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19. bis 25. November

Kulturkampf im Wohnblock?

München – Wenn es nach Thomas Dilger ginge, sollte nicht jeder Mieter in jedes Haus einziehen können, weil in manchen Fällen Ärger vorhersehbar sei, berichtet die «Süddeutsche Zeitung» am 23. November. Der Chef der ‚Nassauischen Heimstätte‘, die 64.000 Wohnungen verwaltet, hatte sich dafür ausgesprochen, dass Menschen aus ähnlichen Kulturkreisen in einem Mietshaus zusammenleben sollten. Für diese Ansicht habe er sowohl Kritik als auch Zustimmung geerntet, schreibt das Blatt und zitiert den SPD-Politiker Sebastian Edathy mit der Aussage: „Wenn wir Integration wollen, dann dürfen die Leute nicht aufgespalten werden.“ Der Soziologe Jens Dangschat sei dagegen der Meinung, dass es Probleme gebe, wenn die Kluft zwischen den Nachbarn als zu groß empfunden werde. „Sind Häuser voller Muslime oder voller Spätaussiedler also friedlicher als gemischte Nachbarschaften, die Vermeidung des Kulturkampfes im Quartier gar ein Integrationsmodell?“, fragt die Zeitung. Gudrun Kirchhoff von der Schader-Stiftung, die in Zusammenarbeit mit dem Städtetag und großen Wohnungsunternehmen die Studie „Zuwanderer in der Stadt“ durchgeführt hat, will weitgehende Einigkeit unter Experten festgestellt haben: Die Trennung von Zuwanderergruppen sei gar nicht mehr umkehrbar, sondern lediglich gestaltbar.


„Fördergesetz verantwortlich für Mieterstruktur“

Kastel/Kostheim – Mit dem Vorschlag der ‚Nassauischen Heimstätte‘, Mieter nach Herkunft oder kultureller Tradition getrennt unterzubringen, beschäftigt sich am 23. November auch die Mainzer «Allgemeine Zeitung» und stellte Meinungen aus der Wohnungswirtschaft vor. Für die ‚Wohnbau Mainz‘, die allein in Amöneburg, Kastel und Kostheim 2.800 Wohnungen vermietet, sei weder der Zustand einer völligen „Durchmischung“ der Mieterschaft, noch eine Komplettbelegung mit Migranten ideal. Was zähle, sei der Einzelfall. Passe ein Mieter in die Hausgemeinschaft, erhalte er die Wohnung. Die gemeinnützige ‚Wohnungsgesellschaft der Stadt Wiesbaden‘ (GWW) wiederum glaubt nicht, dass die Vermietbarkeit ihrer 7.000 Wohnungen vom sozialen Stand der Bewohner abhänge. Viel wichtiger seien die laufenden Sanierungs- und Wärmedämm-Programme. Dass in manchen Wohnblocks bestimmte Gruppen von Mietern dominierten, führt die öffentliche Wohnungswirtschaft nach Auskunft der Zeitung auf die Vorgaben des Wohnungsbau-Förderungsgesetzes zurück. Jährlich würden im Wechsel neue Bedarfsgruppen wie Alleinerziehende, Familien mit zwei Kindern oder Spätaussiedler definiert. Derart geförderte Wohnungen blieben diesen Gruppen so lange vorbehalten, wie die Sozialbindung andauere.


Tabu gebrochen

Berlin – Zum Thema Ent- oder Vermischung von Mietparteien äußert sich auch die Berliner «Tageszeitung» (taz) am 21. November. „Kein Frage, die ‚Nassauische Heimstätte‘ bricht ein Tabu“, heißt es in einem Kommentar. Das Unternehmen vollziehe mit seinen Überlegungen zwar nur nach, was sich bundesweit in vielen Problembezirken beobachten lasse, doch: „Wenn eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft die ethnische Entmischung ihrer Wohnblöcke zum offiziellen Programm erhebt, wird daraus ein Politikum.“ Natürlich seien Wohnungsgesellschaften überfordert damit, den Rückzug in kulturelle Enklaven zu stoppen. Kapitulieren dürften sie vor dieser Entwicklung aber nicht. Wichtiger als die Herkunft der Mieter sei, wie es im Viertel, an Schulen und am Arbeitsplatz aussehe, heißt es der Kommentar: „Das sind die wahren Orte der Integration.“


Aussiedler aus Semipalatinsk gesucht

Dessau – Als die Dokumentarfilmer Henry Mertens und Bertram Weisshaar Anfang November aus Dessau im kasachischen Semipalatinsk eintrafen, um das ehemalige sowjetische Atomtestgelände zu besichtigen, wurden sie aufgehalten, berichtet die «Mitteldeutsche Zeitung» am 22. November. „Zutritt für Ausländer streng verboten“, hieß es vor Ort. Doch ein Brief des Bürgermeisters von Gera, den sie dem Bürgermeister von Semipalatinsk überreichten, öffnete alle Tore. Wie sich herausstellte, gehören beide Amtsinhaber der weltweiten Organisation ‚Mayors for Peace‘ (Bürgermeister für den Frieden) an, die gegen Atomwaffen eintritt. Fortan durften die Filmemacher in dem radioaktiv verseuchten Gebiet drehen, auf dem von 1949 bis 1989 über 500 atomare Sprengköpfe gezündet worden waren. Während ihrer Reise führten sie auch Gespräche mit der russlanddeutschen Organisation ‚Wiedergeburt‘. Von der lokalen Bevölkerung wolle sich eigentlich niemand mit der „brisanten Hinterlassenschaft der Sowjetmacht“ befassen, berichtete Mertens der Zeitung. „Das Thema wird verdrängt, obwohl die Folgen der Strahlung, durch Erbschäden verursachte Missbildungen, bei vielen Menschen nicht zu übersehen sind.“ Für ihren Film, der im kommenden Jahr in Dessau gezeigt werden soll, suchen die beiden Autoren jetzt Aussiedler aus der Region Semipalatinsk, die vor der Kamera über ihr Leben berichten möchten.


Herkunft darf keine Rolle spielen

Stuttgart – Bildung und Migrationshintergrund, schreibt der «Südkurier» am 23. November, das sei seit der ersten Pisa-Studie ein Thema mit Trauerflor. Die jungen Türken, Vietnamesen, Kosovaren oder Russlanddeutschen verpassten zu häufig den „Fahrstuhl“ in die obere Bildungsetage. Die Begrenzung der Bildungsmöglichkeiten erfolge auch durch häufige „Zuweisung der Migrantenkinder in niedrig qualifizierende weiterführende Schulen“, zitiert die Zeitung Markus Ottersbach von der Universität Köln. Da seien sie mit ihrem Stipendiaten-Programm „Talent im Land“ doch Vorreiter eines Trends gewesen, berichtet Ingrid Hamm von der Robert Bosch-Stiftung dem Blatt. Gemeinsam mit der Landesstiftung Baden-Württemberg seien bislang 250 Schüler gefördert worden, deren „Herkunft keine Rolle spielen (darf)“, so Herbert Moser von der Landesstiftung. Begabt und engagiert müssen die Schüler sein, um ein Stipendium zu bekommen, heißt es in der Zeitung. Und eifrig wie Maria Schäfer. 2005 kam die junge Russlanddeutsche mit ihrer Familie aus Wolgograd an den Bodensee. Während die Eltern ihr Geld mit Putzen verdienen müssten, wollte die damals 15-Jährige unbedingt zur Schule. Eine Hauptschule nahm sie in die 7. Klasse auf; die fehlenden Englischkenntnisse brachte sie sich in den Sommerferien selbst bei. Inzwischen geht sie mit besten Noten auf ein Gymnasium, und seit ein paar Wochen ist sie „Talent“-Stipendiatin. „Ich kann jetzt Bücher kaufen, die ich liebe, Sprachbücher, Grammatik.“


Geholfen hat der Chor

Altes Lager – „Alte Russen weg, neue gleich wieder da?“ Unter dem Thema, das an die hier ehedem stationierten sowjetischen Soldaten erinnern wollte, stand der dritte Kaminabend im Kulturzentrum „Das Haus“ in Altes Lager bei Jüterbog in Brandenburg. Gäste waren diesmal die Frauen des lokalen Aussiedler-Chors Raduga (Regenbogen), berichtet die «Märkische Allgemeine» am 22. November. Manche der Aussiedlerinnen hätten tatsächlich schon das Gefühl gehabt, dass sie und ihre Familien in der Gegend nicht willkommen seien, schreibt die Zeitung. Einige wollten deshalb gleich weiterziehen in den Westen, wo die meisten Verwandten lebten. Als die aber zu erzählen wussten, „auch hier werdet ihr nicht mit offenen Armen empfangen“, bissen sie sich eben durch in Altes Lager. Geholfen hätten die regelmäßigen Treffen, bei denen gemeinsam gesungen wurde. Das Resultat, so die Zeitung, sei die Gründung des Raduga-Chors gewesen. Mittlerweile gehörten auch deutsche Lieder zum Repertoire.


„Aus dieser Welt nicht auswandern“

Karlsruhe – Noch immer beschäftigt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) über baptistische Eltern, die ihre Kinder aus Glaubensgründen von der Schule fernhalten, die Medien. Die Karlsruher Richter hatten in einem am 16. November veröffentlichten Beschluss den betroffenen Eltern teilweise das Sorgerecht entzogen. Es liege im Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften“ entgegen zu wirken, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Einstellung der Eltern „wird in freikirchlichen Kreisen aber nicht nur geteilt“, berichtet nun «Factum» am 19. November. Auf Distanz seien beispielsweise der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) gegangen. Er habe in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass die in der Presse meist als „Baptisten“ bezeichneten Eltern nicht einer Gemeinde der Freikirche angehörten: „Wir können als Christen nicht aus dieser Welt auswandern.“


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