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Fremdrenten: Kürzung ist verfassungsgemäß

Verfassungsgericht prüft Klage
Fremdrenten: Kürzung ist verfassungsgemäß

Karlsruhe (ORNIS) - Aussiedler müssen damit rechnen, dass ihre Renten um 40 Prozent gekürzt werden, wenn sie in Deutschland keine Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt festgestellt, dass die seit zehn Jahren übliche Praxis durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Richter in Karlsruhe mussten sich mit den so genannten Fremdrenten befassen, weil Aussiedler aus Rumänien gegen die Kürzung geklagt hatten und vor dem Bundessozialgericht damit zunächst Recht behielten.

Die Leitidee des Fremdrentengesetzes aus dem Jahr 1960 war, Vertriebenen und Flüchtlingen im Sozialsystem der Bundesrepublik gleiche Rechte einzuräumen wie einheimischen Deutschen. Die Versicherungszeiten in den Herkunftsländern wurden daher so bewertet, als wären sie nach deutschem Rentenversicherungsrecht abgeleistet worden. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts gilt die Regelung als „Ausdruck besonderer Vergünstigung“, die der Gesetzgeber in wirtschaftlich angespannten Zeiten allerdings überprüfen und ändern kann.

Der politische Frühling in der Sowjetunion und in den Ländern Osteuropas hat bewirkt, dass Aussiedler in großer Zahl nach Deutschland kamen – die Wende in der DDR und die Angleichung an die Gesetzeslage in der Bundesrepublik hat die Rentenkassen zusätzlich schwer belastet. Daher wurde im Jahr 1991 bei den Fremdrenten eine Kürzung von 30 Prozent beschlossen. Diese Entscheidung galt für alle Aussiedler, die seither ins wiedervereinte Deutschland einreisten. 1996 erweiterte man den Abschlag auf 40 Prozent. Nunmehr gilt die Regelung für alle, die nach dem 6. Mai 1996 nach Deutschland ausgesiedelt sind oder seit dem 1. Oktober 1996 eine Rente beziehen.

Die fünf aus Rumänien stammenden Kläger, die nach 1973 in die Bundesrepublik aussiedelten, waren von der Regelung betroffen und zogen vor Gericht. Nach ihrer Ansicht ist die Kürzung verfassungswidrig, weil der Staat die Pflicht habe, ihr im Ausland erwirktes Eigentum (Rentenanspruch) in gleicher Weise zu schützen wie die in Deutschland gezahlten Rentenbeiträge. Zudem fühlten sie sich im Vergleich zu den Deutschen der früheren DDR ungleich behandelt, die nach der deutschen Einheit keine Kürzungen hinnehmen müssen. Schließlich beriefen sie sich auf das Grundgesetz, wonach „Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit“ in gleicher Weise Deutsche sind wie Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Einwände am 30. Juni zurückgewiesen und die Kürzung der Fremdrenten für verfassungsgemäß erklärt. Danach kann Eigentumsschutz nicht gefordert werden, wenn ausschließlich Beitragszeiten zugrunde gelegt werden, die im Ausland erbracht worden sind. Da in der ersten Hälfte der neunziger Jahre die  Rentenversicherungen enorm gestiegene Zahlungsverpflichtungen, aber keine entsprechenden Einnahmen hatten, war der Gesetzgeber nach Auffassung des Gerichts berechtigt und im Sinne des Allgemeinwohls verpflichtet, „vor allem jene Positionen zu kürzen, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen sind“.

In einem Punkt ist das Gericht den Beschwerdeführern jedoch entgegen gekommen: Personen, die vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland ausgesiedelt sind, aber erst seit dem 30. September 1996 eine Rente beziehen, müssen darauf vertrauen können, dass die ursprünglich gegebenen staatlichen Zusagen nicht kurzfristig zurückgenommen werden. Hier mahnen die Richter das Vertrauensschutzprinzip des Grundgesetzes an und verlangen eine Übergangsreglung für Aussiedler, deren Rentenstart 1996 in greifbarer Nähe lag. Nun ist der Gesetzgeber beauftragt, bis Ende 2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. [Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvL 9/00] (© ORNIS/us, 2. Juli 2006)

 
Links zum Thema
- Pressemitteilung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
- Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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