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Lesekultur wieder entdecken

Robert Burau verlegt russlanddeutsche Autoren
Lesekultur wieder entdecken Verleger aus Leidenschaft: Robert Burau
Foto: Nina Paulsen

Seit 19 Jahren ist Robert Burau in Lage bei Bielefeld zu Hause, wo er sich als Zahnarzt längst einen Namen gemacht hat. Die Medizin ist sein Beruf, seine Berufung: Bücher verlegen. Die Literatur der Russlanddeutschen verdiene ein besseres Los, meint er. Diese Überzeugung stand am Beginn seiner verlegerischen Tätigkeit und war ihm zugleich Motivation. Lesekultur fördern, die Literatur der Deutschen aus Russland bekannt machen, das sind seine Ziele. Bücher waren schon seine Leidenschaft, als er noch in Kasachstan zu Hause war.

Lage, 12. August 2007 – Mit einem Bankkredit startete er vor zehn Jahren seine Verlagsarbeit -  BMV Verlag Robert Burau. Damals sah man ihn oft auf Seminaren der Landsmannschaft, wo er Kontakte zu Musikern, Künstlern und Autoren knüpfte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Inzwischen hat der Verlag über 60 Titel russlanddeutscher Autoren herausgebracht: Belletristik, Sach-, Kinder- und Kunstbücher. Der häufigen Behauptung, die Russlanddeutschen hätten keine eigene Literatur, bringt er ein handfestes Argument entgegen: „Um zu urteilen, muss man lesen“.

Buraus Vorfahren, französische Protestanten, waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts vor religiöser Verfolgung nach Preußen geflohen und dort in Kontakt mit Mennoniten gekommen, deren Sprache – das Plattdeutsche – sie übernahmen. Der Ruf der Zarin Katharina der Großen brachte sie nach Russland. Die Wirren des Zweiten Weltkriegs hatten Buraus Eltern nach Oberschlesien verschlagen, wo ihr Sohn 1944 in Annaberg geboren wurde.

Als Zweijähriger wurde er gemeinsam mit den Eltern nach Russland deportiert. Im Ural, wo sie die ersten Jahre verbrachten, versuchten die Eltern, wenigstens die deutsche Muttersprache über die schwere Zeit zu retten. Robert war 14, als der Familie 1958 gestattet wurde, sich unweit der kasachischen Hauptstadt Alma-Ata anzusiedeln. Obwohl in seinem streng religiösen Elternhaus Bücher kaum zum Alltag gehörten, wurde er zum leidenschaftlichen Leser – besonders die Poesie hatte es ihm angetan. Nach dem Medizinstudium in den sechziger Jahren arbeitete er als Zahnarzt in Kasachstan und Kirgisien, bis er 1988 nach Deutschland ausreiste.

„Die Belange der russlanddeutschen Literatur haben mich auch in Deutschland immer schon stark bewegt. Nachdem ich Fuß gefasst hatte, wollte ich meinen schreibenden Landsleuten behilflich zu sein, in Deutschland veröffentlichen zu können“, sagte Burau einmal.

Viel Wert legt der Verleger auf die kreative Gestaltung seiner Bücher. Schließlich sei ein optisch ansprechendes Schriftwerk leichter an die Leser zu bringen: „Es ist wie beim Essen - ein Buch soll ein Festmahl für die Augen und die Seele sein“. Seine Tochter, Fotografin und Malerin, hilft ihm dabei. Oftmals haben auch die Autoren eigene Vorstellungen davon, wie der Umschlag oder die Gestaltung aussehen soll, berichtet Burau.

An Autoren mangelt es nicht, die Literaturszene der Deutschen aus Russland hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Dazu gehören Vertreter der älteren und mittleren Generation, die sich noch in der alten Heimat einen Namen gemacht haben und jetzt neue Wege gehen. Der Stolz des Verlegers sind die Bücher so bekannter Autoren wie Johann Warkentin, Viktor Heinz, Wendelin Mangold, Nora Pfeffer, Rosa Pflug, Nelly Wacker, Lia Frank und Lore Reimer.

„Aber auch junge Namen wie beispielsweise Lena Klassen, von der ich vorher nie gehört hatte, die aber mit ihren 33 Jahren schon mehrere Romane geschrieben hat, sind eine wahre Entdeckung“, meint Robert Burau. Zwar sei es immer ein Risiko, auf junge unbekannte Namen zu setzen, aber „jemand muss sie doch fördern, sonst würde man nie von diesen guten Lyrikern und Prosaikern erfahren“. Daher verlegt er auch Werke jüngerer Autoren gern, darunter neben Lena Klassen auch Johann Bär, Nadja Runde und Alexander Reiser.

Burau setzt darauf, dass seine Landsleute in Deutschland die Lesekultur neu entdecken. Der Verlust der Muttersprache in den Nachkriegsjahrzehnten in der Sowjetunion habe die Leserschaft wie auch die Autoren verarmen lassen. Noch ist die Sprachnot nicht überwunden, doch der Verleger ist zuversichtlich: „Die jungen Autoren, die sich dem Deutschen nicht verschließen, sind in einer günstigeren Lage.“ Burau verkauft seine Bücher hauptsächlich auf Autorenlesungen, Kulturveranstaltungen oder Büchermessen, vermarktet sie über Inserate in Zeitschriften und persönliche Kontakte. „Meistens sind die Autorenlesungen ein Erfolg, weil sich da echte Kenner der Literatur und leidenschaftliche Leser versammeln“. (Nina Paulsen)

 
Links zum Thema
- BMV Verlag Robert Burau

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