Fünf Tage dauert das Klettertraining, an dem bislang 27 junge Aussiedler teilgenommen haben. Sie lernen Risiken wahrzunehmen, Vorsorge zu treffen und die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen. „Der Transfer vom Risikomanagement beim Klettern zum Thema Sucht fand bei den Jugendlichen fast automatisch statt“, sagt Sebastian Köhler, Mitarbeiter beim Modellprojekt „SeM“ – Sekundäre Suchtprävention für spätausgesiedelte junge Menschen in Münster“ -, an dem neben der Stadt auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) beteiligt ist. Mit dem „Risikokompetenztraining“ wollen die Projektträger junge Spätaussiedler erreichen, die mit den herkömmlichen Jugend- oder Suchthilfen nicht mehr erreicht werden.
Denn die üblichen Angebote sollen entweder junge Leute vor übersteigertem Alkoholkonsum bewahren oder bereits Abhängige von der Sucht befreien. Mit dem Modell in Münster werden nun jugendliche Russlanddeutsche angesprochen, die schon reichlich Alkohol oder Drogen konsumieren, aber noch nicht abhängig sind. Durch das Klettertraining „lernen die jungen Leute Risiken wahrzunehmen und einzuschätzen und entscheiden dann selbst, ob und wie riskant sie sich in bestimmten Situationen verhalten“, meint Projekt-Mitarbeiter Stefan Scholz. Finanziert wird der auf zweieinhalb Jahre angelegte Modellversuch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit 300.000 Euro.
Dem Projekt ging nach Angaben der Stadt Münster die Erfahrung voraus, dass Suchtprobleme bei Spätaussiedlern eine größere Rolle spielen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Seit Ende der 1980er Jahre haben sich rund 14.000 Russlanddeutsche in Münster angesiedelt. Seither sind kommunale Einrichtungen wie Jugendämter oder Polizei mit auffällig starkem Alkoholkonsum gerade bei sehr jungen Aussiedlern konfrontiert. Ihrer Beobachtung nach haben bis zu 40 Prozent der Kinder von Spätaussiedlern einen riskanten Drogenkonsum, und jeder Fünfte aus dieser Gruppe lande früher oder später bei harten Drogen. (© ORNIS/bg, 15. Juli 2006)
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