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Hannover, im November 2007 – Mit ihrer Aufführung „Deutsch... aber nicht ganz“ und anderen Theaterstücken plädiert Lilia Tetslau für mehr Toleranz und unverkrampftes Miteinander. Sie tritt bundesweit auf Begegnungsabenden, bei interkulturellen und Integrationswochen auf, gastiert in Schulen und Kindergärten und leistet damit ihren Beitrag zur Integration von Aussiedlern. Dadurch, dass sie sich selbst, ihren Landsleuten und den einheimischen Nachbarn den Spiegel vorhält, wirbt sie um ein besseres Verständnis zwischen den beiden Seiten.
Das Drama des Deutschen aus der Fremde, der eigentlich dazu gehören sollte, das ist das Thema ihres Bühnenprogramms. „Dieses Drama verarbeitet jeder auf seine Weise. Und trotzdem gibt es gemeinsame Erfahrungen. Zum Beispiel die Erfahrung des „Sich-Abfindens“ mit dem Zustand, nicht gebraucht zu sein. Es ist schwer dort zu leben, wo man die Hoffnung aufgeben muss, gehört zu werden“, sagt Lilia Tetslau. Auch ihr ist der heutige Erfolg nicht in den Schoß gefallen.
Freilich spart Lilia Tetslau auch die Aussiedler nicht aus, die Deutschland vor ihrer Ausreise häufig durch eine rosarote Brille sehen, später oftmals enttäuscht darüber sind, was sie schließlich vorfinden. In ihren Stücken deckt sie auf, dass Vorurteile nicht nur die Einheimischen haben, sondern auch die Aussiedler. Und sie macht deutlich, dass sich die Forderung nach Integration nicht nur an Aussiedler, sondern auch an deren Umfeld richten muss. Mit Witz und hintergründigem Humor nimmt sie die deutsche Bürokratie und Ordnungsliebe aufs Korn. Die Texte schreibt sie teils selbst, teils in Zusammenarbeit mit russlanddeutschen und einheimischen Autoren.
Dass die Schauspielerin unbeschwert mit Vorurteilen spielt, ist entwaffnend. „Ich kann und will mich nicht mit jedem Aussiedler identifizieren. Aber für das ganze russlanddeutsche Volk, das aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen ist, für die Russlanddeutschen, die Jahrhunderte lang ungerecht behandelt wurden, kämpfe ich mit jeder meiner Veranstaltung“, sagt sie.
Lilia Tetslau ist 1953 im sibirischen Angarsk zur Welt gekommen, wohin ihre Eltern 1941 aus der Ukraine deportiert worden waren. 1956 zog die Familie nach Kasachstan. Bereits als Schülerin besuchte sie Tanz- und Musikkurse und bestand mit 16 Jahren die Aufnahmeprüfung an der Theaterschule Nowosibirsk. Später arbeitete sie als Schauspielerin und Theaterregisseurin in Süd-Ural. Ihr erstes eigenes Theater gründete Lilia Tetslau wenige Jahre später in der Ukraine und führte dort zehn Jahre lang erfolgreich Stücke für Kinder und Erwachsene auf. Schon damals galt ihre besondere Liebe dem Kabarett.
Seit 1991 lebt sie in Deutschland. Die Sehnsucht nach der Bühne blieb. „Das Leben ohne Theater erschien mir sinnlos“, sagt Lilia rückblickend. Von 1993 bis 1997 spielte sie am Wolfsburger Figurentheater ihr Stück „Die glückliche Spätaussiedlerin“ und arbeitete in anderen Stücken mit.
1998 wagte Lilia Tetslau den Sprung in die Selbstständigkeit und reist seitdem mit ihrem Figurentheater „Joey“, das Erwachsene und Kinder gleichermaßen anspricht. Mit dem kleinen Tour-Bus, in dem sie Utensilien für drei Veranstaltungen auf einmal unterbringen kann, fährt sie oft hunderte Kilometer am Tag. Sie baut selbst auf, bringt Licht auf die Bühne, ist ihr eigener Techniker. Und Kabarett, ja das macht sie dann auch selbst. Manchmal vier Vorstellungen hintereinander.
Im Repertoire des Ein-Frau-Theaters hat sie sowohl Vorstellungen für Erwachsene als auch Geschichten für Grundschulkinder und ein russisches Märchen für die Kleinsten – sechs Programme. Mit ihrem multikulturellen Kabarett „Ein Siedler, zwei Siedler, Aus...siedler“, dem Programm „Deutsch...aber nicht ganz“ und dem frischen „Deutsch... aber immer noch nicht ganz“ versucht sie, Vorbehalte zu entkräften. Mit dem Figurenstück „Gefrorene Gefühle“ will Tetslau den Kindern im Grundschulalter helfen, Integrationsprobleme zu bewältigen. Das russische Märchen „Die verzogene Prinzessin und Jemelja“ lädt die Kleinsten zum Mitspielen und Mitreisen ein. Auch ein Stück für die ganze Familie baut Brücken nicht nur zwischen den Kulturen, sondern auch zwischen den Generationen.
Und immer wieder fragt sich die Schauspielerin, stellvertretend für ihre Landsleute, wer sie ist und wohin sie gehört. Am Ende ihres Programms verabschiedet sie sich gewöhnlich so von den Zuschauern: „Ich wünsche Ihnen ein schönes Zusammenleben. Egal ob nebeneinander oder miteinander – Hauptsache nicht gegeneinander!“ (Nina Paulsen)
Links zum Thema |
- Lilia Tetslau Kabarett & Figurenthater Joey |
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