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Berlin, im September 2008 - Gleich die wichtigste Nachricht vorweg: Nach einem Rechtsstreit mit ihrem Produzenten Sergej Schukow dürfen sich Ilja und Wladimir in Russland nicht mehr „Faktor-2“ nennen. Doch durch solche Probleme lassen sich die beiden Musiker nicht beeindrucken. Unter dem neuen Bandnamen „Ilja und Wladi“ veröffentlichten sie Ende Mai ihr neues Album „Rarität“ und werden bald wieder Konzerte geben.
Angefangen hat alles in einer Hamburger Berufsschule. Ilja, der gebürtige Russe aus der nordrussischen Stadt Workuta, und Wladmir, der Deutschstämmige aus Kasachstan, trafen sich in einem deutschen Klassenzimmer. Ilja, der schon seit frühster Kindheit Musik machte, bot Wladimir an, eine Band zu gründen. So entstand „Faktor-2“. Gleich wurden sie mit ihrer russischen Popmusik bekannt. Doch die ersten Jahre in Deutschland waren schwer: Ilja kann sich noch genau daran erinnern, wie er damals in Hamburg ankam. Etwas ironisch sagt der 28-Jährige heute, dass er ein „Flüchtling“ war.
Seine Eltern waren 1995 aus Russland ausgewandert und versuchten ihr Glück in Hamburg. Damals war Ilja 16 Jahre und wurde gleich in eine deutsche Schulklasse gesteckt. „Das war sehr schwer. Die anderen Schüler konnte ich nicht verstehen. Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt“, erzählt der Musiker. Dann passierte das, was immer passiert, wenn die Deutschkenntnisse nicht reichen. Ilja suchte sich Freunde, aber russischsprachige Freunde. „Ich bin damals regelrecht vor den Deutschen geflüchtet“, sagt er heute. So ist es ihm immer noch peinlich, dass er nicht wie ein deutscher Muttersprachler spricht. Mittlerweile schreiben „Ilja und Wladi“ auch Lieder auf Deutsch. Acht deutsche Songs haben sie komponiert. „Aber singen werde ich die Lieder nicht, wegen meinem Akzent“, scherzt Ilja.
In den letzten drei Jahren haben sich Ilja und Wladimir hauptsächlich in Russland aufgehalten. Aber jetzt wollen sie von Deutschland aus ihre Musik verkaufen. Immerhin hat Ilja eine Frau und eine Tochter. Die Show muss weitergehen. Auf die Frage, wo seine Heimat ist, antwortet Ilja: „Ich fühle mich in Deutschland und Russland gleichermaßen zuhause.“ Nur die Mentalität der Deutschen und der Russen sei doch etwas unterschiedlich. Russen seien lebensfroher. Für alle russischsprachigen Menschen, die beschließen, in Deutschland zu leben, hat Ilja einen Rat: Sie sollen mehr Kontakt zu den Deutschen suchen, mehr mit ihnen sprechen und Freundschaften schließen.
Aber auch die Deutschen sollten sensibler mit Immigranten umgehen, meint er. Sie sollten verstehen, dass ein Einwanderer sich am Anfang als Fremder fühlt, mit vielen Ängsten und Unsicherheiten zu kämpfen hat. Bei Ilja und Wladimir ist diese Phase längst vorbei. Sicher bewegen sie sich in Russland und Deutschland gleichermaßen. Immerhin bringen sie auch die deutsche Sprache nach Russland. Das Lied mit dem Refrain „Heiß, Baby, heiß, bring mir bei, was ich nicht weiß“ hat in Russland längst Kultstatus. (Wilhelm Siemers)