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Foto: Eva Kröcher / creative commons

Auf Stimmenfang unter Russlanddeutschen / Seite 4

Dabei beansprucht die Zeitschrift, im Namen aller Russlanddeutschen zu sprechen, obwohl sie dies natürlich nicht tut. Die Russlanddeutschen sind eine Gruppe, die eine sprachliche und kulturelle Dualität aufweist. Nach einem langen Leben in Russland und in den GUS-Staaten fällt es ihnen sehr schwer, auf die russische Sprache, auf russische Traditionen und auf ihre gewohnte Lebensweise komplett zu verzichten, auch wenn viele von ihnen es durchaus versuchen. Schließlich haben fast alle von ihnen nicht-deutsche Ehepartner und die Kinder sind in einem gemischten sprachlichen und kulturellen Raum aufgewachsen.

Für jeden in der deutschen Gesellschaft, auch für die politischen Parteien, besteht die Wahlmöglichkeit, ob sie die Russlanddeutschen eher als Russen oder eher als Deutsche betrachten. Gerade für die NPD, für die der Unterschied Deutsche – Ausländer eine prinzipielle Frage darstellt, ist diese Wahl sehr wichtig.

Als Russen betrachtet, werden sie oft zu Objekten der Fremdenfeindlichkeit und fielen schon mehrmals rechtsextremistischer Gewalt zum Opfer. Was bewog die NPD jetzt dazu, die „deutsche Seite“ der Russlanddeutschen zu entdecken?

Die NPD auf der Jagd nach Wählerstimmen

Dieser mysteriöse Wandel erklärt sich, wenn man die NPD in erster Linie als politische Partei betrachtet, die wie jede andere Partei vor allem auf Stimmenmaximierung und Mandatserhöhung orientiert ist. So bekommt die Tatsache, dass diese „Fremden“ auch deutsche Staatsbürger sind und wählen dürfen, plötzlich eine andere Bedeutung.

Foto: Mut gegen rechte Gewalt

Die Russlanddeutschen sind in der überwiegenden Mehrzahl politisch eher apathisch. Den wenigen politisch aktiven Menschen, wie zum Beispiel Arthur Bechert, der 2008 für die CSU für den bayerischen Landtag kandidierte, steht eine breite Mehrheit gegenüber, die von Parteien nichts wissen und nichts wissen wollen; zum Teil weil sie sich noch immer nicht als Teil der Gesellschaft betrachten, zum Teil weil sie sich nicht von ihren Mitbürgern als Deutsche anerkannt empfinden.

Bislang stimmten die meisten derjenigen, die an Wahlen teilnehmen, für die CDU. Ihre Parteipräferenz bestimmt aber nicht Interesse an Politik als solcher; diese Wahl ist eher als eine Gegenleistung an die CDU zu sehen, die die stetige Einwanderung der Russlanddeutschen unterstützte. Daher bestand bis vor kurzem keine richtige Konkurrenz um Wählerstimmen.

Dies scheint sich mittlerweile zu ändern. Dass die NPD die Spätaussiedler so unerwartet als Deutsche anerkennt, wird auch die Strategien der anderen Parteien gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe verändern. Es geht nicht nur um die Zeit des Wahlkampfs, sondern um die politische Strategie allgemein. Bis 2008 ist es in der russlanddeutschen Presse nicht zu einer direkten und aggressiven Agitation für eine Partei gekommen.

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