„Kultur ohne Grenzen“ titelten die deutschen und russischen Organisatoren und gewannen eine Vielzahl von Partnern und Förderern wie das Goethe Institut Moskau, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und die Robert Bosch Stiftung. Dabei sollte die Bezeichnung der deutschen Woche keine hohle Phrase bleiben: „Es ging nicht nur um die Präsentation Deutschlands und der deutschen Kultur, sondern in erster Linie um den gegenseitigen Austausch zwischen Deutschen und Russen“, sagt Susanne Wunderlich, Sprachassistentin des Goethe Instituts. Außerdem sei es den Organisatoren wichtig gewesen, alle Facetten der deutschen Kultur zu zeigen. „Es gibt ja nicht nur Rammstein, Bierfest und Mercedes“, ergänzt sie schmunzelnd. Und so war das Programm, das vom 24. bis 29. April in Omsk geboten wurde, auch alles andere als gewöhnlich.
Nach der offiziellen Eröffnung in der Puschkin-Bibliothek wurden in der Tat Grenzen gesprengt – vor allem die sprachlichen. Die experimentelle Theatergruppe „Scatology“ aus Dresden rezitierte Auszüge aus den Werken dadaistischer Schriftsteller wie Ernst Jandel und Hans Arp. „Gra, gra, gra - nit, nit, nit“, zischte Frontmann Andy Weinholdt ins Mikrophon. Über die große Leinwand flackerten synchron dazu wild aneinander gereihte Wortfetzen. Aus den Lautsprechern schrillten grelle Elektroklänge. „Naja, es war gewöhnungsbedürftig. Aber auch wirklich spannend“, meinte Olga Sasuchina, Deutschstudentin aus Omsk nach der Inszenierung. Nicht nur diese erste Veranstaltung der deutschen Kulturwoche in Omsk war über die Erwartungen gut besucht. „Das Interesse war unheimlich groß. Die ganze Planung hat sich wirklich gelohnt“, freut sich DAAD-Lektor Michael Wallraf.
Das lässt sich sicher auch auf die große Bandbreite der Veranstaltungen zurückführen. Hier war für nahezu jeden Geschmack etwas dabei: Bei einem Minimarathon folgten Omsker Schüler und Studenten deutschen Spuren in der Stadt. Welcher Architekt erbaute die Uspenski-Kathedrale? Unter welchem Zaren kamen die ersten Deutschen nach Russland? Die Teams mussten viele knifflige Fragen lösen. Um die Spuren der Deutschen ging es auch bei einem Fotowettbewerb, der bereits Anfang April ausgeschrieben worden war. In der Kulturwoche wurden die besten Bilder schließlich auf einer Fotoausstellung im Zentrum der Stadt präsentiert. Hier gab es auch etwas für die Ohren. Omsker Studenten lasen zwei Tage lang aus den Werken zeitgenössischer deutscher Schriftsteller, wie Christian Schünemann und Sven Regner.
Wo ansonst gebetet wird, erfüllte klassische Musik den Raum: In der evangelisch-lutherischen Kirche präsentierte der Omsker Kammerchor unter Leitung des russischen Dirigenten Nikolaj Jakunitschew Stücke von Beethoven, Schubert sowie weiteren deutschen Komponisten. Konzerte, ein Tanzworkshop, eine Kurzfilmnacht, ein Rockwettbewerb, wissenschaftliche Foren sowie eine deutsche Disko rundeten das Angebot ab. Und da auch die Esskultur zur Kultur gehört, konnten Experimentierfreudige während der gesamten Woche in einem Omsker Restaurant Würstchen mit Sauerkraut, Eintopf und andere typisch deutsche Gerichte bestellen.
Den Abschluss bildete schließlich am 29. April Wolfgang Borcherts Stück „Draußen vor der Tür“ inszeniert von der Theatergruppe ArtIst aus dem deutschen Landkreis Asowo, unweit von Omsk. Unteroffizier Beckmann, gerade aus der Gefangenschaft in Sibirien zurückgekehrt, haderte auf der Bühne des „Dom Aktjora“ gekonnt und beklemmend mit seinem Schicksal. Leben oder Sterben? Die Schuldgefühle lassen ihn nicht mehr los. Die verlogene und ignorante deutsche Nachkriegsgesellschaft ist ihm zuwider. Doch die Liebe einer Frau erlöst ihn. Und erlöste auch die Gäste. Nach einer abwechslungsreichen, fröhlichen und intensiven Woche der deutschen Kultur in Omsk wollten viele nur noch eines: schlafen. (© ORNIS/Diana Püplichhuysen, 1. Mai 2006)
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