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Moderne Zeiten

Wie Bayerns Ministerpräsident ein Interview abhakt
Moderne Zeiten Festkomitee mit Redner
Foto: Deutsch-Russische Zeitung

Schirmherr und Festredner zugleich war der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beim jüngsten Landestreffen der Russlanddeutschen in Augsburg. Der „Deutsch-Russischen Zeitung“ hat sich der Politiker aus diesem Anlass zum Interview gestellt. Schon der Titel verrät nichts Gutes: „Wir haben die meisten Probleme gelöst“. Ein Dokument der Gleichgültigkeit.

Berlin, im Juli 2010 - Da hatte sich der Interviewer vier Fragen ausgedacht, die zwar keinen inneren Bezug hatten, die aber durchaus einer ernsthaften Antwort würdig gewesen wären. Gut, die erste Frage diente gewiss nur zum Aufwärmen und um dem Befragten Gelegenheit zu geben, mit ein paar gängigen Formeln zur guten Stimmung beizutragen. Warum Festredner Seehofer denn die Schirmherrschaft über das diesjährige Landestreffen der Russlanddeutschen übernommen habe, wollte der Fragesteller wissen. Ja, warum wohl?

Was für eine Frage? Natürlich wird der Ministerpräsident nicht abseits stehen, wenn es darum geht, „einem kräftigen jungen Stamm“ in Bayern seine Aufwartung zu machen und ihm „Dank und Respekt zu zollen“. Eine Bereicherung für die bayerische Stammesgesellschaft macht der Politiker schließlich in den russlanddeutschen Aussiedlern aus, die „viel zur Leistungskraft Bayern beigetragen“ haben.

Da soll das schöne Bild nicht trüben, dass an verantwortlicher Stelle im Freistaat die Leistungskraft der Deutschen aus Russland brüsk ausgebremst wird, etwa bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen. Gibt sich der Spitzenpolitiker auf diese Frage etwa kleinlaut und ertappt? Nein, denn schuld ist ein Naturereignis wie Blitz und Donner, nämlich „die Mühlen der Bürokratie“. Da kann man nichts machen.

Deutsch-Russische Zeitung, Juli 2010
Doch halt: Ein bayerischer Regierungschef wäre sein Geld nicht wert, wenn er das Problem nicht längst beim Schopf gepackt hätte: „Ich weiß, dass die Landesregierung an diesem Problem arbeitet und schon bald zufriedenstellende Lösungen präsentieren wird.“

So genau wollte es der Fragesteller eigentlich gar nicht wissen, oder war er nur verschreckt von der geballten Informationsflut? Man weiß es nicht, jedenfalls war es Seehofer gelungen, sich auf prawdaeske Weise einer Frage zu entledigen.

An einer anderen Stelle ist es dem wackeren Interviewer doch gelungen, sein Gegenüber wohl kurzzeitig zu verblüffen. Was er denn von zweisprachigen Medien in Deutschland halte. Nun mag die Frage schon für sich kurios sein, doch die Antwort war es umso mehr: „Ich würde mir für die bayerischen Zeitungen auch wünschen, dass sie zweisprachig werden.“

Das ist ja mal eine Anregung, die den Kosmopoliten verrät! Vielleicht sollte man dem faden Bayernkurier ein wenig Leben einhauchen mit einer Beilage in Swahili. Ob Russisch die Auflage des Münchner Merkurs steigern würde, ist nicht bekannt, aber ein Versuch wär’s wert. Und der Parteichef wünscht es so.

Doch zurück zum Interview, denn die wichtigste Frage steht ja noch aus. Wozu dient eigentlich die kürzlich geschaffene „AG Integration“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion? Eine berechtigte Frage, besonders wenn man sich zum Thema einmal die Kommentare der Parteibasis auf der Internet-Plattform für Mitglieder und Sympathisanten der CDU anschaut. O-Ton Seehofer: „Das ist die Antwort auf die moderne Zeit.“

Vier Fragen, keine Antwort. Zufriedenheit auf beiden Seiten. So sieht es wohl aus, wenn ein Politiker seine Gleichgültigkeit gegenüber einer Zielgruppe mit Worten kaschiert. Und so sieht es wohl aus, wenn der Fragesteller das nicht bemerkt.

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