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Russenmannschaft
Mönchengladbach – Beim Fußball trägt Waldemar Schmunk einen roten Stern auf der Brust. Das an sowjetische Zeiten erinnernde Emblem ist kein Zufall, denn der Fußballklub „Red Stars“, dem der 20-Jährige und 113 weitere Sportsfreunde angehören, ist zu einer der wichtigsten Anlaufstelen der Stadt Mönchengladbach für junge Spätaussiedler aus Russland, Kasachstan und Kyrgyzstan geworden, schreibt die «Westdeutsche Zeitung» am 23. Oktober. Kürzlich hat der Integrationsbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kufen, die Fußballer besucht, um sich ein Bild von der Integrationskraft des Sports zu machen. Bei den „Red Stars“, so das Fazit seines Besuchs, haben die Russlanddeutschen eine Gemeinschaft. Voraussetzung für die jungen Spieler ist: Es wird Deutsch gesprochen auf dem Spielfeld – mit einer Ausnahme, wie Waldemar Schmunk einräumt, der vor zwölf Jahren aus Kasachstan kam und damals noch Vladimir hieß. Bei den Spielen in der Kreisliga B unterhalte man sich auf Russisch. „Das ist besser für uns, weil es schlechter für den Schiedsrichter und unseren Gegner ist“, sagt Waldemar. Deshalb habe man auch von den anderen Fußballern einen Namen bekommen: „Da ist die Russenmannschaft“.
Geldfluss aus Deutschland
Berlin – Rund eine Million Deutschstämmige lebten bis Anfang der 1990er Jahre im zentralasiatischen Kasachstan, das einst zur Sowjetunion gehörte. Geblieben ist nach einer starken Aussiedlungswelle gerade ein Fünftel, berichtet der Berliner «Tagesspiegel» am 23. Oktober. Und die Zahl derer, die das Land in Richtung Bundesrepublik weiterhin verlassen, sinkt kontinuierlich. „Ich rechne damit, dass die Übrigen jetzt hier bleiben“, zitiert die Zeitung Alexander Dederer, den Leiter der Organisation „Wiedergeburt“, die die Deutschen in Kasachstan vertritt. Die Minderheit wird von der Bundesregierung unterstützt, indem zum Beispiel Sprachunterricht, Kulturveranstaltungen und die Gesundheitsversorgung gefördert werden. Doch der Geldfluss aus Deutschland lässt nach. „Kommunikationsprobleme und fehlendes Management auf Seiten der Minderheit erschweren den Übergang in die (finanzielle) Selbstverwaltung“, berichtet die lokale Mitarbeiterin der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Annegret Westphal, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums das Programm für die Deutschstämmigen leitet. Perspektiven bildet unter anderem die Deutsch-Kasachstanische Assoziation der Unternehmer an, die insbesondere Firmen von Deutschstämmigen berät, die aus Kasachstan ausgesiedelt, in geringer Zahl aber wieder zurückgekehrt sind.
Neue Verhältnisse
Lichtenfels – Die Spielanordnung ist übersichtlich: An drei Tischen wird Karten gespielt. Die Regeln stehen auf einem Blatt Papier, das kurz durchgelesen werden muss und dann vom Tisch genommen wird. Es darf während des Kartenspiels nicht gesprochen werden. Nach dem ersten Spiel müssen die drei Gewinner den Tisch wechseln und dort weiterspielen – ohne zu wissen, dass jeder Tisch nach anderen Regeln spielt. Die eingewechselten Spieler merken sehr schnell, dass etwas nicht stimmt, können sich aber mit den Anderen nicht austauschen. Ziemlich rasch zeigen sich bei den „Neuen“ Reaktionen, die von Aggressivität bis Resignation reichen. „Alle spürten, wie es ist, einer Minderheit oder Mehrheit anzugehören und wie sich die Verhältnisse ändern können“, berichtet der «Fränkische Tag» am 25. Oktober über ein interkulturelles Training des Lichtenfelser Migrationsforums. Die Caritas-Mitarbeiterin Beate Ehl hat dieses Forum in dem bayerischen Lichtenfels mit Kollegen anderer Organisationen, die sich um Migranten kümmern, vor einem guten Jahr ins Leben gerufen. Mit im Boot, schreibt die Zeitung, sind Lehrer, Erzieher sowie Mitarbeiter von Behörden, Kirchen und Verbänden, die mit Zuwanderern zu tun haben. Sie treffen sich alle drei Monate zu einem vorbereiteten Thema. Interkulturelles Training wie das mit dem Kartenspiel gehört jetzt auch zu den Angeboten des Forums.
Eine ganz normale Gegend
Wittmund – Dass Sozialarbeit etwas bewirkt, war immer klar, meint Jörn Kreikebaum. Einen Beweis für seine Überzeugung hat der Leiter des Polizeikommissariats im niedersächsischen Wittmund und Geschäftsführer des Präventionsrats Harlingerland jetzt in Esens gefunden. Dort, in der Siedlung Knakenbörg, ist nichts mehr, wie es einmal war. Zwei Sozialarbeiterinnen haben es innerhalb von fünf Jahren geschafft, aus einem Problemviertel mit Wohnungsleerstand und überdurchschnittlicher Kriminalität eine „ganz normale Gegend“ zu machen, wie Kreikebaum in der «Ostfriesen-Zeitung» vom 27. Oktober berichtet. Gerichtet habe es das „Print“-Büro der beiden Frauen, benannt nach dem „Präventions- und Integrationsprogramm des Landes Niedersachsen“, an dem sich auch der Landkreis Wittmund und die Stadt Esens beteiligt haben. Die beiden Mitarbeiterinnen konzentrierten sich von Anfang an auf die Arbeit mit Jugendlichen aus sozial schwachen Aussiedler – und Asylbewerberfamilien beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. Bei ihnen sei die Neigung besonders groß, ihren Ärger nicht nur an Sachen, sondern auch an anderen Menschen auszulassen, schreibt die Zeitung. Die Sozialarbeiterinnen führten Gespräche mit den jungen Leuten und ihren Familien, halfen bei der Entscheidung für eine Ausbildung und beim Gang zu Behörden. In diesem Jahr läuft das Projekt aus. Möglicherweise kann es in ähnlicher Form weitergeführt werden.