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Einblicke in russlanddeutsches Leben

In Lissakowsk gibt es die größte ethnographische Sammlung Kasachstans

Die jungen Besucher brachten Leben ins Kulturmuseum Lissakowsk. Die Mitglieder deutscher Jugendklubs in Kasachstan interessierten sich vor allem für Ausstellungsstücke, die einmal russlanddeutschen Familien gehörten. Ein Exponat aus dem Alltagsleben der Deutschen war unvollständig: An dem Wandbehang durften die Museumsgäste selbst noch Hand anlegen.

Lissakowsk, im November 2009 – Die ersten Ausstellungsstücke hat das Museum 1995 zusammengetragen, als die Deutschen in Scharen das Land Richtung Deutschland verließen. Es wurde alles gesammelt, was die Familien zurückließen. Man wollte zumindest die Kultur der Minderheit nicht in Vergessenheit geraten lassen. So kamen mit der Zeit auch zahlreiche Fotografien zusammen, die viel über deutsche Sitten und Gebräuche erzählen: eine Fundgrube für Historiker, die sich mit dem Alltag der Russlanddeutschen beschäftigen.

So auch für eine Gruppe junger Sprachwissenschaftler, zu denen nicht nur Deutsche, sondern auch Russen, Ukrainer, Kasachen und Afrikaner gehörten. Bei ihrem Besuch betrachteten sie jedes Ausstellungsstück mit großem Respekt und Interesse. Ein altes Bett, die Puppe neben dem Kissen, ein handgewebter Teppich und gestickte Bilder: All das und vieles mehr bewahrt das Museum für die Nachwelt auf. Die Mädchen begeisterten sich vor allem für den Schmuck und die Trachten. Sie erfuhren, dass der traditionelle deutsche Hochzeitskranz mit weißen Blüten und grünen Blättern geschmückt und mit Wachs überzogen wurde. […]

In den Vitrinen befindet sich auch eine Kopie des berühmten Manifests von Katharina II., mit dem die russische Zarin einst deutsche Bauern und Handwerker einlud, sich in Russland niederzulassen. „Verstatten Wir allen Ausländern, in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen.“, heißt es dort. „Soll keiner unter solchen zur häuslichen Niederlassung nach Rußland gekommene Ausländer an unsere Cassa die geringsten Abgaben entrichten.“ Und: „Gestatten Wir allen in Unser Reich ankommenden Ausländern unverhindert die freie Religions-Übung nach ihren Kirchen-Satzungen und Gebräuchen.“ Dank dieser Regeln konnten die Vorfahren der Russlanddeutschen, die sich damals an der Wolga niederließen, die Sprache und Kultur ihres Volkes pflegen und bis heute bewahren. Diese Urkunde wird übrigens bald 250 Jahre alt.

Ein Großteil der Exponate zur Geschichte der Deutschen befindet sich allerdings derzeit in Aktjubinsk. Dort werden Fotos deutscher Siedlungen in Kasachstan aus den 20er- und 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, Gegenstände des religiösen Lebens der Deutschen, alte Bücher, Hochzeitskränze und Handarbeiten gezeigt - insgesamt 107 Ausstellungsgegenstände und mehr als 200 Fotos.

Museumsdirektorin Natalja Schiljawa betont, dass die Lissakowsker Sammlung zur Ethnografie der Deutschen zu den umfangreichsten in ganz Kasachstan gehört. Unter anderem gibt es hier einen sehr seltenen Kranz aus Fischschuppen, einen Wandbehang mit einer dialektdeutschen Inschrift und Butterförmchen zu bestaunen. „Zu unserer Ausstellung gehört auch ein unvollendeter Wandbehang in dem Stil, wie ihn die Deutschen früher pflegten“, erzählt Julija Budanowa, die Museumsführerin. „Das Besondere daran ist, dass jeder Besucher selbst einige Stiche mit der Nadel führen kann. Er leistet damit seinen Beitrag zum Gesamtbild und trägt dazu bei, dass der Faden nicht abreißt.“

Im Herbst kehrt die mobile Ausstellung ins Verwaltungsgebiet Kostanaj zurück und wird hier in verschiedenen Heimatmuseen gezeigt. Solche Ausflüge wurden durch die finanzielle Unterstützung aus der Projektförderung möglich, die dem Zentrum für moderne Kunst ‚Descht i Art‘ zu verdanken ist. Demnächst soll die Ausstellung in weiteren Städten Kasachstans und auch in Russland zu sehen sein.

Quelle: Денис Сутыка: „ Гастроли Немецкой выставки»,
Denis Sutyka: «Gastroli nemeckoj vystavki“,
http://www.deutsche-allgemeine-zeitung.de/rus/ vom 9. Oktober 2009;
Übersetzung: Norbert Krallemann


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