süddeutschen Neuburg vor Gericht, weil er seine 38-jährige Frau schwer misshandelt hatte. Beide stammen aus Kasachstan. Der «Donaukurier» berichtet am 24. September, Alexander B. sei am 24. Februar alkoholisiert nach Hause gekommen, habe dort weiter getrunken und einen Streit mit seiner Frau begonnen. Während der Auseinandersetzung habe er seine Frau eine Treppe hinunter gestoßen, sie getreten und geschlagen. Als der Frau zu fliehen gelang, habe sich der Angeklagte ohne Führerschein ins Auto gesetzt, um sie zu suchen. In dem Fahrzeug wurde später ein großes Küchenmesser entdeckt. Nachdem er einen Unfall verursacht hatte, wurde er von der Polizei gestellt, schlug um sich und beschimpfte die Beamten. Später ergab eine Blutprobe 1,59 Promille. Das Urteil von knapp drei Jahren berücksichtigt nach Darstellung des Gerichts auch, dass B. in den vergangenen acht Jahren mehrere Straftaten unter Alkoholeinfluss begangen hat. Der Angeklagte zeigte kaum eine Regung, als ihm der Dolmetscher das Urteil übersetzte.