Konferenz: Der eigenen Sprache auf der Spur
Welche Rolle spielen Dialekte in der Jugendarbeit?
Deutschlehrerinnen aus Russland und anderen Ländern der GUS sind in St. Petersburg zu einer Konferenz zum Thema “Nationale Identität durch sprachliche Identität” zusammengekommen.
St. Petersburg, im Januar 2010 - Im zweiten Stock des Deutsch-Russischen Begegnungszentrums geht es fidel zu – Nadeschda Schischkina aus Astrachan führt Schwänke und Sprichwörter in deutschen Dialekten vor. Im Kurs “Deutsche Dialekte im Rahmen der Jugendspracharbeit” wird die Vielfalt und die Geschichte der Sprache im russlanddeutschen Kulturraum behandelt. Es wird viel gelacht – besonders als Schischkina ein deftiges bayrisches Hochzeitslied vorträgt.
Wie die Dialekte aus anderen deutschsprachigen Regionen kam auch das Bayrische nach Russland, als Katharina die Grosse in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann, die Ansiedlung Deutscher im Zarenreich im grossen Massstab zu fördern. Weit weg von der Heimat entwickelten sich die deutschen Dialekte auf ihre Weise weiter.
Durch Krieg, Repression und Auswanderung gingen viele russlanddeutsche
Traditionen verloren und werden erst heute wieder entdeckt. Zwar ist
Hochdeutsch heute in Russland dank deutscher Förderung und
ehrenamtlichem Engagement wieder sehr beliebt, aber die
russlanddeutsche Sprachkultur wurde wenig beachtet.
Sprachliche Identität hervorheben
“Wir
betreiben seit 15 Jahren Spracharbeit, aber die ethnokulturelle
Komponente wurde bisher vernachlässigt”, sagt Arina Nemkowa, Leiterin
des Petersburger Begegnungszentrums. Dialekte liessen sich kaum
bewahren, weil sie nur noch in wenigen russlanddeutschen Familien
gepflegt würden, gesteht sie ein. “Aber mit Hilfe von Spielen kann die
sprachliche Identität hervorgehoben werden.” Das Echo auf die
vielseitige Forumswoche mit Workshops, Diskussionsrunden und
Theateraufführungen ist durchweg positiv.
Aus ganz Russland, der
Ukraine, Kasachstan, Usbekistan und Kyrgyzstan waren die Teilnehmer
angereist – die Kosten wurden geteilt: Unterkunft und Verpflegung
übernahm das Petersburger Zentrum, die Reise bezahlten die Teilnehmer.
Als so genannte Multiplikatoren werden sie das hier vermittelte Wissen
bei Seminaren in ihrer Heimat weitergeben - mit eigens dazu
entwickelten Lehrmitteln.
Motivation
Besonders
gut gefiel Natalia Rubkowa aus Syktyvkar, dass sehr viel praktische
Dinge vermittelt wurden. “Ich habe verstanden, dass es in dieser Frage
keine richtigen Antworten gibt – wir können nur vermitteln, was die
Leute damit machen, ist ihre Sache.”
Auch Tatiana Jurina aus
Solikamsk bei Perm hat hier neue Impulse erhalten. “Zuvor fand ein
Kongress zum Thema der russlanddeutschen Sprachidentität in Moskau
statt – was man dort theoretisch behandelt hat, wird hier praktisch
umgesetzt und vertieft” schildert sie. Workshops als Unterrichtsform
gefallen ihr sehr: “Das Spiel ist sehr wichtig, weil die Kursbesucher
motiviert sind und aktiv daran teilnehmen.” (Text und Bilder: Eugen von Arb, St.
Petersburger Herold)