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Neue Konzepte, alte Widersprüche

Der mühsame Weg zu einer Politik der Vielfalt - Teil 2
Neue Konzepte, alte Widersprüche Foto: Ulistx/Fotolia

Derzeit haben sich die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Brandenburg explizit für die kultursensible Wertschätzung von Menschen unterschiedlicher Herkunft ausgesprochen. In zahlreichen Kommunen wurden zudem Pläne ausgearbeitet, um das Intercultural Mainstreaming als Querschnittsaufgabe in den Verwaltungen zu etablieren. Unterschiedlich gehandhabt wird noch die Definition von Migrantinnen bzw. Migranten. Eine vergleichsweise fortgeschrittene Position nimmt das Integrationskonzept von Schleswig-Holstein ein, das alle Personen mit Migrationshintergrund einschließt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Rechtsstatus, ihrer Aufenthaltsdauer und ihrem Geburtsort.2  Insgesamt betrachtet kommen Flüchtlinge und Asylsuchende jedoch kaum in den Integrationspapieren von Ländern und Kommunen vor. Die umfassenden Integrationsversprechen werden meistens (so auch in Schleswig-Holstein) wieder eingeschränkt, wenn es um den Zugang von nicht bleibeberechtigten Flüchtlingen zu Integrationsangeboten geht.

Kritiker haben gegen das Intercultural Mainstreaming eingewandt, dass die Gefahr bestünde, Menschen mit Migrationshintergrund in kultureller, ethnischer, nationaler oder religiöser Hinsicht "festzulegen", so dass sie nicht mehr als Individuen, sondern nur noch als Mitglieder einer bestimmten, vermeintlich homogenen Bevölkerungsgruppe wahrgenommen würden. Zudem sei die Kultur eines Herkunftslandes in den seltensten Fällen ein einheitliches, starres Gebilde, das sich auf bestimmte Eigenschaften eingrenzen lasse; insofern könnte das Intercultural Mainstreaming dazu beitragen, dass bestehende Vorurteile gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten weiter vertieft würden. Die Befürworter haben darauf entgegnet, dass die mangelnde Berücksichtigung von Menschen mit Migrationshintergrund in den bundesdeutschen Institutionen eine Tatsache sei, die sich nur durch gezielte und regelmäßig zu evaluierende Prozesse verändern lasse.

Das Intercultural Mainstreaming biete einen Erfolg versprechenden Ansatz, um systematisch die Interessen und Anliegen aller hier lebenden Menschen an politischen und anderen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Eine Kompromissmöglichkeit zwischen diesen Positionen zeichnet sich ab, wenn man weder die kulturelle Prägung jedes Einzelnen vernachlässigt noch sie im Sinne eines starren Konzepts von kultureller Differenz verabsolutiert, sondern die Realitäten kultureller Mischungen und Brüche in den Lebensverhältnissen der Menschen zur Grundlage gesellschaftlichen und politischen Handelns macht. Der Soziologe Albert Scherr weist zudem darauf hin, dass "die sozialwissenschaftliche Diskussion es keineswegs nahe legt, Integrationsprozesse und Desintegrationsdynamiken exklusiv im Zusammenhang mit Migration zu thematisieren, sondern als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das auch Deutsche ohne Migrationshintergrund betrifft."3

Foto: Hofeschlaeger/Pixelio
Diversity Management

Der Diversity-Ansatz stammt aus der Zeit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und wurde in Großunternehmen im englischsprachigen Raum weiterentwickelt. Dabei ging es zunächst um die Integration von Frauen oder von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt. Später wurden auch Menschen mit Migrationshintergrund in dieses Unternehmensführungskonzept einbezogen. Viele Betriebswirtschaftler sind der Ansicht, dass die gezielte Förderung von Heterogenität einen ökonomischen Vorteil nach sich ziehe, weil die Vermeidung von Diskriminierung und die aktive Verbesserung der Chancengerechtigkeit zu einer produktiven Gesamtatmosphäre in den Betrieben beitrage. Diversity Management toleriere nicht nur die individuelle Verschiedenheit der Mitarbeiter, sondern hebe diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor. Vor allem international tätige Konzerne wie Deutsche Bank, Ford oder Lufthansa haben in den letzten Jahren verschiedene Diversity-Management-Programme aufgelegt.

 

Wie beim Intercultural Mainstreaming geht es beim Diversity Management um einen Perspektivenwechsel: weg von einer defizitorientierten Minderheitenpolitik, hin zu einer ressourcenorientierten Wertschätzung von gesellschaftlicher Vielfalt. Weitere Übereinstimmungen betreffen die Berücksichtigung verschiedener "Differenzlinien" (wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Generation, körperliche und mentale Verfasstheit, Klassen- bzw. Milieuzugehörigkeit, Herkunft, Sprache, Kultur, Religion, Lebensstil etc.), die Einbeziehung aller Abteilungen einer Institution (Stichwort "Querschnittsaufgabe"), die Vorbildfunktion der Führungsebene für die Etablierung der Diversity-Management-Strategie, die Definition von Zielvereinbarungen und deren kontinuierliche Überprüfung sowie die Gewährung von Chancengerechtigkeit in allen Personalangelegenheiten (Einstellung, Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen, beruflicher Aufstieg, Entlassung).


Foto: Hofschlaeger/Pixelio

Kritiker wenden gegen das Diversity Management ein, dass es sich dabei um ein neoliberales Managementkonzept handele, das Chancengerechtigkeit für alle Mitarbeiter herzustellen vorgebe, Vielfalt jedoch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung betrachte. Ähnlich wie bei den Themen "Umweltverträglichkeit" oder "Nachhaltigkeit" gehe es vielmehr darum, im Rahmen von Imagekampagnen ein positiv besetztes Menschenbild zu pflegen, um in der Öffentlichkeit als weltoffenes und zukunftsorientiertes Unternehmen wahrgenommen zu werden. Auf diese Weise werde die Wertschätzung von Toleranz, kultureller Vielfalt und Weltkultur auf marktgängige Medienformate reduziert.

Dagegen erklären Befürworter des Diversity Managements, dass Wirtschaftsunternehmen, die sich dieser Thematik annähmen, "einen wichtigen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion um kulturelle Vielfalt" leisten und einen Rückfall von politischen Entscheidungsträgern in "monokulturelle Zeiten" verhindern würden.4  Zudem gebe es immer mehr gemeinnützige Organisationen, die Diversity Management erfolgreich praktizieren würden.5  So habe man bei Projekten wie Equal oder Xenos Einzelfördermaßnahmen durch solche ersetzt, die ganz bewusst die komplexen Zusammenhänge von mehrfacher Diskriminierung auf Grund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft oder Alter thematisierten.

Fortsetzung Teil 3


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Das Kulturmagazin "nah & fern" berichtet über Migration, Partizipation und benachbarte Themen in Politik, Arbeitswelt, Gesellschaft und Kultur. Zentral ist dabei die Frage, ob und inwiefern Migrantinnen und Migranten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben in Deutschland und anderen Ländern teilhaben können.

Die erste Ausgabe von "nah & fern" erschien noch in der "alten" DDR im Sommer 1989 zum Kirchentag in Leipzig. Zunächst herausgegeben vom Ökumenisch-Missionarischen Zentrum Berlin-Ost, beteiligte sich ab der zweiten Ausgabe das Evangelisch-Lutherische Missionswerk Leipzig (LMW) an der Herausgabe der Zeitschrift. Seit November 2005 erscheint die die Zeitschrift im von Loeper Literaturverlag.

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