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Berlin, im August 2011 – Sie sprachen pfälzisch, hessisch, südfränkisch, schwäbisch, bayerisch oder niederdeutsch. Als die deutschen Auswanderer vor rund 250 Jahren nach Russland kamen, sprachen sie nur die Mundart ihrer Herkunftsländer. Und pflegten sie weiter. Denn häufig genug gründeten die hessisch Sprechenden gemeinsame Siedlungen, die Schwäbischen blieben ebenso unter sich und auch die Auswanderer mit niederdeutscher Mundart hielten aneinander fest, auch wenn sie weiterzogen und Tochterkolonien schufen.
Abgeschnitten von der alten Heimat, entwickelten sich in den russischen Siedlungsgebieten die mitgebrachten Mundarten zu russlanddeutschen Dialekten, wie die Sprachwissenschaftlerin Nina Berend in ihrer neuen Veröffentlichung „Russlanddeutsches Dialektbuch“ beschreibt und damit zugleich auch eine kurze Geschichte der Russlanddeutschen dokumentiert.
„Die Herkunft, Entstehung und Vielfalt einer ehemals blühenden Sprachlandschaft weit außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebiets“ heißt der Untertitel der Untersuchung, die auch einen Überblick über die Verbreitungsregionen einzelner Dialekttypen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart bietet. In ihrer Blütezeit, so die Autorin, hatten russlanddeutsche Dialekte fast zwei Millionen Sprecher. Auf einer CD, die zum Buch gehört, werden Tonbeispiele verschiedener Dialekte vorgestellt, die alle vor 1990 in der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen wurden.
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Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit dem Einfluss der russischen Sprache, „dem wichtigsten Merkmal, das die russlanddeutschen Dialekte von den Mundarten in Deutschland unterscheidet“. Manche russischen Wörter seien schon so lange in den Dialekten vorhanden, dass die Dialektsprecher den russischen Ursprung gar nicht mehr erkennen würden.
Dazu gehörten beispielsweise „Banje“, das russischen banja für Sauna, „Maline“ (malina für Himbeeren), „Budke“ (budka für kleine Bude), „Tapke“ (tapki für Hausschuhe), „Blini“ (bliny für Pfannkuchen) oder „Maschiin“ (maschina für Auto). Stets wurden die russischen Wörter phonetisch und grammatisch den jeweiligen Dialekten angepasst.
Abrupt endet die Entwicklung der Dialekte: Nach Deportation und Weltkrieg und mit dem Verbot der Rückkehr in die alten Siedlungsgebiete lebte die Bevölkerungsgruppe verstreut und damit abgekoppelt von ihren überkommenen Dialekten.
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Auch Heiraten außerhalb der eigenen Bevölkerungsgruppe und der Umstand, dass zumindest in der Öffentlichkeit durchweg Russisch gesprochen wurde, leiteten den Niedergang der russlanddeutschen Mundarten ein. Für Berend „(gehören) die russlanddeutschen Dialekte, die in diesem Buch beschrieben werden, für Russland schon der Geschichte an“.
Unter Aussiedlern in Deutschland ist die Tendenz ähnlich, wenngleich es „denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich“ sei, dass Eltern oder Großeltern den Dialekt an ihren Nachwuchs weitergeben. So könnte er wenigstens in den Familien noch eine Zeitlang überleben. Wohl eher sei damit zu rechnen, dass die Mundarten der Russlanddeutschen in den bundesdeutschen Dialekten und der deutschen Hochsprache allmählich aufgehen und bald verschwunden sind.
Umso bedeutsamer sei es, jetzt, da es noch möglich ist, diese Dialekte zu dokumentieren. „Dadurch könnte“, hofft Nina Berend, „den kommenden Generationen der Russlanddeutschen sowie allen Interessierten, Laien wie Wissenschaftlern die Sprache dieser ehemals blühenden Sprachlandschaft weit außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebiets erschlossen werden.“
Links zum Thema |
- Institut für Deutsche Sprache - Mehr zum Projekt „Migrationslinguistik“ - Vorher das Hirn eikljutschae, dann erst zammeschreiwe - Besprechung |
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Nina Berend wurde 1951 in dem Dorf Udalnoe im Altai-Gebiet geboren, in dem damals ausschließlich Russlanddeutsche lebten. Im Elternhaus lernte sie schon früh unterschiedliche russlanddeutsche Dialekte kennen. Während ihres Germanistik- und Pädagogik-Studiums in Omsk traf sie den renommierten Sprachinsel-Forscher Hugo Jedig, unter dessen Leitung sie erste Spracherhebungen und Dialektforschungen durchführte. Ihre Dissertation an der Universität Lwow/Ukraine befasste sich mit nordbayerischen Mundarten im Altai-Gebiet. 1989 siedelte Nina Berend nach Deutschland aus und setzte hier ihre Forschungen fort. 1991 veröffentlichte sie gemeinsam mit Hugo Jedig das Buch „Deutsche Mundarten in der Sowjetunion“. Es folgten Publikationen wie der „Wolgadeutsche Sprachatlas“ (1997), „Sprachliche Anpassung“ ((1998) und „Sprachinselwelten“ (2006). 1998 habilitierte sie sich an der Universität Heidelberg. Am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache leitet sie das Projekt „Migrationslinguistik“, das sich mit der Erforschung von Sprache und Dialekten der Russlanddeutschen in Deutschland befasst. |
Tonbeispiele von Dialekten
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Eine Liste der Publikationen zu russlanddeutschen Mundarten von 1990 bis 2007 gibt es beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim |
Sanya, 11.08.2011 19:50:36:
Das Wort "ueberkommen" im Artikel ist unpassend.Wenn die russlanddeutschen Dialekte "ueberkommen" waeren,dann waere das oesterreichische,schwyzerduetsche,luxemburgische und ueberhaupt jeglicher Dialekt "ueberkommen".Sprache ist auch Aesthetik,(Sub-)Kultur, Gefuehlsausdruck und Anwendbarkeit.Darin sind Dialekte und viele andere Sprachen(wie englisch) beispielsweise dem Hochdeutschen weit ueberlegen
Samantha, 10.08.2011 23:53:18:
Ich mag die russlanddeutschen Mundarten sehr.Ich höre sie noch von ganz reizenden älteren Menschen und finde sie nicht schwer zu erlernen.Was sie (diese Dialekte) ausmacht ist ihre Herzlichkeit.Die Dialekte sind noch nicht ausgestorben, sonst würde ich sie nicht mehr hören.Aber es wäre wichtig, dass man den Wert der Sprachenvielfalt erkennt und sie staatlich und privat fördert. Wie zB in Luxemburg