Wiedersehen nach 60 Jahren
Lebensabend zwischen Sibirien und Thüringen
Elisabeth Waldhelm und Iwan Bywschich Foto: Aleksandra Godowikowa
Iwan Bywschich und Elisabeth Waldhelm sind das bekannteste Liebespaar Sibiriens. Zum Kriegsende hatten sie sich in Deutschland kennen gelernt - und fanden erst sechs Jahrzehnte später zusammen. Vor zwei Jahren heirateten sie und leben nun abwechselnd in der sibirischen Stadt Krasnojarsk und in Heyerode in Thüringen.
Krasnojarsk, im Juni 2009 - Begonnen hat die Liebesgeschichte zwischen Iwan und Elisabeth im Juni 1945. Iwan Bywschich, der in der Schule etwas Deutsch gelernt hatte, war Kommandeur der sowjetischen Truppen im thüringischen Dorf Heyerode. Eines Tages sollte er den Deutschen Günter Waldhelm überprüfen, der aus der Krieggefangenschaft zurückgekehrt war und sich noch nicht registriert hatte. Die Familie Waldhelm erschrak fürchterlich, als ein russischer Offizier ihr Haus betrat. Sie befürchteten das Schlimmste. Doch Iwan kontrollierte ruhig die Papiere des Deutschen. Sie waren in Ordnung.
Gleich bei seinem Besuch sah der russische Soldat auch Elisabeth. Sie war eine schöne, zierliche junge Frau. Damals 20 Jahre. „Es war Liebe auf dem ersten Blick“, sagt der heute 85-Jährige. Doch Beziehungen zwischen den sowjetischen Soldaten und deutschen Frauen waren in der Besatzungszone verboten. So war die Romanze von Iwan und Lisa nicht von langer Dauer.
1946 wurde Iwan Bywschich aus Deutschland abgezogen und lebte fortan in Sibirien. Zehn Jahre haben sich die beiden Verliebten noch geschrieben, bis ein hoher Funktionär der Kommunistischen Partei Iwan warnte: „Höre auf mit der Korrespondenz, sonst wartet auf dich das Straflager Magadan.“ Der Kontakt zwischen den beiden brach ab.
Im privaten Leben hatten Iwan und Lisa kein großes Glück. Iwan war zweimal verheiratet. Elisabeth, die den größten Teil ihres Lebens als Krankenschwester in Luxemburg gearbeitet hat, heiratete erst mit 40 Jahren und blieb kinderlos. Dass Iwan und Lisa überhaupt noch zusammenfanden, haben die Beiden zwei entschlossenen Frauen aus der Gesellschaft für Heimatkunde in Krasnojarsk zu verdanken. Iwan Bywschich hatte über seine einstige Jugendliebe ein Buch geschrieben.
Im Sommer in Krasnojarsk ...
|
... im Winter in Heyerode
|
Die beiden Damen vom Heimatverein waren derart angetan von der Liebesgeschichte, dass sie sich heimlich auf die Suche nach Elisabeth Waldhelm machten. Sie fanden die pensionierte Krankenschwester schließlich in Luxemburg. Eines Tages arrangierten die beiden sibirischen Frauen wieder still und leise ein Telefongespräch zwschen Iwan und Elisabeth. So fanden die beiden Verliebten nach 60 Jahren wieder zueinander. Im Jahr 2007 wurde geheiratet.
Ihr neues Leben genießen Iwan Byschich und Lisa Waldhelm. Vor kurzem waren sie zum Tag des Sieges bei der Militärparade in Moskau. Lisa feierte ihren 85. Geburtstag in der Stadt Jekaterinburg und auch in Nowosibirsk besuchten sie einige Sehenswürdigkeiten. „Wir reisen gerne“, sagt Lisa Waldhelm. Sie ist zufrieden mit ihren neuen Leben in Russland. Die betagte Frau ist immer noch schlank und elegant. Gleich, nachdem sie Iwan im Jahr 2005 wieder getroffen hatte, leitete sie die Scheidung von ihrem damaligen Ehemann ein, von dem sie schon 20 Jahre getrennt lebte.
„Natürlich hätte alles anders sein können, wenn Stalin nicht regiert hätte. Aber das ist unser Leben, das ist unsere Geschichte. Da kann man nichts machen“, erklärt Lisa heute. Für die Zukunft schmiedet sie noch einige Pläne. „Ich habe eine Wohnung in Thüringen. Es ist ein schöner Platz, ruhig und sauber. Es ist schön, dass Iwan und ich im Winter dort leben und im Sommer in Krasnojarsk“, sagt sie. Der sibirische Winter sei doch etwas streng. (Aleksandra Godowikowa/Wilhelm Siemers)