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„Lagebild Spätaussiedler“

Hamburgs Polizei widerspricht Vorurteilen gegenüber Aussiedlern
„Lagebild Spätaussiedler“

Hamburg (ORNIS) - Bei Delikten und Verbrechen unterscheiden sich junge Einheimische und russlanddeutsche Aussiedler kaum voneinander. Zu diesem Ergebnis kommt eine polizeiinterne Studie in Hamburg. Polizeichef Werner Jantosch hofft, „dass unsere Studie dazu beiträgt, Vorurteile zu entkräften“. Die Untersuchung, im Polizeijargon ‚Lagebild Spätaussiedler’, bestätigt Erkenntnisse, die auch in anderen Städten – Wolfsburg, Hannover – gesammelt wurden.

Mitte 2004 hatte der Polizeipräsident die Studie in Auftrag gegeben, nachdem immer häufiger über Straftaten von jungen Aussiedlern berichtet wurde. Bis Ende Juni vergangenen Jahres waren alle Polizeiwachen aufgefordert, Delikte an das Landeskriminalamt zu melden. Hier wurde geprüft, ob im Einzelfall wirklich ein Aussiedler beteiligt war, da die Kriminalstatistik über die Herkunft der Tatverdächtigen keine Auskunft gibt. Das jetzt erstellte ‚Lagebild Spätaussiedler’ ergibt, dass allgemein von jeweils 100.000 Personen der jeweiligen  Bevölkerungsgruppe etwa gleich viele junge Aussiedler straffällig werden wie einheimische Jugendliche.

Leichte Unterschiede gibt es bei Raub und Körperverletzung. Hier werden junge Aussiedler vergleichsweise häufiger straffällig. Gravierender noch verhält es sich bei Diebstahl, wo junge Russlanddeutsche besonders auffällig sind im Vergleich zu einheimischen Jugendlichen. Da diese Delikte – rund 85 Prozent - häufig in der Öffentlichkeit begangen werden, in Geschäften und Supermärkten, fallen junge Aussiedler mit diesen Taten besonders auf. Nach Ansicht von Fachleuten liegt hier ein Grund für das Vorurteil, wonach Aussiedler häufiger als Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen straffällig würden.

Während Polizeipräsident Jantosch in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt die Seriosität der 44-seitigen Untersuchung unterstreicht, meldet der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, Zweifel an. Er wirft der Studie vor, ein Problem schönzureden, und kreidet den Autoren an, den falschen Eindruck zu erwecken, „man habe verlässliche Zahlen über die Gesamtzahl von Spätaussiedlern“. Untersuchungen seines Instituts haben im vergangenen Jahr gezeigt, dass gemeinsam mit jungen Türken russlanddeutsche Jugendliche besonders häufig als Täter in Frage kommen, während einheimische Jugendliche rund ein Viertel der Täter stellen.

Das Institut in Hannover hat Schüler in westdeutschen Städten befragt und herausgefunden, dass männliche jugendliche Aussiedler (11,4 Prozent) wesentlich häufiger Gewaltanwendung befürworten als einheimische deutsche ((3,9 Prozent). Pfeiffer spricht von einer „Macho-Kultur“, in der Gewalt zur Durchsetzung von Interessen und Ehrverteidigung als legitim gelte: „In einer Welt, in der Staat und Polizei nicht als verlässliche Instanzen zum Schutz des Individuums erlebt wurden, war diese Männerdominanz sinnvoll. In unser rechtstaatliches System ‚importiert’ kann man damit nur scheitern.“

In Hamburg forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Opposition, das Lagebild der Polizei zu veröffentlichen, da nun „endlich mit soliden Daten über Aussiedlerkriminalität gesprochen werden“ könne. (© ORNIS, 8. März 2006)


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