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8. bis 14. September
Doppelte Identität akzeptieren

Berlin -  Das Gespenst des Kalten Krieges geht wieder um. Seit Ausbruch der Krise im Kaukasus werden aus Pauschalurteilen über die russische Politik rasch Pauschalverurteilungen gegen Russland und Russen insgesamt, schreibt die Aussiedlerbeauftragte der CDU Berlin-Lichtenberg im »Tagesspiegel« vom 9. September. Deutschland sei von dieser Abkühlung in seinem Inneren betroffen: Nirgendwo sonst im „alten Europa“ lebten so viele Menschen mit russischem Hintergrund. Seit 1990 seien rund drei Millionen Spätaussiedler nach Deutschland gekommen.

Allein in Berlin würden circa 120.000 russischsprachige Migranten leben. Was also tun?, fragt die Autorin und fordert: Schluss mit der Pikiertheit nach dem Motto „Ihr sei nicht so, wie wir uns euch vorgestellt haben“. Stattdessen sollten die Aussiedler gerade in ihrer doppelten Identität – der deutschen und der russischen – angenommen und ihnen eine wesentliche Rolle in unserer Gesellschaft zugedacht werden. Die russlanddeutschen Mitbürger seien in beiden Kulturkreisen zu Hause. „Wir sollten dafür sorgen, dass sie sich als solche identifizieren und wohl fühlen.“


Deutschland verschleudert Ressourcen

Berlin – Die Bundesregierung will hoch qualifizierte Migranten nach Deutschland locken. Doch dürfen viele Akademiker, die eingewandert sind, hier nicht arbeiten. Ihr Abschluss wird nicht anerkannt, schreibt »Die Tageszeitung« am 13. September. „Hoch qualifizierte Spätaussiedler, Flüchtlinge und Einwanderer, die über den Familiennachzug kommen, geraten durch die Greencard-Debatte aus dem Blick“, sagte Oliver Schmidtke, Politikprofessor im kanadischen Victoria, in der Evangelischen Akademie Loccum, wo dieser Tage die ersten Ergebnisse der internationalen Studiengruppe ‚Kulturelles Kapital in der Migration‘ vorgestellt wurden. Neben Schmidtke waren Wissenschaftler aus Duisburg, Hamburg und Siegen beteiligt.

Sie haben in den vergangenen drei Jahren die Bedingungen des Übergangs hoch qualifizierter Migranten in den Arbeitsmarkt untersucht. Wichtigstes Ergebnis: Deutschland verschleudert Ressourcen, weil das Potential der Migranten, die bereits hier leben, ungenutzt bleibt, berichtet die Tageszeitung. Ein großes Problem sei falsche oder nicht ausreichende Beratung der Zuwanderer. Kritisiert wurden auch die Arbeitsagenturen. Deren Computerprogramm sehe ausländische Bildungsabschlüsse überhaupt nicht vor.


Vom Tierarzt zum Altenpfleger

Fulda – Viele Semester Studium und lange Jahre Berufspraxis waren mit einem Mal nichts mehr wert, als Anton Wirt vor vier Jahren aus Kasachstan nach Fulda kam. In seinem Beruf als Tierarzt gab es keinen Job, berichtet die »Fuldaer Zeitung« am 10. September. Die Überlegung, als Tierpfleger tätig zu sein, gab Wirt auf Anraten der Mitarbeiter vom Amt für Arbeit und Soziales bald wieder auf, zitiert die Zeitung den Fachbereichsleiter beim Amt für Arbeit und Soziales, Jürgen Stock. Anton Wirt, der auf eigene Initiative bereits einen Pflegehelferkurs bei den Maltesern absolviert hatte, habe von Stock und dessen Mitarbeitern den Rat bekommen, sich in Richtung Pflege zu orientieren. Zunächst habe Wirt im Pflegestift Mediana eine Teilzeitstelle gehabt; seit einiger Zeit gehöre er aber zu den Vollzeit-Mitarbeitern. „Ich habe meinen Beruf gefunden“, sagt der Russlanddeutsche heute. Jeder Tag sei erfüllend, so der Vater zweier erwachsener Kinder. Nach Ansicht von Stock und von Mediana-Leiter Jens Czapek umfasst die Gruppe der älteren Arbeitslosen viele Menschen, die in der Pflege mit gutem Erfolg zum Einsatz kommen könnten.


Deutsch-russischer Freundeskreis in Wünsdorf

Wünsdorf – Das hätte Elke Seidel (44) aus Sperenberg nicht gedacht. Ihr Aufruf zur Gründung eines deutsch-russischen Freundeskreises im brandenburgischen Wünsdorf hatte Erfolg. Drei Einheimische und fünf Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion hoben den Kreis im Teestübchen der Bücherstadt aus der Taufe, berichtet die »Märkische Allgemeine« am 9. September. Einige von ihnen leben schon seit neun, zehn oder sogar elf Jahren in Deutschland, sprächen mehr oder weniger gut deutsch. Svetlana Muth zum Beispiel, die sich gerade mit einem privaten Pflegedienst selbständig gemacht hat, hofft, „dass der Freundeskreis den Aussiedlern bei der Integration hilft“. Und Thomas Großmann möchte gern mehr über Lebensweise und Kultur der ehemaligen Heimat der Aussiedler erfahren. Der Freundeskreis wird sich künftig alle 14 Tage treffen, heißt es in dem Zeitungsbeitrag.


„Gottes Wort nur auf Deutsch“

Neustadt – „Es war eine schwere Zeit am Anfang“ – so haben die Frauen aus Kasachstan und Russland ihre Erzählungen begonnen, heißt es in der »Mittelbayerischen Zeitung« am 11. September über einen Gesprächsabend des Frauenkreises Neustadt, zu dem Aussiedlerinnen eingeladen waren. Im Gemeinderaum der Christuskirche hätten die Gäste von ihrer Auswanderung, vom Start und dem Leben in Deutschland berichtet. Die Umsiedlung sei für viele Familien ein harter Schnitt gewesen. In der Heimat hatten sie ein Haus und eine Arbeit. Eine von ihnen, Lilli Reis, war früher Bergbauingenieurin. Jetzt arbeite sie im Altenheim. Vor allem die Sprache sei ein großes Thema im Gemeinderaum gewesen, berichtet die Zeitung weiter. Viele Mitglieder des Frauenkreises hätten nicht gewusst, dass in deutschen Familien in Kasachstan und Russland auch Deutsch gesprochen wurde. Das ‚Vater Unser‘ auf Russisch zu beten, sei undenkbar gewesen, erläuterte Olga Steinhauer. „Gottes Wort können wir nur auf Deutsch.“


Heimliches Wunder

Kaliningrad – Propst Heye Osterwald packt seine Koffer. Zwölf Jahre lang hat der 49-Jährige im Oblast Kaliningrad gepredigt, erst in Gusow (Gumbinnen), zuletzt in der Halbmillionenstadt Kaliningrad (Königsberg), berichtet »Die Welt« am 10. September. Im ehemaligen Ostpreußen habe er das kirchliche Leben von Grund auf neu mit aufgebaut. Nun kehrt er nach Deutschland zurück. Von den einstmals 36 evangelischen Gotteshäusern in dieser Region gehöre der Kirche heute kein einziges mehr. Unter sowjetischer Herrschaft waren sie in Schuppen, Lagerräume und Kinos umgewandelt worden. Erst mit der politischen Wende konnte auch die Evangelische Kirche wieder offiziell in Erscheinung treten. Inzwischen sei in der Stadt Kaliningrad für zweieinhalb Millionen Euro eine neue Kirche aus leuchtend roten Ziegeln entstanden.

Das gehöre zu einem der vielen heimlichen Wunder in den einstigen Ostgebieten Deutschlands, fährt die Zeitung fort: Obwohl die deutschen Einwohner weg sind, gebe es wieder eine evangelische Gemeinde mit Taufen, Konfirmationsunterricht, Trauungen und Beerdigungen, mit Chor und Jugendgruppen. Die Kirchenglocke kam aus Krefeld, die Orgel von der Nordseeinsel Amrum. 100 bis 150 Besucher füllten sonntags das Kirchenschiff, darunter viele Russlanddeutsche – nach Schätzungen sind 10.000 in die Stadt zugewandert -, aber auch Touristen. Im gesamten Oblast seien wieder 44 Gemeinden mit 2.500 evangelischen Christen aktiv.


„Multifunktionssinggemeinschaft“

Luckenwalde – Die Chorlandschaft im Landkreis Teltow-Fläming ist reich. Einer dieser besonderen Chöre ist der Raduga-Chor aus Altes Lager, heißt es am 13. September in einem Kommentar der »Märkischen Allgemeinen« zum zehnjährigen Bestehen dieses Singkreises. „In gewisser Weise könnte man diese Gruppe als Multifunktionssinggemeinschaft bezeichnen.“ Ihre Mitglieder seien „so genannte Russlanddeutsche“, die sich über den Gesang der eigenen Identität versichern könnten und in der fremden Heimat einen Fixpunkt haben, der es erleichtere, sich Neuem zu öffnen.
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