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Von Christine Holch
Die Straßen in Deutschland werden sogar mit Shampoo gewaschen! Man kann einfach so leben, muss nicht arbeiten! Und erst die Fotos, die die ersten Aussiedler Anfang der 90er Jahre den Briefen in ihre alte Heimat Russland beilegten: Alles blühte! "Wie wenn es in Deutschland immer blühen würde", sagt Lena Schmidt trocken, heute, mit ihren 28 Jahren.
Aber damals, als sie die Fotos sah, war sie ein Teenager und träumte viel. Von anderswo. Denn da, wo sie lebte, schien ihr das Ende der Welt: weit hinter dem Uralgebirge, in der Steppe Sibiriens, an der Grenze zu Kasachstan. Slawgorod heißt das Städtchen. Die Menschen sitzen abends auf den Bänken vor ihren Häusern und plaudern: wie viel Kartoffeln sie geerntet haben, ob die Kühe gesund sind... Und Lena dachte: Ich will da weg, ich will was Größeres erleben!
Ins Land der Vorfahren
Lena war 23, als sie aufbrach, im April 2004. Es war finanziell immer schwieriger geworden in Russland. "Dann gehen wir halt in das Land, wo unsere Vorfahren herkommen", hatte die Mutter gesagt. Und vier ihrer neun erwachsenen Kinder lebten ja schon in Deutschland. Doch dann weinte die Mutter die ganze viertägige Reise hindurch.
Schließlich ließ sie ihr ganzes Leben zurück. Das Haus, die Hühner und
den Mann auf dem Friedhof. Der war im Sommer davor an Krebs gestorben.
Lena war traurig und freute sich zugleich: Endlich würde sie was
erleben! Damals wusste sie noch nicht, dass jeder Gewinn auch einen
Verlust bedeutet.
Es ließ sich vielversprechend an: Je näher sie
Westeuropa kamen, umso freundlicher wurden die Menschen. Hatte der
weißrussische Grenzbeamte sie noch angeherrscht: "Pässe! In die Augen
schauen!", sagte sein polnischer Kollege entgegenkommend: "Guten Tag,
Ihre Ausweise bitte." Wohin Lena in Deutschland auch kam, überall
lächelten die Menschen sie an und sagten Hallo. Komisch fand Lena das:
"Die kennen mich doch gar nicht!" In Russland ist der öffentliche
Mensch grob, sagt sie. Erst wenn man jemanden kenne, schließe man sein
Herz auf, dann aber auch gleich wie für einen Verwandten.
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die Bilder zum Text stammen von dem Hamburger Fotografen Stefan Volk
- Lena. Portrait einer deutsch-russischen Aus-wanderung (Ausstellung) |