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Kemerowo, 17. November 2007 - Der sibirische Winter – meterhohe Schneehaufen und klirrende Kälte. Hier beginnt meine Geschichte. Ich wurde im Februar 1985 in Kemerowo geboren. Doch schon nach zwei Jahren zogen meine Eltern mit mir nach Kamischyn in die Nähe von Wolgograd, so dass ich den echten sibirischen Winter eigentlich nur aus Erzählungen kenne. Während in Sibirien im Winter Temperaturen von minus 40 Grad Celsius an der Tagesordnung sind, ist eine solche Kälte in Deutschland unvorstellbar. Nun wohne ich nämlich in Deutschland, denn in Kamischyn wollten wir auch nicht lange bleiben.
Unsere gro?e Reise begann im März 1996. Nach zwei Zwischenstopps in verschiedenen Wohnheimen für Aussiedler kamen meine Familie und ich in das kleine Dorf Reinsberg in Sachsen. Es war so klein, dass es nur einen kleinen Lebensmittelladen hatte, den es seit einiger Zeit auch nicht mehr gibt. Dort lebten wir mit der ganzen Familie in einem Zimmer des Aussiedlerwohnheimes, mit dem wenigen Hab und Gut, das in die Reisetaschen gepasst hatte und den gebrauchten, uns zur Verfügung gestellten, Möbeln. So dienten uns zum Beispiel die Verpackungen der ‚5-Minuten-Terrine’ anfangs als Tassen.
Es waren also keine besonders rosigen Aussichten für unser neues Leben. Die Natur war jedoch atemberaubend. Mit der Zeit ging es aufwärts. Meine Eltern besuchten eine deutsche Sprachschule. Ich kam in die Grundschule und besuchte zusätzlich eine Sonderklasse für Aussiedler, so dass wir uns schon bald mit den einheimischen Deutschen verständigen konnten.
Auch wenn es anfangs Probleme mit der ausländerfeindlichen Haltung einiger Deutscher gab, habe ich mich in dem neuen Land sehr gut eingelebt. Meine Eltern wohnen nun nicht mehr in einem kleinen Zimmer, sondern in einer Wohnung. Ich habe das Abitur gemacht und studiere in Dresden Russistik und Polonistik. Im Rahmen meines Studiums entschied ich mich, meine Geburtsstadt zu sehen und nun bin ich in Kemerowo und staune immer wieder, wie Russland sich entwickelt hat und wie viele Gemeinsamkeiten es mit Deutschland hat, angefangen von der Mode bis zur Dekoration der Städte mit Blumen.
Nur Ausländer gibt es in Russland weniger. Während einem in Deutschland ständig polnische, afrikanische und argentinische Studenten über den Weg laufen, ein Chinese frisches Obst verkauft, die Türken alle Leute mit Dönern versorgen und die Russen zusammen mit den Deutschen an warmen Sommertagen im Biergarten sitzen und mit dem deutschen Nationalgetränk ihren Durst löschen, sticht ein Ausländer in Russland hervor. Für mich hat sich mit der Reise nach Sibirien ein Traum erfüllt. In einigen Wochen fliege ich wieder nach Deutschland, aber es war sicherlich nicht der letzte Aufenthalt in Russland und Sibirien. (Olga Felde)