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Berlin, 29. November 2007 - Dass Alexander gleich bei dem Theaterprojekt „Pioniere des Ostens“ mitmachte, hat auch persönliche Gründe. „Ich bin Russlanddeutscher. Meine Mutter kommt aus Omsk, mein Vater ist Russe. Sie haben sich in Moskau kennen gelernt“, erzählt der junge Mann. Vor sieben Jahren kam er und mit seinen Eltern nach Deutschland. Das Theaterprojekt habe ihm großen Spaß gemacht. Das Stück wurde jeweils in Wetzlar und in Moskau aufgeführt. Dabei konnte Alexander seinen Trumpf ausspielen: „Meinen deutschen Mitschülern konnte ich helfen, weil ich beide Sprachen beherrsche“, berichtet er.
Auch die russischen Schüler konnten von dem Austausch profitieren. Am Linguistischen Gymnasium 1527 ist Deutsch die erste Fremdsprache. Viele der jungen russischen Projektteilnehmer trauten sich zunächst nicht, Deutsch zu sprechen. Die Wetzlarer schafften es jedoch, dass die Moskauer Freunde nach den gemeinsamen Theaterproben doch noch frei und offen in deutscher Sprache redeten. Und Alexander: „Ich bin jetzt viel selbstsicherer geworden“, sagt er. Dass die Russlanddeutschen in Deutschland oftmals einen schlechten Ruf haben, findet Alexander ungerecht, denn: „Es gibt auch eine andere Seite von uns.“ Man solle erst den Menschen kennen und dann urteilen, wie er ist.
Sylvia Cordes ist Russischlehrerin an der Kestnerschule und hat das Theaterprojekt gemeinsam mit ihrem Kollegen Uwe Witzel organisiert. Russische Sprachkenntnisse waren für das Mitmachen allerdings nicht erforderlich, denn zu wenig populär ist die russische Sprache in Deutschland. Das Thema des Projektes, die Geschichte der Russlanddeutschen damals und heute, war schnell gefunden. „In Wetzlar leben viele Russlanddeutsche, und selbst an unserer Schule gibt es viele. So war das Thema einfach nahe liegend“, berichtet die 44-Jährige. Während der Arbeit an dem Thema habe sie bemerkt, dass nicht nur viele Deutsche kaum etwas über das Schicksal der Russlanddeutschen wissen, sondern ebenso wenig die russischen Gymnasiasten in Moskau.
Teilnehmer des Theaterprojekts "Pioniere des Ostens" |
Ein wenig kompliziert war dann anfangs die Zusammenarbeit der deutschen und russischen Schüler. Uwe Witzel, der zugleich Regie führte, hatte sich für die Inszenierung ein ‚Baukastensystem’ ausgedacht. Schüler in Moskau und Wetzlar sollten bestimmte Szenen vorbereiten. In gemeinsamen Proben sollte dann alles zusammengefügt werden. „Das hat Tränen und Nerven gekostet“, erinnert sich Sylvia Cordes. Doch schließlich habe alles geklappt. Vor allem habe sie das Theaterstück auch deshalb gemacht, um in Deutschland für eine größere Akzeptanz der Russlanddeutschen zu werben. „Das sind Menschen aus Russland, die zu uns kommen und viel Leid erlebt haben. Sie bringen etwas mit, das wir in unsere Kultur einbauen können, wenn wir es nur wollen“, sagt die engagierte Lehrerin.
Die Robert Bosch Stiftung honorierte das Engagement mit einem Preis. Und die Schüler aus Moskau und Wetzlar dürften in Berlin drei tolle Tage zusammen mit den anderen Preisträgern aus Litauen, Ungarn, Serbien, Polen, Bosnien-Herzegowina, Tschechien und Lettland erleben. Seit 1998 fördert die Stiftung internationale Schüler- und Jugendprojekte mit insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die neue Ausschreibung für das Projektjahr 2008/2009 von „Junge Wege in Europa“ endet am 15. Dezember 2007. (Wilhelm Siemers)
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