Sie sind hier: Startseite ›› Wochenrückblick ›› 2007
Armut unter Aussiedlern
Berlin – Spätaussiedler sind überdurchschnittlich arm. Ein Drittel der seit 1990 zugezogenen Russlanddeutschen hat ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, fast 60 Prozent leben von Hartz IV, schreibt die «Berliner Zeitung» am 25. August. Das Blatt bezieht sich auf eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg, das rund 3.000 Fragebögen in deutscher und russischer Sprache an Spätaussiedler im Berliner Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf verschickt hat. Nur 438 kamen ausgefüllt zurück. „Zu wenig für eine repräsentative Analyse, aber aussagekräftig genug für eine Fallstudie“, heißt es in der Zeitung. Unter anderem kam heraus, dass sich 44 Prozent der Befragten durch den Zuzug bessere Zukunftschancen versprechen. Ein Drittel, vor allem Ältere, bezeichnete Deutschland als ethnische Heimat. 37 Prozent gaben an, gut Deutsch zu sprechen. In dem Berliner Bezirk leben rund 25.000 Spätaussiedler.
Schritt für Schritt
Torgau – Seit 1995 sind 3.108 Spätaussiedler aus den GUS-Staaten in den Torgauer Landkreis zugezogen. Anfangs kamen jährlich etwa 300 Personen, zuletzt nur noch 15. Um ihre Integration kümmert sich seit September 2006 die DRK-Migrationsberaterin Anne Brendecke mit ihrem EU-geförderten Projekt „Schritt für Schritt – ein neuer Anfang“. Hier können sich erwachsene Russlanddeutsche über allgemeine Themen informieren und Erfahrungen austauschen, berichtet die «Torgauer Zeitung» am 24. August. Immer wieder gehe es um die sprachlichen Fähigkeiten, die Suche nach Arbeit und bessere Chancen für den Nachwuchs. „Die meisten Zuwanderer wussten um die schwierige Arbeitsmarktsituation in Deutschland. Allerdings wussten sie nicht, dass es wirklich so schwer ist, auch nur irgendeinen Arbeitsplatz zu bekommen“, meint Anne Brendecke. Viele müssten nach ihrer Ankunft bei Null anfangen, weil die Berufs- und Studienabschlüsse nicht anerkannt würden. Aber auch mit anerkanntem Abschluss seien akademisch gebildete Spätaussiedler noch schwieriger in den Arbeitsmarkt zu integrieren als solche mit oder ohne abgeschlossene Berufsausbildung. „Vielen Spätaussiedlern geht es bei der beruflichen Betätigung nicht zwingend um das große Geld, sondern darum, etwas Sinnvolles zu tun, den eigenen vier Wänden zu entfliehen und unter Menschen zu kommen.“
Spätaussiedler dämpfen Bevölkerungsverlust
Sulzbach-Rosenberg – Sulzbach-Rosenberg zählt bayernweit zu den Gemeinden mit der höchsten Spätaussiedler-Zuwanderung, berichtet der Online-Dienst «Oberpfalznetz» am 25. August und stellt in einem Interview mit Gerd Geismann, dem Bürgermeister der Stadt, fest: „Die Integration der Migranten wird uns noch viele Jahre beschäftigen.“ Für den Bürgermeister sähe es ohne diese Zuwanderung aber „heute duster aus“. Die Stadt wäre – mit sinkender Tendenz - bei einer Einwohnerzahl von 15.000 Einwohnern angekommen und bei einer Arbeitslosenquote von vermutlich 20 Prozent. Und die meisten Bürger wären 60 Jahre oder älter. Dank der Zuwanderer sei das anders: „Wir schrumpfen langsamer, wir können den Knick nach unten sanfter gestalten und mit einer familienfreundlichen Politik die Weichen weiterhin positiv stellen.“
Befehl und Gehorsam
Frankfurt am Main – Unter den Bewerbern für die Bundeswehr befinden sich überdurchschnittlich viele mit einem schlechten Schulabschluss oder Zuwanderer. Das Interesse, Soldat zu werden, ist bei den Hauptschülern am größten, bei solchen mit Hochschulreife am geringsten, schreibt die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» (FAS) am 26. August und nimmt dabei Bezug auf Angaben des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen. Der leitete bis 2005 das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (Sowi) in Strausberg, das die soziale Herkunft der Bundeswehr-Bewerber untersucht hat. Über die derzeitige Zahl der Soldaten aus Zuwandererfamilien gebe es keine umfassenden Statistiken. Dass es eine zunehmend große Zahl ist, bestreiten weder Politiker noch Militärs, heißt es in der FAS. „Im Jahr achtzehn nach dem Ende der Blockkonfrontation wird auf deutschen Kasernenhöfen zwar nicht dauernd, aber auch nicht selten Russisch gesprochen.“ Viele aus Russland kommende Spätaussiedler gingen zur Bundeswehr. Von größeren Sprachproblemen werde nicht berichtet, die Befehle würden verstanden.
Organisierte Kriminalität
Berlin – Nach dem Duisburger Mord an sechs Italienern, der der kalabrischen Mafia-Organisation ‚Ndrangehta’ angelastet wird, ist das Organisierte Verbrechen „das große Thema in Deutschland“, berichtet der Berliner «Tagsspiegel» am 22. August. Italiener und Osteuropäer, Rocker und Araber, Bänker und Apotheker – die Verflechtungen reichten in ganz unterschiedliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Die Milieus seien sehr diffus, Zahlen und Statistiken immer mit Vorsicht zu genießen, zitiert das Blatt Klaus von Lampe, der an der Freien Universität Berlin im Rahmen eines EU-Projekts das Organisierte Verbrechen in Deutschland erforscht. Der Tagesspiegel stellte die seiner Ansicht nach elf wichtigsten Gruppen der Organisierten Kriminalität und ihre Aktivitäten in Deutschland vor, darunter auch die „Russen-Mafia“. Ihr Aktionsfeld seien Autodiebstahl, Geldwäsche und Menschenhandel. Unter den Tätern befänden sich nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch viele Russlanddeutsche.
Besseres Leben nach der Haft
Augsburg – Weil er unbedingt ins Gefängnis wollte, hat sich ein alkoholabhängiger Spätaussiedler in Bayern bei der Polizei selbst angezeigt: Er habe einen Mord begangen. Wegen Vortäuschung einer Straftat wurde der 28-Jährige in Augsburg dieser Tage zu einer eineinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Nun will er sich therapieren lassen, damit er nach der Entlassung nicht mehr zur Flasche greift. Danach möchte er nach Bonn zu seinem Onkel ziehen. „Dort will ich ein neues Leben anfangen“, zitiert ihn die «Augsburger Allgemeine» am 21. August. Im Alter von 12 Jahren war der Verurteilte mit seiner Mutter aus Kyrgyzstan nach Deutschland gekommen. Als 16-Jähriger stand er zum ersten Mal vor Gericht. Heute lebt er von Hartz IV. „Sein Leben bestand aus saufen, saufen, saufen“, schreibt die Zeitung. Er habe seine Probleme mit Alkohol zuschütten wollen. So war es auch am 30. März. „Ich habe mich bodenlos leer gefühlt. Ich wusste, dass es so nicht mehr weitergeht“, erinnerte er sich vor Gericht. Er gestand einen Mord, der nie begangen wurde. „Ich wollte ins Gefängnis und mich selbst bestrafen.“