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Zwischen den Fronten
Frankfurt am Main – Ein Mann und eine Frau haben acht Kinder. Sie sind gläubige Baptisten und kamen als Spätaussiedler nach Deutschland. So beginnt ein Kommentar der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS) am 2. Dezember. Zwei der Kinder werden nach der dritten Klasse von ihren Eltern aus der Schule genommen, weil der Unterrichtsstoff an der Grundschule nicht mit ihrem Glauben vereinbar sei. Irgendwann zieht die Mutter mit ihnen nach Österreich und unterrichtet sie dort selbst zu Hause, was in Deutschland nicht erlaubt ist. Jetzt entschied der Bundesgerichtshof, den Eltern das Sorgerecht in Schulangelegenheiten zu entziehen sowie das Recht, den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen. Dem Gesetz nach kann das Sorgerecht nur entzogen werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, beispielsweise durch einen Missbrauch der elterlichen Sorge. „Doch wo liegt konkret die individuelle Gefahr für das Kindeswohl?“, fragt die Zeitung. Der Bundesgerichtshof habe wohl gemeint, dass es letztlich auch eine Gefahr für das Kindeswohl darstelle, wenn Kinder keine Chance bekommen, die Meinung Andersdenkender kennen zu lernen und zu erfahren, diese auch zu respektieren. Allgemein betrachtet sei das sicher richtig, schließt der Kommentar. Konkret gerate allerdings wieder einmal ein Kind zwischen die Fronten, „auch wenn sie diesmal nicht Vater und Mutter, sondern Eltern und Staat heißen“.
Beratung für rückkehrwillige Aussiedler
Karlsruhe – Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat in Karlsruhe die bundesweit erste Beratungsstelle für rückkehrwillige Aussiedler eröffnet, berichtet «ka-news» am 1. Dezember. Bisher sei weitgehend ignoriert worden, erläutert das AWO-Projekt „Heimatgarten“, dass es Spätaussiedler gebe, die in ihre ehemalige Heimat zurückkehren wollen. Der Internet-Dienst zitiert Elmar Welt, den Leiter der neuen Beratungsstelle: „Es ist für uns eine Frage der Wertschätzung, dass diese Entscheidungen akzeptiert werden und wir uns bemühen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.“ Finanziell unterstützt werde die Beratung durch „Heimatgarten“ von der baden-württembergischen Landesregierung. Sie habe ein neues Programm zur Förderung der freiwilligen Rückkehr aufgelegt, heißt es bei ka-news. Baden-Württemberg ist laut AWO das erste Bundesland, das sich mit dem Problem rückkehrwilliger Spätaussiedler abgebe. Zu den Karlsruher Beratungsangeboten gehöre Perspektivenberatung, Unterstützung bei rechtlichen Problemen sowie bei Transportfragen. Auch finanzielle Hilfen würden vermittelt.
Tipps aus dem Imbisswagen
Augsburg – Der neue Imbisswagen steht jetzt immer samstags auf dem Königsbrunner Marktplatz und bietet russische Spezialität an, schreibt die «Augsburger Allgemeine» am 28. November. Dahinter verberge sich aber nicht nur eine Geschäftsidee, sondern ein Jugendhilfe-Projekt der Stadt, das im Rahmen der bundesweiten Aktion LISA (Lokale Initiative zur Integration junger Spätaussiedler/-innen in Ausbildung) läuft und von der Robert-Bosch-Stifung gefördert wird. Mit Hilfe des Imbisswagens wollen das Berufsbildungszentrum Augsburg und der Verein Deutsche Jugend aus Russland (DJR) junge Spätaussiedler ansprechen und bei der beruflichen Integration behilflich sein. Das Fahrzeug werde von jugendlichen Russlanddeutschen betrieben, berichtet die Zeitung. Zum Auftakt habe die in Kasachstan geborene Ludmila Ftachek-Otradnyhkoz Weißkohlrouladen, gefüllte Pirogi und Blinis für den Verkauf am Marktplatz vorbereitet. „Wir wollen den Jugendlichen, die sich schon fast aufgegeben haben und nichts mit sich anzufangen wissen, dann helfen, einen Job, eine Lehrstelle oder ein Praktikum zu finden“, erläuterte Rudi Strohmaier vom DJR. Im Sommer soll das Gefährt nachmittags und abends an den Treffpunkten der Jugendlichen stehen.
Häusliche Gewalt ist strafbar
Torgau – „Rosenstraße 76“ heißt die Ausstellung zum Thema „Häusliche Gewalt überwinden“, die zwei Wochen lang in Torgau gastierte. Wie eine richtige Drei-Zimmer-Wohnung ist sie ausgestattet; im Kinderzimmer liegt auf dem Schreibtisch ein angefangener Brief an die Oma, schreibt die «Torgauer Zeitung» am 28. November. „Mama weint sehr oft …“, steht darin. Die Ausstellung habe alles in allem eine gute Resonanz gehabt, erläutert Ines Zschüttig vom Verein „Wegweiser“, der die Ausstellung mit anderen betreut hat, in einem Gespräch mit der Zeitung. Außerdem habe es eine Reihe von Vorträgen zum Thema gegeben. An einem speziellen „Migranten-Tag“ seien vor allem Spätaussiedler angesprochen worden, „weil gerade in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion häusliche Gewalt ein großes, leider tabuisiertes Thema ist“, so Ines Zschüttig. Für viele Spätaussiedlerfamilien gehöre sie zum Alltag. Das liege vor allem an einem veralteten Mann-Frau-Verhältnis. Ziel sei gewesen, darüber aufzuklären, dass häusliche Gewalt eine Straftat ist.
Angst vor dem Alter
Mainz-Bingen – Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) veranstaltet im Kreis Mainz-Bingen derzeit für Aussiedler eine Informationsreihe zum Titel „Älter werden in Deutschland“, berichtet die «Allgemeine Zeitung» am 26. November. Mit Gesprächen, Expertenvorträgen und Besichtigungen von Alten- und Pflegeheimen sollen sich die 20 Teilnehmer mit dem deutschen Hilfesystem vertraut machen. „Die Leute wissen nichts, haben Ängste vor Hilflosigkeit im Alter, sprechen diese aber nicht aus“, sagt Nanna Zaslavski, die zu den Teilnehmern gehört. Eine Dolmetscherin sei bei den DRK-Veranstaltungen immer dabei. Auch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gebe es Senioreneinrichtungen, erläutert sie weiter. „Aber die Bedingungen sind menschenunwürdig. Da geht keiner hin.“
Jugendliche von der Straße holen
Solingen – 600 Fachleute nahmen dieser Tage am zweiten Integrationskongress Nordrhein-Westfalens teil, zu dem das Integrationsministerium des Bundeslandes zusammen mit der Freien Wohlfahrtspflege eingeladen hatte. An den Diskussionen über die praktische Arbeit beteiligten sich auch die Integrationsagenturen des Caritasverbandes und des Diakonischen Werkes in Solingen, heißt es im «Solinger Tageblatt» am 30. November. Die Zeitung wollte wissen, wie die Experten Probleme im Solinger Stadtteil Wald beurteilten, in dem es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen türkischstämmigen Jugendlichen und Einheimischen kam. Mittlerweile habe die Stadt aber Räume für die Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Hamza Turan von der AWO-Migrationsagentur Löhne, erinnerte der Walder Fall an eine Gruppe Russlanddeutscher, die er als Sozialarbeiter betreue. „Sie trafen sich auf der Straße, tranken Wodka“, berichtete er. Nun sei für sie ein Treffpunkt eingerichtet worden, der gut laufe. Er halte es für wichtig, Heranwachsende von der Straße zu holen.