29. September bis 5. Oktober
Handwerk sucht MigrantenAugsburg – Bildungsexperte Markus Bottlang ist der Mann für Migranten in der Augsburger Handwerkskammer, schreibt die »
Wirtschaftswoche« am 3. Oktober. Er habe sich auf die Fahnen geschrieben, Einwanderer fit zu machen für den deutschen Arbeitsmarkt und seine Kollegen für das Thema zu sensibilisieren. „Hat der nichts Wichtigeres zu tun“, hätten anfangs skeptische Kollegen gefragt. Nein, bekräftigt die Zeitung. Denn ohne Migranten dürften er und seine Handwerker „bald ganz schön Probleme bekommen – in der Stadt wie im ganzen Land“. Rechne man die Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion hinzu, stamme ein Drittel der knapp 275.000 Augsburger Bürger aus zugewanderten Familien; bei Kindern und Jugendlichen sei es sogar fast jeder Zweite.
„Die Handwerkskammer hat begriffen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Migranten qualifizierte Mitarbeiter sind“, zitiert die »Wirtschaftswoche« den Augsburger Integrationsbeauftragten Robert Vogl. Um Migranten als Arbeitskräfte für das Handwerk zu gewinnen, würden Bottlang und seine Kollegen Anzeigen in russisch- und türkischsprachigen Zeitungen schalten und Festveranstaltungen der Migranten besuchen. Mittlerweile bildeten sich Augsburger Handwerker in interkulturellen Fragen weiter und nähmen in Seminaren die eigenen Vorurteile und Wertvorstellen unter die Lupe. Vogl: „Die kleinen Betriebe fangen an zu begreifen, dass ihre eigene interkulturelle Kompetenz gefragt sein wird, wenn sie gute Leute haben wollen.“
Ohne russlanddeutsche Wähler „wäre es noch schlimmer gekommen“Frankfurt am Main – Bei allem Jammer über das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl, heißt es in der »
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (FAS) am 5. Oktober: Ohne Arthur Bechert, den Diplom-Physiker aus Regensburg, „der als erster Russlanddeutscher auf der CSU-Liste für den Regierungsbezirk Oberpfalz antrat, wäre es wohl noch schlimmer gekommen“. Das meine Bechert jedenfalls selbst. Früher wären die rund 14.000 Regensburger Russlanddeutschen gar nicht wählen gegangen. Diesmal aber hätten sie geschlossen für ihn gestimmt. Nicht vergessen werden dürften auch die bayernweit 50.000 Menschen, die Bechert „unsere Leute“ nenne, schreibt die FAS. Ihm selbst, der auf Listenplatz neun stand, hat das aber wenig genutzt. Nicht einmal die bayerische Wirtschaftsministerin Emilia Müller, die auf Platz eins der Liste stand, hat es in den Landtag geschafft.
„Alles ist englisch“Hof – Jakob Fischer von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland hat eine Mission, berichtet die »
Frankenpost« am 4. Oktober: „Unsere Landsleute gehören zusammen.“ Der ehemalige Geschichtslehrer sei als Projektleiter der Wanderausstellung ‚Volks auf dem Weg. Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland‘ unermüdlich unterwegs. Die Ausstellung ist seit 1991 jedes Jahr in rund 60 Städten und 200 Schulen in Deutschland zu sehen. Mit Förderung des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Migration tourt Fischer, so die Zeitung, mit der Ausstellung durch die Schulen und bietet begleitenden Unterricht zum Thema Integration der Aussiedler an.
Bis zum 2. November ist die Schau im Dachgeschoss des Hofer Museums aufgebaut. Zum Auftakt findet in Hof auch die Interkulturelle Woche mit Akteuren aus der Kulturszene der örtlichen Aussiedler statt. Geboten werden Tanz- und Chorvorführungen. Vor allem über die Musik- und Gesangveranstaltungen sei Jakob Fischer begeistert, halte er doch die sangesfreudigen Aussiedler für die Garanten des deutschen Liedguts, das laut Zeitung „in der eigentlichen deutschen Kultur schon längst in Vergessenheit geraten“ sei. „Jetzt ist uns deutsch erlaubt“, so Fischer, „hier aber singt man keine deutschen Lieder. Alles ist englisch.“
NPD wirbt um RusslanddeutscheDüsseldorf – „Jetzt buhlt die NPD um die Russlanddeutschen“, betitelt das Online-Portal der Westdeutschen Allgemeinen, »
Der Westen«, am 2. Oktober einen Beitrag über den Versuch der rechtsextremen Partei, Einfluss auf die Spätaussiedler zu gewinnen. In einem Gespräch führt Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf, aus, dass die rund 2,5 Millionen „russischstämmigen Aussiedler“ in NPD-Kreisen als mögliches Wählerpotential gelten und deshalb „unter völkischen Gesichtspunkten instrumentalisiert“ werden sollen nach dem Motto: Lieber Volksdeutsche als kulturfremde Ausländer.
Geworben würden die Russlanddeutschen mit zweisprachig verfassten Aufrufen. Darin stelle sich die NPD als „einzige Partei“ dar, die den „Brüdern und Schwestern“ Beistand gegen „Sprachtest und weitere Schikanen“ Beistand leisten sowie gegen das „Verschweigen der Geschichte der Russlanddeutschen und die ewige antideutsche Politik“ kämpfen wolle. Häusler: „Hierbei wird in perfider Form versucht, das geschichtliche Leid der Russlanddeutschen unter dem Stalinismus für ihre rassistische Politik zu instrumentalisieren“.
„Ein Gewinn für Brandenburg“Potsdam – Die Zahl der in Brandenburg lebenden Migranten wächst ständig, berichtet das »
Neue Deutschland« am 2. Oktober. Nach Angaben der Integrationsbeauftragten des Bundeslandes, Karin Weiss, sind es mittlerweile 132.000 und damit sechs Prozent der Brandenburger. Je jünger das Alter der Migranten, desto höher ihr Bevölkerungsanteil. Angesichts der insgesamt rückläufigen Einwohnerzahl sei das eine äußerst positive Entwicklung, „ein Gewinn für Brandenburg“. Als auffällig bezeichnete Weiss, dass Kinder von Migranten durchweg gute Leistungen in der Schule zeigten. Im Jahr 2007 kamen über tausend Zuwanderer ins Land, davon nur 220 Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Mitarbeiter für Theaterprojekt zu Friedland gesuchtBerlin – Das Deutsche Theater in Göttingen befasst sich in einem Projekt mit der Geschichte des nahe gelegenen Grenzdurchgangslagers Friedland. „Es ist sehr zu begrüßen, dass mit diesem Stück ein wichtiger Aspekt deutscher Nachkriegsgeschichte aufgearbeitet wird“, äußerte Jochen-Konrad Fromme, Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 30. September im »
Presseportal« seiner Fraktion. Aus zeitgenössischen Berichten und Erzählungen entwickelten die Regisseurin Julia Roesler und die Dramaturgin Silke Merzhäuser ein Doku-Theaterstück, das am 20. Mai kommenden Jahres Premiere feiern soll. Derzeit würden Menschen gesucht, die als Bewohner oder Beschäftigte in Friedland gelebt hätten und bei dem Projekt mitarbeiten wollten.
Parallelwelt AussiedlersiedlungFrankfurt am Main – Mit dem literarischen Debüt ‚Scherbenpark‘ der deutsch-russischen Nachwuchs-Autorin Alina Bronsky befasst sich eine Rezension in der »
Frankfurter Allgemeinen Zeitung« am 2. Oktober. In dem Buch sei die Sprache kaum mehr als Transportmittel der Handlung: einfachster Satzbau, jede zweite Zeile direkte Rede, wobei sich die Autorin nicht einmal die Mühe mache, das Wörtchen „sagt“ zu variieren. „Diese Geschichte lebt vom Plot allein, aber, muss man sagen, sie lebt nicht schlecht“, heißt es in der Besprechung. Es geht in der Geschichte um die siebzehnjährige, aus Russland stammende, aber in einem deutschen Aussiedler-Hochhausgetto aufgewachsene Sascha Naimann, deren Stiefvater im Gefängnis sitzt, weil er ihre Mutter und deren neuen Lebensgefährten vor Saschas Augen erschossen hat. „Saschas Entwicklung wird trotz der einfachen Sprache so glaubhaft und psychologisch anvanciert vergegenwärtigt wie nur denkbar und ist zugleich ein schonungsloses und gewitztes Porträt jener Parallelwelt Aussiedlersiedlung, von der bislang viel zu wenig zu lesen war.“
Eine Affäre vor 42 JahrenHamburg – Das Ende der Erina D. (69) war grauenvoll: Am 24. Mai fanden Polizisten die Aussiedlerin aus Kasachstan in ihrer Wohnung in Billstedt auf ihrem Sofa liegend, ein Küchenmesser im Hals, heißt es in der »
Hamburger Morgenpost« am 1. Oktober. Ihr Ehemann Alexander, ebenfalls Russlanddeutscher, soll sie getötet haben. Der 72-Jährige sei zur Tatzeit stark betrunken gewesen und gebe an, sich nicht an die Bluttat erinnern zu können. Die Zeitung berichtet, offenbar sei es zum wiederholten Male um eine Affäre gegangen, die Erina angeblich 1966 in Kasachstan mit einem Nachbarn gehabt habe. Das Verhältnis soll elf Jahre gedauert haben und von einer neuen Affäre abgelöst worden sein. „Wenn wir uns stritten, kam das alles immer wieder hoch“, zitiert das Blatt den Ehemann. Seit das Paar 1995 nach Deutschland kam, fiel Alexander D. häufiger durch Gewalttätigkeit auf. Das Gerichtsverfahren, in dem er nun wegen heimtückischen Mordes angeklagt ist, wird fortgesetzt.
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