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10 Jahre „Forum gegen Rassismus“
Oranienburg – Die Geburtsstunde des „Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt“ liegt zehn Jahre zurück. Ende Januar 1997 diskutierten Pfarrer, Lokalpolitiker und Oranienburger Bürger, darunter viele Jugendliche, in der Nicolaikirche mit den beiden Autoren Harald Klier und Markus Kemper über deren Studie „Ich will mich nicht daran gewöhnen“. Es ging um Fremdenfeindlichkeit, damals vor allem gegen Asylbewerber. „Heute ist die Stimmung gegen die Spätaussiedler gerichtet“, heißt es in der «Märkischen Allgemeinen» am 20. Januar. „Alles was fremd ist, wird abgelehnt“, zitiert die Zeitung die Journalistin Minette von Krosigk, aktives Mitglied des Forums. In den vergangenen Jahren hat die Vereinigung, an deren Aktionen sich immer zwischen 150 und 450 Oranienburger beteiligen, viele Projekte initiiert: Theater-Workshops, Museumsbesuche, Radioreportagen unter Mitarbeit von Jugendlichen. „Wir haben einen sensiblen Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus in Oranienburg erreicht“, sagen von Krosigk und Forums-Mitglied Bernhard Fricke. Am 27. Januar wird im Bürgerzentrum der zehnte Geburtstag gefeiert.
Ausstellung „Deutsche aus Osteuropa bei uns“
Dissen – „Für viele Bundesbürger ist es nur schwer zu begreifen, dass auch außerhalb der Grenzen Deutschlands Deutsche leben – und das seit vielen hundert Jahren“, sagte der Historiker Richard Sautmann zur Eröffnung der Ausstellung „Kennenlernen – Deutsche aus Osteuropa bei uns“ in der neuen Heimatstube in Dissen bei Osnabrück. Um Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Deutschen gehe es, berichtet die «Neue Osnabrücker Zeitung» am 15. Januar, die vor mehr als 200 Jahren Deutschland verließen und deren Nachkommen heute wieder hier leben. Die Ausstellung möchte Vorurteile insbesondere gegenüber Spätaussiedlern abbauen helfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen die Deutschen in Osteuropa „vor ganz eigenen Problemen“, erläuterte Sautmann. Deutsch zu sprechen sei ihnen vielfach verboten worden; die Kinder hätten es in der Schule nicht mehr lernen dürfen. Für die Spätaussiedler sei aber klar, dass die Beherrschung der deutschen Sprache ein Schlüssel für die Integration ist.
Noch nicht wirklich angekommen
Berlin – In Marzahn-Hellersdorf leben rund 20.000 Aussiedler. Der Bezirk gilt als Hochburg der Russlanddeutschen in Berlin. Die Plattenbauten haben in den vergangenen Jahren zwar mehr Farbe, mehr Licht und mehr Läden erhalten, berichtet die «Welt» am 15. Januar. Doch die schlichten Fassaden, die Eintönigkeit und die trostlose Weitläufigkeit der Gegend sei noch immer nicht vertrieben. „Aber was spielt sich ab hinter den Fassaden?“, fragt die Zeitung. Die hohe Konzentration der Aussiedler speziell im Norden Marzahns begünstige das Unter-sich-bleiben. Zum Überleben brauche man die Einheimischen kaum noch. Abwehrhaltung und Isolation nehmen zu und gerade junge Aussiedler haben oft das Gefühl, dass die Gesellschaft sie nicht will. So ziehen sie sich in ihre Cliquen zurück und nehmen zuweilen bei Alkohol und Drogen Zuflucht. „Viele sind noch nicht angekommen“, befürchtet Gabriele Fichtner von „Ball“, einem Verein zur „Betreuung arbeitsloser Leute und Lebenshilfe“ in Marzahn. Für Viktor Fromm, Projektleiter von „Aussiedler orientieren Aussiedler“ (AOA), ist die Arbeitslosigkeit das Hauptproblem bei der Integration. Hilfe bietet auch das Caritas-Migrantenzentrum, der Aussiedlerverein „Vision“, das Stadtteilzentrum „Kiek in“ und mehrere Karate- und Boxvereine für die Jugendlichen. Kiezkenner Alexander Reiser, selbst Russlanddeutscher, kritisiert, die Aussiedler hätten „kein Sprachrohr“, säßen bei Entscheidungen nicht mit am Tisch. Zudem würden einige Hilfseinrichtungen an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeiarbeiten.
Zwischen zwei Welten
Kierspe – 18.000 Einwohner hat die Kleinstadt Kierspe, und rund 4.000 von ihnen sind Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Was die Lage kompliziert macht und die Integration der Zugezogenen erschwert, ist der Umstand, dass ein Großteil der Russlanddeutschen strenggläubige Baptisten sind, berichtet die Berliner «Tageszeitung» (taz) am 18. Januar. Die starken Familienverbände, die rigorose Sexualethik und die wortgetreue Auslegung der Bibel führten zu Spannungen mit den Jugendlichen der eigenen Gemeinde. „Einige konsumierten in Gruppen Alkohol und wirkten bedrohlich“, sagt Bürgermeister Frank Emde. Vandalismus und Gewalt seien die Folge gewesen. Michael Wirth, Leiter des Bereichs Migration bei der Diakonie im Märkischen Kreis, zu dem Kierspe gehört, hält die Auffälligkeiten für eine Folge des Zusammenpralls der baptistischen Werte mit den Anforderungen des modernen Lebens. „Die Jugendlichen wissen nicht, wo sie sich zwischen ihren zwei Welten gerade befinden.“ Die Diakonie hat jetzt ein Projekt entwickelt, das mit 200.000 Euro vom Bundesinnenministerium finanziert wird und die Probleme auf Kierspes Straßen „endlich lösen soll“, so die taz. Wirth kritisiert zudem, dass es in Kierspe bislang kaum Versuche gegeben habe, den Dialog zwischen Zugewanderten und Einheimischen zu fördern. Deshalb richte sich das Integrationsprojekt auch an andere Gruppen von Jugendlichen in der Stadt.
Ausnahmefall
Bonn – „In jeder Hinsicht einen Ausnahmefall“ nennt die «Kölnische Rundschau» am 17. Januar die Vergewaltigung einer 20-jährigen Frau im Bonner Stadtteil Duisdorf. Sechs Männer im Alter zwischen 18 und 28 Jahren haben das Opfer über sechs Stunden lang brutal missbraucht, während ein siebter die Tat filmte und Regieanweisungen gab. Ein achter Mann stand die ganze Zeit „wie paralysiert“ dabei, schreibt die Zeitung. Am Ende lachten die Männer, wie auf dem Video zu sehen sein soll. Alle Beteiligten sind russlanddeutsche Spätaussiedler aus Bonn und Umgebung, die sich teils seit Jahren kennen. Jetzt stehen sie vor Gericht. Zwei haben Geständnisse abgelegt, einer bedauerte die Tat. Der 23-jährige, der die Vergewaltigung gefilmt haben soll, wies jede Schuld von sich. Er könne es gar nicht gewesen sein, beteuerte er, „weil ich von meinen Eltern viel zu gut erzogen bin“. Der Prozess wird fortgesetzt.