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Wo liegt Mantakistan?

Düstere Zukunft für die deutsche Minderheit in der Slowakei
Wo liegt Mantakistan? Blick auf Metzenseifen
Foto: Joseph Gepp

Eine Handvoll Aktiver ist übrig geblieben – die jungen Leute gehen längst andere Wege. Die deutsche Minderheit in der Slowakei schaut auf eine bewegte Geschichte und eine reiche Handwerkstradition zurück. Zum Beispiel Metzenseifen - in der Kleinstadt leben noch gut 500 Angehörige der so genannten Karpatendeutschen: „Wir sprechen hier Mantakisch, nicht Deutsch.“

Von Georg Christoph Heilingsetzer

Ein Ortsschild, die Landstraße überquert Schienen, auf denen seit langem kein Zug mehr fährt. Abgehauste Fabriken, vor sich hin rostende Industrie. Dann ein paar heruntergekommene Wohnblöcke und schließlich die Kirche, davor ein richtiger Platz. Das langgezogene Straßendorf beginnt, so wie im Schulbuch, wie im österreichischen Burgenland oder im Weinviertel, wo man durch eines nach dem anderen rollt, jedes noch lebloser als das letzte. Dieser, nur scheinbar ebenso langweilige Ort allerdings liegt viel weiter im Osten, im Hinterland von Europa, im Hinterhof unserer Vorstellung davon, am Rand der Slowakei.

Die Landstraße wird nun zur langen Dorfstraße, zur „Štóska“, die am frühen Abend bereits einen schläfrigen Eindruck macht. Es ist heute nicht gerade viel los in Medzev, auch wenn sich bei manchem Haus ein Vorhang wie von selbst zur Seite schiebt, hier und da jemand verstohlen, wohl neugierig hinter den Gardinen hervorspäht. Eine Bewohnerin öffnet sogar das Fenster, ruft von weitem, und es dauert eine Weile, bis sie sich damit abfindet, dass man ihre Sprache nicht versteht.

Dann, endlich, ein Krämerladen, ein Schild, „Mix Böhm“ steht drauf, jetzt geht es los, hoffentlich. Auffällig laut „Grüß Gott“ sagen, wie man es von klein auf lernt, dann wird das Eis schnell brechen, und die Verkäuferin, sicherlich Frau Böhm, sich freuen, als wäre man der Papst. Eine kleine Enttäuschung dräut, die Geschäftsfrau hat schlechterdings keine Lust, sich selbst auch noch nebst dem einmaligen Sortiment, der Mischung aus Lebensmitteln und Eisenwaren, als Deutsche nämlich zu verkaufen, und so endet der liebedienerische Versuch mit einem traurigen „Dovidenia“.

So schnell verrät hier nichts, dass dieser Ort weiland eine blühende deutsche Stadt im ehemaligen „Oberungarn“ war. Die hieß damals noch Metzenseifen und bestand aus den Ortsteilen Unter- und Obermetzenseifen sowie der kleinen Bergleutesiedlung Lucia, die alle später zu Medzev zusammengeschlossen wurden, seit 1999 aber wieder eigenständig verwaltet werden. Erstmals im Jahr 1359 urkundlich als villa mechenseuph erwähnt, war Metzenseifen am Oberlauf des Flüsschens Bodwa (Bodva), zwischen Stoß (Štós) und Jooß (Jasov) gelegen, das Zentrum eines florierenden Bergbaugebietes in der unteren Zips (Spiš).

Die Geschichte der Deutschen in der Slowakei währt nun knapp achthundert Jahre lang, besonders nach dem Mongolensturm von 1241 hatte der ungarische König Bela IV. seine Boten nach Deutschland ausgesandt, um bayerische, schwäbische, fränkische und flämische Siedler anzuwerben.

Und sie waren gekommen, um zu bleiben. Übrig geblieben sind nach den Weltkriegen und der Wende allerdings nicht viele: Der Anteil der Nachfahren dieser Kolonisten beträgt nach der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2001, bei der sich fünftausendvierhundertsechs Personen zur deutschen Nationalität bekannten, heute noch etwa ein Tausendstel.

Sie nennen sich selbst „Karpatendeutsche“, mit einem irreführenden Begriff, der vom damaligen Czernowitzer Universitätsprofessor Raimund Friedrich Kaindl (1866-1930) um die vorletzte Jahrhundertwende geprägt worden war, um die Deutschen in den österreichischen Kronländern des Karpatenraums zusammenzufassen.

Die Bezeichnung ist deshalb nicht ganz eindeutig, weil sie einerseits eine Homogenität der im Lauf der Zeit aus unterschiedlichen Gebieten Deutschlands, der Schweiz und der Habsburgermonarchie eingewanderten Leute suggeriert und andererseits heute der geologischen Definition der Karpaten, die in einem Bogen von der slowakischen Hauptstadt Bratislava bis nach Serbien reichen, zuwiderläuft.

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