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Der Nebeneingang der Staatlichen Technischen Universität in Kaliningrad sieht nicht gerade vielversprechend aus. Es gibt keine Beschilderung, die schwere Eisentür steht halb offen, der Flur ist dunkel und voller Baugerät. Doch im ersten Stock des Gebäudes herrscht rege Betriebsamkeit, obwohl es Freitagnachmittag ist. Ein paar junge Männer und Frauen sitzen emsig schreibend über Büchern und Heften, diskutieren russische Verben oder recherchieren im Internet.
Sie sind Studenten des einjährigen Aufbaustudienganges "Europastudien", der im September 2005 gestartet ist - 13 junge Leute aus Russland, Deutschland und Polen. „Das Ziel ist es, Europa verstehen zu lernen“, sagt Winfried Böttcher. Der emeritierte Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Aachen ist einer der Initiatoren des Studienganges. Das Arbeitspensum ist groß: Jeweils 120 Stunden Unterricht in den Fachbereichen Europapolitik, Europäisches Recht, Europäische Wirtschaft, Europäische Sozialpolitik, Europäische Kultur sowie Russlands Beziehungen zu Europa, insbesondere zu Deutschland, stehen auf dem Lehrplan. Hinzu kommen 350 Stunden Sprachkurs, ein sechswöchiges Praktikum in einer deutschsprachigen Institution sowie eine viermonatige Diplomarbeit. „Wir bilden Generalisten aus, die durch das Studium für einen Job sowohl in Russland oder Deutschland, aber auch in den anderen europäischen Ländern qualifiziert sind“, unterstreicht Böttcher.
Wer den Eindruck hat, dass dies ein sehr arbeitsintensives Programm für nur zwölf Monate Studium ist, der ist auf der richtigen Fährte. „Das ist kein Kindergarten hier“, macht Svetlana Jakovleva unmissverständlich klar. Die 25-jährige Kaliningraderin ist eine von derzeit neun russischen Studenten. Ihre deutsche Sprache ist so gut, dass sie dem Unterricht problemlos folgen kann. Neben einem bereits abgeschlossenen, mindestens fünfjährigen Studium ist die deutsche Sprache das wichtigste Auswahlkriterium. „Man muss ehrgeizig und zielstrebig sein“, fasst die junge Russin die Anforderungen zusammen.
Sich fortbilden, den Horizont erweitern, neue Berufschancen erschließen - die Motive der Studenten für den Studiengang ähneln sich. Bei den Nicht-Russen unter ihnen, in diesem Jahr drei Deutsche und ein Pole, kommt ein Schuss Abenteuerlust hinzu, sowie die Hoffnung, sich durch ein Jahr Auslandserfahrung und den Erwerb guter Russischkenntnisse für den europäischen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. In einem sind sich aber alle Studenten einig: Der Studiengang nimmt sie sehr in Anspruch, doch dafür bekommen sie allerhand geboten. Eine optimale Betreuung und erstklassige Dozenten sind das Aushängeschild des Studienganges.
Noch für mindestens zwei weitere Jahre ist die Finanzierung durch die Robert Bosch Stiftung sowie durch die Marga und Kurt Möllgaard Stiftung gesichert. Für die Studenten fällt lediglich eine einmalige Studiengebühr von 500 Euro an. Die Bewerbungsfrist für das kommende Studienjahr 2006/2007 läuft am 30. Juni 2006 ab. (© ORNIS/Birgit Adolf, 10. März 2006)
Links zum Thema |
- Weitere Informationen zum Studiengang - Professor Böttcher zur Rolle Kaliningrads in den europäisch-russischen Beziehungen |