Im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven ist noch bis zum 23. Oktober 2009 die Ausstellung „Lena. Portrait einer deutsch-russischen Auswanderung 2003-2008“ zu sehen. Der Hamburger Fotograf Stefan Volk hat die Stationen einer jungen Aussiedlerin aus Westsibirien dokumentiert: Alltag in der Heimat, Ausreise und ihr heutiges Leben im westfälischen Paderborn.
Hamburg, im Juli 2009 -
Woher stammt ihr Interesse an den Russlanddeutschen? Mein Interesse für die Russlanddeutschen hat schon während des Studiums begonnen. Ich habe in Bielefeld Fotodesign studiert. Eines Tages bekamen wir eine Semesteraufgabe, in der wir türkische Mitbürger in der dritten Generation fotografieren sollten. Das Thema hat mich nicht so sehr interessiert. Ich habe darüber nachgedacht, welche große Minderheit es noch in Deutschland gibt und bin auf die Russlanddeutschen gestoßen.
Stefan Volk: Lena während der Busfahrt von Moskau nach Friedland - irgendwo in Polen, 2004
Damals bin ich ins Grenzdurchgangslager Friedland gefahren und habe
eine Reportage über die Ankunft der Russlanddeutschen in Friedland
fotografiert. Durch dieses Projekt hatte ich das Gefühl, dass die
Geschichte der Russlanddeutschen noch nicht ganz zu Ende erzählt war.
Ich dachte mir, dass ich mal da hinfahren sollte, wo die Menschen auch
herkommen, um zu sehen, wie sie leben.
Ich habe dann ein
Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes bekommen und
bin für drei Monate in den Altaiski Krai gegangen. Ich war in der Stadt
Slawgorod, wo sich auch der nationale Rayon Halbstadt befindet, und
habe einfach fotografiert, wie die Menschen dort leben.
Wie sind Sie auf Lena aufmerksam geworden? Wie
das Leben so spielt: An einer Bushaltestelle habe ich Lena kennen
gelernt. Ich bin von Slawgorod nach Halbstadt gefahren, weil dort ein
Dorffest war. Damals hatte ich auch die deutsche Medienassistentin des
Instituts für Auslandsbeziehungen, Stefanie Conrad, kennen gelernt. Sie
arbeitete für die russlanddeutsche „Zeitung für dich“ und sie hatte
ihre russischen Freundinnen, darunter Lena, zur Fahrt nach Halbstadt
mitgenommen.
Stefan Volk: Lena und ihre Mutter in einer Amtsstube. Grenzdurchgangslager Friedland, 2004
Welche Stationen der Auswanderung Lenas haben Sie fotografisch dokumentiert? Ich
habe Lenas Lebensumfeld in Slawgorod fotografiert. Sie lebte dort mit
ihrer Mutter und ihrem Bruder in einem kleinen Haus. Das war die erste
Station. Damals, im Jahr 2003, wusste Lena schon, dass sie im Folgejahr
nach Deutschland auswandern werde, weil ihre drei Schwester schon in
Deutschland leben. Ihr Vater ist in dem Sommer gestorben, als ich da
war. Er wollte nicht nach Deutschland. Er war mal zu Besuch bei seinen
Töchtern, aber es ihm hat nicht gefallen.
Für Lena und ihre
Mutter Elisabeth war es aber klar, dass sie nur geringe Perspektiven in
Slawgorod haben. Sie wollten auswandern. Einen Monat vor ihrer Ausreise
hat Lena mich angerufen. Wir haben uns dann in Moskau getroffen und ich
habe sie die ganze Reise bis nach Friedland begleitet. Die ersten vier
Tage war ich auch noch in Friedland dabei. Das war die zweite Station.
Letztes
Jahr im Herbst habe ich Lena noch einmal besucht. Sie wohnt
mittlerweile in Paderborn. Im Auftrag des Deutschen Auswandererhauses
habe ich Lenas aktuelles Leben fotografiert. Sie ist jetzt gerade
fertig mit der Ausbildung zur Erzieherin und hat auch einen deutschen
Freund. Sie hat mir einfach gezeigt, wie sie jetzt lebt. Das sind die
drei Stationen, die ich fotografiert hab.
Stefan Volk: Rückblick - Lena mit ihrer dreijährigen Nichte Lilja in der Winterküche ihres Elternhauses. Slawgorod, 2003
Was denken Sie: Welche Phase der Auswanderung war für Lena die schwerste?
Diese
Frage kann ich eigentlich gar nicht beantworten, weil Lena wirklich
ein sehr positiv denkender Mensch ist. Während der Reise nach
Deutschland war sie nicht bedrückt, sondern war einfach neugierig. Für
sie war die Fahrt nach Deutschland einfach spannend. So ein bisschen
wie Urlaub. Ich kann mir aber vorstellen, dass die schwierigste Phase
die erste Zeit in Deutschland war. Ich hatte zwar wenig Kontakt zu ihr,
aber in Gesprächen hörte ich es so heraus.
Welche Erkenntnis haben Sie von der Fotoreportage mitgenommen?
Die
Zeit in Slawgorod hat mir schon sehr gut getan. Drei Monate in einer
sibirischen Stadt zu leben, in der es so gut wie gar nichts gibt. Kein
Kino, nur ein paar Imbissbuden. So etwas am eigenen Körper zu erleben,
hat mir gut getan. Ich habe den Aufenthalt in Slawgorod als eine
besondere Zeit wahrgenommen.