Aussiedler befürworten Integrationskonzept in Friedland
Neue Studie zu den Lebensperspektiven der Spätaussiedler
Aussiedler in Friedland Foto: Monika Hinze
Derzeit kommen jährlich knapp 8000 Spätaussiedler nach Deutschland. Ihr vorrangiges Motiv ist die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Dokumentations- und Informationsstelle zur Geschichte der Erziehung und Sozialen Arbeit (DIGESA) in Hildesheim.
Von Frühjahr bis Sommer 2007 sind 201 Spätaussiedler im Grenzdurchgangslager Friedland zu ihren Ausreisemotiven und weiteren Lebensperspektiven befragt. Bewertet wurde von den Befragten auch das neue Konzept des Integrationszentrums in Friedland. Spätaussiedler, die in die Bundesländer Niedersachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz übersiedeln wollen, können freiwillig die ersten sechs Monate in Friedland bleiben, um sich auf das neue Leben in Deutschland vorzubereiten.
Professor Friedhelm Vahsen und seine Mitarbeiterin Gudrun Mane von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim-Holzminden-Göttingen (HAWK) bringen in ihrer Untersuchung auch Neues ans Tageslicht: So fanden sie beispielsweise keinen Beleg dafür, dass deutschstämmigen Jugendliche zuweilen gegen ihren Willen auswandern. 24 Prozent der Befragten gaben an, die Entscheidung selbst getroffen zu haben. 37 Prozent unterstützten den Entschluss zur Auswanderung sehr. Lediglich 13 Prozent signalisierten, dass sie sich nicht ausreichend in die Entscheidungsfindung der Ausreise einbezogen fühlten.
Ganz pragmatisch verbinden die Spätaussiedler heute ihre Ausreise nach Deutschland mit besseren materiellen und beruflichen Lebensperspektiven. Das Motiv der Familienzusammenführung spielte bei den Befragten eine untergeordnete Rolle. Aus diesen Antworten skizzieren Vahsen und Mane eine günstige Ausgangsbedingung für den Eingliederungsprozess in Deutschland. „Ohne ideologische Überfrachtung der Erwartungen an die alte/neue Heimat besteht eine eher pragmatische Orientierung für sich und seine Nachkommen etwas aufzubauen, etwas zu erreichen“, stellen die Hildesheimer Sozialwissenschaftler fest.
Auch die Bewertung des Integrationszentrums in Friedland fällt bei den Befragten positiv aus: Ein Drittel (34 Prozent) bewerten das Betreuungsprogramm in Friedland als gut oder sehr gut. Nur wenige (sieben Prozent) äußerten sich enttäuscht. Knapp über die Hälfte der Befragten waren teilweise zufrieden mit dem angebotenen Integrationsprogramm. Viele Spätaussiedler begreifen das Integrationszentrum als eine Art Schonraum, in dem sie sich in Ruhe auf das Leben an ihrem zukünftigen Wohnort vorbreiten können. Sie schätzen es, dass sie Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten erhalten und sich so ganz auf den Spracherwerb konzentrieren können.
Nur die Möglichkeit, die neuen Kenntnisse im Alltag zu erproben, ist in der niedersächsischen Gemeinde Friedland kaum vorhanden. „Die Kontaktdichte mit den Anwohnern aus dem Ort ist noch relativ gering“ heißt es in der Studie. So sei das Bedürfnis, „aus dem Lager raus zu kommen“, groß. Besonders die vom Integrationszentrum Friedland angebotenen Ausflüge und Exkursionen haben wie selbst gestaltete Wochenendprogramme einen hohen Stellenwert, um Kontakt mit Freunden und Verwandten zu bekommen. Die Untersuchung von Vahsen und Mane zeigt, dass die Spätaussiedler ihre Zukunft in Deutschland positiv sehen und bewerten. „Insgesamt zielen die Lebenswünsche und -perspektiven der von uns Befragten auf ein rasches, konfliktfreies Hineinleben in das ökonomische, soziale und kulturell System der Gesellschaft“, resümieren die Wissenschaftler. Die Spätaussiedler würden realistisch die Chancen und Risiken der Auswanderung abwägen und sich bewusst für einen Neuanfang in Deutschland entscheiden. Wilhelm Siemers