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Tomsk, im Juni 2008 – In der Straße der Rotarmisten in Tomsk gibt es noch wunderschöne Holzhäuser. Sie sind der Stolz der Stadt. Das Haus mit der Nummer 71 hebt sich durch sein leuchtendes Blau und die reich mit Schnitzereien verzierte Fassade noch von den anderen ab. Dieses Kleinod, ein Baudenkmal von überregionaler Bedeutung, war einst die Vorortvilla des Kaufmanns Golowanow, zu Sowjetzeiten Haus des Kindes und später medizinische Fachschule. Heute beherbergt es das Russisch-Deutsche Haus des Verwaltungsgebietes Tomsk.
1993 wurde den Deutschen von Tomsk dieses einzigartige Baudenkmal übergeben. Aber erst 1996 konnte man einziehen: Drei Jahre hatten die Restaurierungsarbeiten gedauert. Die Baukosten wurden hauptsächlich von der Bundesregierung getragen. Das Russisch-Deutsche Haus ist eine staatliche Einrichtung, die auf Initiative der „Wiedergeburt“-Gesellschaft und dank des persönlichen Einsatzes des kürzlich verstorbenen ehemaligen Duma-Abgeordneten Wladimir Bauer entstanden ist.
Das Haus ist heute ein Ort für Freundschaftstreffen und zugleich auch Methodikzentrum für alle, die sich mit der Problematik der Russlanddeutschen befassen. Ein Höhepunkt in der Geschichte des Hauses war sicher die Stippvisite von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen der deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Jahr 2006.
„Unser Hauptanliegen ist es, unsere Sprache und Kultur zu erhalten und die Beziehungen zu Russlanddeutschen in anderen Regionen bzw. zu Deutschland zu pflegen“, sagt Viktor Adam, der das Haus seit 1998 leitet. „Natürlich sind wir stolz darauf, dass unsere Einrichtung das erste Russisch-Deutsche Haus in ganz Sibirien war und die Nachbarregionen dazu inspirierte, unserem Beispiel zu folgen. Wir arbeiten mit verschiedenen Kultur- und Bildungseinrichtungen, mit Universitäten, mit der Entwicklungsgesellschaft Nowosibirsk, dem Goethe-Institut und dem Deutschen Generalkonsulat in Nowosibirsk zusammen.“
Der letzten Volkszählung zufolge leben 13.440 Angehörige deutscher Nationalität hier im Verwaltungsgebiet, aber Viktor Adam glaubt, dass die Zahl viel höher ist. Warum?
„Weil nach wie vor der Zustrom von Flüchtlingen aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken wie Kasachstan oder Usbekistan anhält. Für sie ist unser Haus oft die erste Adresse, weil sie wissen, dass ihnen hier geholfen wird.“ […]
Im Russisch-Deutschen Haus werden derzeit in 29 Gruppen Deutschkurse für Kinder und Erwachsene abgehalten. Es gibt 22 Klubs, etwa für Landeskunde, angewandte Kunst, Geschichte der Russlanddeutschen und deutsche Trachten sowie mehrere Tanz- und Gesangsgruppen, die schon zahlreiche Preise bei Wettbewerben und Festivals erringen konnten. […]
Gesang, Tanz und Spiel sorgen hier immer für eine fröhliche Stimmung; sei es zu Ostern, Weihnachten, zum Oktoberfest oder beim Fasching. Für Kinder und Jugendliche werden jedes Jahr Sprachlager organisiert, seit 2004 auch als internationale Lager, die zu den besten in ganz Sibirien gehören.
Seit 2004 ist das Russisch-Deutsche Haus in Tomsk ein so genannter Knotenpunkt, eine Koordinationsstelle für 34 russlanddeutsche Organisationen in den Verwaltungsgebieten Tomsk und Kemerowo. Hier wurden bislang Seminare für 742 Personen abgehalten. Lokale Seminare werden übrigens ohne finanzielle Unterstützung aus Deutschland veranstaltet, was in anderen Regionen bislang noch nicht selbstverständlich ist.
Der Schwerpunkt der aktuellen Projekte liegt bei der sozialen Betreuung von Kindern und Jugendlichen, sozial Schwachen und alten Leuten. Man will den Menschen gezielt helfen. Mehr als 50 Prozent der ehemaligen Trudarmisten und von der Repression betroffenen Russlanddeutschen sind heute Invaliden und Rentner, die medizinische und andere Hilfe benötigen. Dazu wurde im Haus eine eigene Abteilung eingerichtet, in der beispielsweise Ferien- und Kuraufenthalte für Bedürftige organisiert werden. Auch mit Brillen und Hörgeräten, aber auch mit Lebensmitteln und Heizmaterial wird geholfen.
Quelle: Марина Скрябина: «Первый в Сибирии»,
Marina Skrjabina: „Pervyj v Sibirii“,
Moskovskaja Nemeckaja Gazeta Nr. 8/2008, S. V (Beilage);
Übersetzung: Norbert Krallemann
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