Die Nachricht in der russischsprachigen Zeitung ‚Semljaki’ war kaum mehr als zwei Sätze lang: Die Organisation „Heimatgarten“, so war in der Mai-Ausgabe zu lesen, kümmere sich um ausländische Flüchtlinge, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen. Unter den Ratsuchenden seien auch Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. Soweit die kurze Notiz. Seither haben sich rund hundert Aussiedlerfamilien in Bremerhaven gemeldet, die teils verzweifelt um Hilfe baten, weil auch sie zurückkehren wollen.
„Zwei bis drei Anrufe von Russlanddeutschen erreichen mich jeden Tag“, sagt Zafar Sharajabov, der aus Usbekistan stammt und mit den Ratsuchenden russisch sprechen kann. Seit einem Jahr betreut er hauptsächlich Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion, die sich zur Rückkehr entschlossen haben. Deutschstämmige Aussiedler zählen nicht dazu. Für Russlanddeutschen allerdings, die sich an ihn wenden, ist Sharajabov oft der einzige Gesprächspartner, dem sie ihren Kummer und ihren Wunsch nach Rückkehr anvertrauen. „Sie haben normalerweise Angst, sich zu äußern“, sagt Sharajabov, „weil sie nicht als illoyal gelten möchten gegenüber dem Staat, der sie als Aussiedler aufgenommen hat.“
Die meisten Anrufer befinden sich in einer schwierigen Lebenslage und setzen alles daran, Deutschland zu verlassen, sagt der Betreuer. Sie wollen zurück, weil sie starkes Heimweh nach Angehörigen und Freunden verspüren, häufig kaum deutsch sprechen und deshalb weder Arbeit noch Kontakt zu ihren neuen Nachbarn finden. In manchen Fällen haben sich Partner getrennt, ist die Familie auseinander gebrochen und damit der Grund für die Ausreise nach Deutschland hinfällig. Wieder anderen fällt es schwer, sich im bundesdeutschen Alltag zurechtzufinden, weil so vieles anders ist als gedacht.
Bemerkenswert ist, dass eine große Zahl an Rückkehrwilligen bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebt, sagt Zafar Sharajabov. Häufig wird nämlich berichtet, dass die Entscheidung, Deutschland wieder zu verlassen, bereits in den ersten Wochen nach der Einreise falle und später schwinde.
Doch kaum jemand kann sich eine Rückkehr leisten. So hoffen manche Aussiedler auf finanzielle Unterstützung, wenn sie sich an „Heimatgarten“ wenden. Bislang vergeblich. Einen Fördertopf, etwa aus staatlichen Mitteln oder privaten Spenden, gibt es nicht. „Heimatgarten“ will nun versuchen, Politiker und Behörden verstärkt auf das Problem aufmerksam zu machen. Mitte November hat die AWO-Organisation ein Hauptstadtbüro in Berlin bezogen. Hier soll auch über die Probleme von rückkehrwilligen Spätaussiedlern gesprochen werden. (© ORNIS, 1. Dezember 2005)