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„Ich habe mich in die Sprache eingegraben“

Ein Gespräch mit Julia Neigel – mal nicht über Musik
„Ich habe mich in die Sprache eingegraben“ Angekommen! Julia Neigel
Foto: Alexandra Adrian

Über tausend Konzerte, zwei Millionen verkaufter Alben: Bilanz einer über 20-jährigen Rock-Karriere. Julia Neigel – ehedem Jule Neigel -, Sängerin, Autorin und Produzentin, hatte eine Schaffenspause von sieben Jahren eingelegt. Unfreiwillig, denn interne Streitigkeiten in der Band hatten ihr die Kreativität geraubt, sagte sie einmal. 2006 hat sich die Ludwigshafenerin mit dem Album „Stimme mit Flügel“ zurückgemeldet. Kaum jemand weiß, dass die stimmgewaltige 41-Jährige in Sibirien zur Welt kam und seit 1971 in Deutschland lebt. ORNIS sprach mit der Russlanddeutschen über ihr Leben und ihre Musik.

Berlin, 1. Oktober 2007 –
ORNIS: Frau Neigel, Sie wurden in der westsibirischen Stadt Barnaul geboren. Welche Beziehung haben Sie noch zu Ihrer früheren Heimat?
Julia Neigel: Ich habe eigentlich nur Kindheitserinnerungen anhand von Fotos und aus Gesprächen mit meiner Mutter. Das sind sehr verträumte Erinnerungen: Ich kann mich erinnern, dass ich viel im Schnee gespielt habe, dass Weihnachten eine besondere Atmosphäre hatte und dass ich in einem Holzhaus am Stadtrand gewohnt habe, in der Nähe eines Birkenwaldes. Im Jahr 1998 hatte ich die Möglichkeit, meine alte Heimat zu besuchen. Ich habe mein Geburtshaus gefunden, das zu meiner Zeit bunt bemalt war und jetzt heruntergekommen aussieht. Ringsum stehen nun Plattenbauten. Aber den Birkenwald gibt es Gott sei dank noch.

Sprechen Sie im Alltag noch russisch?
Ich benutze die Sprache gar nicht. In Deutschland haben wir zuhause deutsch gesprochen. Ich habe in der ersten Klasse sehr schlechte Erfahrungen gemacht mit der Tatsache, dass ich aus Russland stamme.

In Deutschland leben etwa 2,5 Millionen Russlanddeutsche. Was würden Sie als ein Mensch mit binationalem Hintergrund den ankommenden Russlanddeutschen raten?                                                                         Ich finde, dass Kommunikation ein wichtiger Bestandteil der Integration ist. Man muss den Menschen die Sprache beibringen und auch die Gebaren. Das bedeutet, dass sie den Umgang mit den Behörden lernen und über ihre Rechte informiert werden. Ich glaube, dass diese Voraussetzungen wichtig sind, um in Deutschland Fuß zu fassen. Und als Konsequenz natürlich Bildung. Das ist sehr wichtig.

In welcher Sprache komponieren und singen Sie am liebsten?
In Deutsch. Ich habe aufgrund meiner binationalen Herkunft sehr schnell und fleißig Deutsch gelernt, als ich sechs, sieben Jahre war. Ich habe mich in die Sprache eingegraben und festgestellt, dass Deutsch eine faszinierende Sprache sein kann. Mit siebzehn, achtzehn Jahren habe ich begonnen, deutsche Liedtexte zu schreiben, und die Poesie der deutschen Worte erkannt.

Sie sind über 20 Jahre im Musikgeschäft tätig. Was ist Ihre Lebensphilosophie?
Ich lebe nach dem Prinzip: Ich bin auf der Welt, um glücklich zu sein, und möchte in Wahrhaftigkeit leben. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich lebe danach, was ich vor mir moralisch vertreten kann. In der Musikbranche gelte ich als jemand, der eigenwillig und sehr konsequent ist. Aber meine geistige Autonomie ist mir sehr wichtig.

Frau Neigel, vielen Dank für das Gespräch. (Wilhelm Siemers)

 
Links zum Thema
- Homepage von Julia Neigel
- ORNIS-Pressespiegel: "Julia Neigel, alias Jule Neigel"

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