Sie sind hier: Startseite ›› Wochenrückblick ›› 2006
Integrationskurse werden ausgeweitet
München – Die Integrationskurse sollen von derzeit 630 auf etwa 900 Stunden erweitert werden. Darauf haben sich Politiker der SPD und der Unionsparteien in einer Arbeitsgruppe zur Reform des Zuwanderungsgesetzes geeinigt, berichtet die «Süddeutsche Zeitung» am 8. August. Das Blatt zitiert Reinhard Grindel, den zuständigen Berichterstatter der Union, mit dem Hinweis, der bisherige Unterricht habe gezeigt, dass das angestrebte Sprachniveau von zu wenigen Zuwanderern erreicht werde. Da eine generelle Ausweitung der Integrationskurse voraussichtlich nicht finanzierbar sei, solle die Kursdauer zumindest für Jugendliche und Frauen verlängert werden. Seit Beginn der Kurse Anfang 2005 haben knapp 170.000 Menschen daran teilgenommen, die meisten von ihnen stammten aus der Türkei und aus Russland.
Neuer djo-Landesverband
Leipzig – Die Organisation „djo-Deutsche Jugend in Europa“ hat jetzt auch in Sachsen einen Landesverband gegründet. Er ist in dem ostdeutschen Bundesland der einzige landesweit aktive Jugendverband, „der sich die Migrationsarbeit auf die Fahnen geschrieben hat“, heißt es im «Deutschen Verbände Forum» am 11. August. Mit dem neuen djo-Landesverband „haben wir deshalb eine schwierige Vorreiterrolle“, sagte die sächsische Vorsitzende Eugenia Dolgomer. Sie wollen für Toleranz und Verständnis zwischen Einheimischen und Migranten werben, aber auch deutlich machen, dass viele der jugendlichen Zuwanderer Potentiale mit nach Deutschland bringen, die bisher nur unzureichend genutzt würden. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Landesverbandes Sachsen seien neben der Unterstützung von Selbstorganisationen jugendlicher Russlanddeutscher und anderen Zuwanderern die Schulung von Multiplikatoren, die Organisation von Jugendbegegnungen, Fortbildungen für Fachkräfte sowie die Veranstaltung von Bildungsseminaren, Konferenzen und Ausstellungen.
„Hier wird kein richtiges Deutsche mehr gesprochen“
Braunschweig – Die Hucks sind eine große Familie. Ursprünglich lebten sie in einem Dorf bei Saratow an der Wolga, das ein Vorfahr einst gegründet hatte und deshalb auch so heißt: Huck. Heute leben viele von ihnen in Deutschland, nachdem es sie durch Deportation und Zwangsarbeit in teils abgelegene Gegenden der Sowjetunion verschlagen hatte. Die 79-jährige Katharina Huck zum Beispiel kam 1995 mit ihrem Großneffen Andreas Pfeifer (24) aus Kasachstan nach Braunschweig, wo bereits 127 Verwandte wohnen. „Es gibt keine Geburtstagsfeier unter 60, 70 Gästen“, schreibt die «Braunschweiger Zeitung» am 8. August. Eine Diskussion, ob man aussiedeln solle, hat es in der Familie nie gegeben. Es war selbstverständlich, „in die neue und zugleich alte Heimat“ zu gehen. Die kinderlose Katharina Huck ist heute die Großmutter für die vielen Neffen und Nichten, Großneffen und Urgroßnichten. Andreas hat eine Stelle als Industriemechaniker und bildet sich nebenher zum Techniker weiter. Mit ihm und anderen jüngeren Familienmitgliedern streitet Katharina Huck schon mal über den korrekten Sprachgebrauch. „Hier wird überhaupt kein richtiges Deutsch mehr gesprochen“, klagt die 80-Jährige dann oft.
Ansprechpartner für alle Schüler
Landau/Dingelfing – 16 Jahre lang war Martin Wieselsberger Hausmeister an verschiedenen Schulen, 13 davon allein an der Hans-Glas-Berufsschule im Landkreis Dingolfing-Landau, berichtet die «Landauer Neue Presse» am 8. August. Dieser Tage ist der 60-Jährige, der sich Anfang des Jahres in den Ruhestand verabschiedet hat, für seine Arbeit von dem bayerischen Landkreis geehrt worden. Denn der gelernte Dreher hat sich in seiner Schule nicht nur um tropfende Wasserhähne und klopfende Heizungen gekümmert, sondern auch um die Sorgen und Nöte der Schüler. „Viele der Schüler haben sich ihm anvertraut, wenn sie eine schlechte Note geschrieben oder Prüfungsangst hatten“, schreibt die Zeitung. Sie kamen an seinen Tresen, an dem er in den Pausen belegte Semmel verkaufte, und holten sich Rat. So hat Wieselsberger auch mitbekommen, wie immer mehr Aussiedler und Ausländer an die Schule kamen. Wenn er Streit mitbekommen hat, fragte er nach, auch dann mal vorsichtig, wenn Aussiedler und Einheimische sich voneinander abgekapselt haben. Einmal hat er eine Antwort bekommen, die sich ihm eingeprägt hat: „In Russland mochte man mich nicht, weil ich Deutscher bin. Hier in Deutschland werde ich nicht akzeptiert, weil ich für alle der Russe bin.“
Anlaufstelle für Arbeitslose
Freilassing – Seit fünf Jahren gibt es im bayerischen Freilassing eine Anlaufstelle für schwer integrierbare Arbeitslose, die oft zudem noch alkoholkrank oder drogensüchtig sind. Die „Fina“, wie die Institution heißt, betreibt eine eigene Werkstatt und bietet kleinere Dienstleistungen wie Entrümpelungen oder Malerarbeiten an, berichtet die «Südostbayerische Rundschau» am 9. August. „Es hilft den Menschen, beschäftigt zu sein, um nicht den ganzen Tag herumzuhängen und sich als wertlos und überflüssig zu erleben“, erklärt Fina-Leiterin Petra Maisl die Aufgabe des Projekts. Den Teilnehmern sollen Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit vermittelt werden. Im Jahr 2005 haben zwölf Frauen und 17 Männer die Tagesstätte regelmäßig besucht. Viele von ihnen, schreibt die Zeitung, waren russlanddeutsche Spätaussiedler.
Der Traum von der Datscha
Achern – Rund eine halbe Million Euro hat die badische Stadt Achern für den Kauf des sanierungsbedürftigen „Schütze-Areals“ bezahlt, das jetzt zum Jugendtreff umgebaut werden soll. „Endlich eine vernünftige Nutzung“ für das leerstehende Haus, in dem es früher einen Getränkevertrieb gab, und für die maroden Außenanlagen, lobte Oberbürgermeister Köstlin die Pläne des städtischen Jugendamtes. Viel Geld für eine aufwändige Sanierung gibt es nicht, doch die fehlenden Mittel können durch die Mitarbeit der Jugendlichen aufgewogen werden, schreibt die «Acher-Rench-Zeitung» am 12. August. Die Renovierungen der Außenanlagen sind bereits als Projektarbeit verplant. Aus dem Garten soll eine kleine Oase entstehen. Hier könnten junge Russlanddeutsche ihre Datscha-Träume verwirklichen, angehende Gemüsegärtner Bohnen und Tomaten anpflanzen, und andere sich um die Außenanlage kümmern.
Russlanddeutsche Knast-Mafia
München – In den bayerischen Gefängnissen haben russlanddeutsche Häftlinge – wie in den meisten anderen Bundesländern auch - gewalttätige „subkulturelle Strukturen“ aufgebaut, die wie Mafia-Organisationen vorgehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Justizexperten, wie das Fernsehmagazin «report-München» des Bayerischen Rundfunks am 7. August berichtet. Inhaftierte Spätaussiedler, die fast zehn Prozent aller Häftlinge ausmachen, würden im Gefängnis geschlossene Gruppen mit streng hierarchischen Ordnungen bilden und versuchen, in jeder Haftanstalt einen Boss zu installieren, der die Macht über dort einsitzende Russlanddeutsche hat. Übergriffe, Körperverletzungen und Strafaktionen an Häftlingen seien ebenso an der Tagesordnung wie ein reger Drogenhandel. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Russlanddeutschen alle Mechanismen von Gewaltanwendung und psychischer Unterdrückung, wie sie in russischen Haftanstalten offenbar üblich sind, „voll auf deutsche Gefängnisse übertragen“. Als Ursachen vieler krimineller Karrieren von Aussiedlern werden Arbeitslosigkeit, ungenügende Deutschkenntnisse sowie ein anderes Rechtsempfinden genannt. Was in der ehemaligen Sowjetunion galt, gilt auch hier: Die „Macht des Stärkeren“.