Sie sind hier: Startseite ›› Wochenrückblick ›› 2008
„Nicht so einfach, wie man denkt“
Heidelberg – Etwa 2.300 Kleingärtner besitzen im Einzugsgebiet von Heidelberg eine der rund 300 Quadratmeter großen Parzellen. Bundesweit sind es nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde rund eine Million Parzellen in 15.200 Kleingartenanlagen, die in jüngster Zeit vor allem an jüngere Familien verpachtet werden, schreibt der «Rheinische Merkur» am 5. Juni. Bei ihnen, so Eugen Dammert, Vorsitzender der Kleingartenkolonie in Heidelberg, gelte Weltoffenheit, was Nationalitäten, Sprachen und Religionen angeht. Deshalb wehten überall Flaggen aus aller Herren Länder, darunter kräftige Rot-Töne aus Österreich, Russland und der Türkei.
Der Schrebergarten wächst und gedeiht, wie überhaupt alles in ihm wächst und gedeiht, heißt es in der Zeitung, denn eine andere Bevölkerungsschicht als ehedem habe ihn für sich entdeckt: Zuwanderer. Jeder dritte Schrebergärtner in der Anlage komme aus der Türkei, Russland oder Rumänien. Einer der Zugereisten sei Valerij. Das Familienoberhaupt komme aus Kasachstan, „was er anhand einer gehissten Flagge stolz der Welt kund tut“. Seine Beete seien nicht ganz so akkurat gepflegt und abgezirkelt wie bei anderen. Über die Vorschriften und Regeln der kleinen Kolonie meint der Russlanddeutsche: „Es ist nicht so einfach, wie man denkt. Heute habe ich erfahren, dass diese Zierpflanzen 50 Zentimeter vom Zaun weg sein müssen.“
Migrationspolitik verdichtet
Recklinghausen – Seit 1994 gehört Waltraud Lehn dem Deutschen Bundestag an. Die SPD-Politikerin (Jahrgang 1947) will bei den kommenden Wahlen nicht mehr antreten – Anlass für den Online-Dienst «Islam.de», am 7. Juni ein Gespräch mit der Abgeordneten zu veröffentlichen. „Wir wollten wissen, was die Volksvertreterin in Sachen Migration in knapp 15 Jahren Abgeordnetendasein bewirkt hat“, heißt es dazu. Als großen Erfolg sehe es Lehn an, dass in Migrationsfragen „endlich alles in einer Hand liegt bei Frau Böhmer“. Das Amt der Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), angesiedelt im Bundeskanzleramt und zuständig für Migration, Flüchtlinge und Integration, sei ein Ergebnis ihrer Koalitionsverhandlungen. Früher hätten viele Ministerien mitgeredet, wenn es um Migration oder Asylfragen gegangen sei, allen voran das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium. Außerdem wusste die Parlamentarierin zu berichten, es gebe auch keinen eigens abgestellten Bundestagsabgeordneten mehr für Spätaussiedlerfragen. (Dass es mit Christoph Bergner, CDU-Abgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, einen Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung gibt, scheint die Politikerin übersehen zu haben.)
Integration wissenschaftlich vermessen
Berlin – Erfolgreiche Integrationspolitik ist wissenschaftlich messbar. Diese Annahme liegt dem Konzept für ein bundesweites Integrations-Monitoring zugrunde, das die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), jetzt dem Kabinett präsentiert hat, berichtet das «Hamburger Abendblatt» wie viele andere Medien am 5. Juni. Die Integrationsfortschritte sollen künftig anhand von 100 Kriterien zu 14 zentralen Themenfeldern wissenschaftlich überprüft werden. Dazu gehören Einbürgerung, Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen, Mediennutzung, politisches Engagement, Kriminalität und Fremdenfeindlichkeit. Das Konzept bezieht alle Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund ein: Ausländer, Spätaussiedler, Eingebürgerte und als Deutsche geborene Kinder aus Zuwandererfamilien. Über die Ergebnisse des Monitorings soll regelmäßig öffentlich berichtet werden.
Literatursommer mit Russlanddeutschen
Hochschwarzwald – Der Literatursommer des Hochschwarzwald-Kreises steht in diesem Jahr unter dem Motto ‚Libteranto – Kulturen begegnen sich‘. Die Bibliotheken Löffingen und Titisee-Neustadt werden im Roten Haus im Begegnungscafé „Carpe Diem“ sich gemeinsam diesem Thema widmen, berichtet der «Schwarzwälder Bote» am 7. Juni. Ganz bewusst habe man sich für die große Gruppe von Russlanddeutschen entschieden, „die hier in ihrer alten Heimat doch fremd sind“. Thematisiert werden ihre Erfahrungen mit Fremdsein, Angst, Hoffnung und Neuanfang. Bereits aufgetreten ist die Kabarettistin und Spätaussiedlerin Lilia Tetslau. Die 1953 in Sibirien geborene Künstlerin sei die einzige Spätaussiedlerin, die mit schauspielerischem Talent, einer großen Portion Humor und völlig unverkrampft das große Wort Integration auf die Bühne bringe. Erwartet wird auch die Schriftstellerin Ulla Lachauer. Sie will aus ihrem Buch „Ritas Leute“ lesen, in dem sie die Geschichte der russlanddeutschen Großfamilie von Rita Pauls aus Karaganda beschreibt, die 1989 nach Deutschland ausgesiedelt ist.
Das Publikum war begeistert
Westallgäu – Vielen Westallgäuer Musikfreunden ist ein Musikgenuss entgangen. Der aus Kasachstan stammende Pianist mit deutschen Wurzeln, Valerij Petasch, gab eine beeindruckende Kostprobe seines Könnens und hätte wahrlich mehr Zuhörer verdient, berichtet die «Allgäuer Zeitung» am 4. Juni. Petasch, Absolvent des Tschaikowsky-Konservatoriums Moskau und heute Lehrer an der Universität von Ulm, habe sich durch die kleine Zuhörerschar nicht irritieren lassen und das Konzert kurzerhand in ein „Hauskonzert“ umgewandelt. Seine ganze Liebe gelte der Romantik, und so hätten neben Eigenkompositionen nur Romantiker wie Schubert, Chopin, Glinka, Liszt und Mendelssohn-Bartoldy auf dem Programm gestanden. „Das Publikum war begeistert“, schreibt das Blatt, „und spendete langen Beifall, den Petasch mit drei Zugaben honorierte.“
Plastikkränze auf dem Grab
Hof – Der Friedhof der Stadt Hof befindet sich im Wandel: Die Zahl der Gräber nimmt ab, an vielen Stellen bleiben Flächen ungenutzt oder werden umgewandelt in Urnenfelder. Monumentale Grabsteine sind zumeist sehr alt, neuere gibt es kaum, heißt es im «Hofer Anzeiger» am 5. Juni. Der Tod sei teuer – für den, der stirbt oder auch für seine Angehörigen. Denn die Beerdigungskosten sind hoch, vor allem, wenn der Tote begraben werden soll. Von 2.048 Bestattungen im Jahr 2007 waren 1.960 Einäscherungen, 88 Erdbestattungen. 1991 ließen sich noch 207 Menschen im Sarg begraben. Auch die Art der Grabgestaltung unterliegt dem Wandel, heißt es weiter. So lägen zunehmend Plastikkränze auf den Gräbern. Das weise auf die Beerdigungskultur der Spätaussiedler hin.
Tipps aus Kasachstan für drogenabhängige Spätaussiedler
Kassel – Seit sieben Jahren gibt es einen Austausch zwischen der Drogenhilfe Nordhessen und Kasachstan, schreibt die «Hessische/Niedersächsische Allgemeine» am 5. Juni. Dieses Jahr hospitierten Baliya Kozhakhmetova, die Leiterin einer Drogenklinik in Karaganda, die Psychologin Svetlana Karybayeva sowie Yelena Shabalova, die eine Entgiftungs-Station leitet und Anny Ryl aus einem Rehabilitationszentrum für Abhängige bei der Drogenhilfe Nordhessen. Seit zehn Jahren gebe es in Kasachstan eine staatlich geförderte Drogenhilfe, berichteten die Fachfrauen. Für die Drogenhilfe Nordhessen sei der Austausch mit den kasachischen Kolleginnen wichtig, weil sie gute Tipps geben könnten für die Therapie von drogenabhängigen Spätaussiedlern, die einen anderen soziokulturellen Hintergrund hätten als die Einheimischen, wie Anja Keding von der Drogenhilfe der Zeitung sagte.
Ende einer wenig harmonischen Ehe
Münster – Schmächtig sieht er aus, der schwarze Nadelstreifen-Anzug scheint zu groß, das blonde Haar ist korrekt gescheitelt. Manchmal, wenn er von seinen Beziehungen zu Frauen spricht, huscht ein breites Grinsen über das kindliche Gesicht des 30-jährigen Angeklagten, berichten die «Westfälischen Nachrichten» am 2. Juni. Zu lachen gebe es beim Prozessauftakt vor dem Landgericht jedoch nichts. Dem Russlanddeutschen wird zur Last gelegt, vor einem Jahr seine 28 Jahre alte Ehefrau auf grausame Weise erstochen zu haben. Später habe er die Leiche mit seinem Auto fortgeschafft und im Dortmund-Ems-Kanal versenkt. Der aus Westsibirien Stammende war im Jahr 2000 nach Münster gekommen. Kurz zuvor hatte er noch in Russland seine Freundin Elena geheiratet, die ein Kind von ihm erwartete. Der Sohn kam in Deutschland zur Welt, anderthalb Jahre später wurde eine Tochter geboren. Die Ehe, so der Angeklagte vor Gericht, sei von Anfang an wenig harmonisch gewesen: „Ich weiß bis jetzt nicht, warum ich sie geheiratet habe.“ Er wisse auch nicht, warum er sie erstochen habe. Die Anklage lautet auf Tötung aus niederen Beweggründen – Mord.