13. bis 19. Juli
“Vorteile nutzen”Stuttgart – “In der Globalisierung sind Potentiale der Migranten wie Mehrsprachigkeit und kulturelles Wissen große Vorteile für die Unternehmen – gerade auch in der Wirtschaftskrise“, sagte der baden-württembergische Justizminister und Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Professor Ulrich Goll auf der jüngsten Sitzung des Landesarbeitskreises Integration (LAKI), wie »
Migazin« am 14. Juli berichtet. Die Ausbildungssituation der Jugendlichen aus Einwandererfamilien sei trotz vieler Programme leider noch nicht zufriedenstellend.
In Baden-Württemberg, so Goll weiter, verfüge ein knappes Drittel der 25- bis 35-jährigen Migranten über keinen Berufsabschluss. Zum Vergleich: Bei Einheimischen treffe das nur auf acht Prozent zu. Ein im September 2008 beschlossener Integrationsplan soll die Weichen für eine bessere Ausbildung dieser Jugendlichen stellen. Zudem sei es notwendig, die Verfahren zur Anerkennung von im Ausland gemachten Schul- und Ausbildungsabschlüssen zu vereinfachen und für alle Beteiligten transparent zu gestalten.
Praktisch in beiden Kulturen zuhauseGießen – Mit der Ausstellung ‚Volk auf dem Weg‘ über die Geschichte der Russlanddeutschen wird klar, dass Russlanddeutsche keine Ausländer sind, berichtet der »
Gießener Anzeiger« am 15. Juli unter Berufung auf Jakob Fischer, der die Wanderausstellung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland dieser Tage in Gießen vorgestellt hat. Die Russlanddeutschen seien Deutsche, die in früheren Generationen auswanderten, sich in Russland beziehungsweise in der Sowjetunion das deutsche Sprach- und Kulturgut erhielten und gleichzeitig einen Teil der Russischen Kultur aneigneten. Sie seien praktisch in beiden Kulturen zuhause, zitiert das Blatt den Ausstellungsleiter.
Anfangs als Bedrohung empfundenBernau – Die Ausstellung ‚Volk auf dem Weg‘ wird auch in Bernau im Landkreis Barnim gezeigt und wurde von der Ausländerbeauftragten des Kreises, Marietta Böttger, eröffnet. In der Region leben mehr als 3.000 Spätaussiedler, heißt es in der »
Märkischen Oderzeitung« vom 17. Juli. Der Bernauer Bürgermeister Hubert Handke habe bei der Eröffnung von der Bereicherung gesprochen, die die Spätaussiedler für Bernau bedeuteten. Auch wenn sie anfangs als Fremde und vielleicht sogar als Bedrohung empfunden worden seien, so der Bürgermeister, sei es erfreulich, dass die Deutschen aus Russland ihr Können und ihre Ideen in die Stadt einbringen würden.
Aus schüchternen werden selbstbewusste KinderBerlin – Beim Berliner Zirkus Cabuwazi lernen Kinder nicht nur Akrobatik und Jonglieren. Für viele Eltern ist das Training ebenso wichtig wie für die Kinder, denn hier sind die Kleinen gut betreut und gewinnen vor allem an Selbstbewusstsein, schreibt die »
Berliner Morgenpost« am 18. Juli. Am Marzahner Standort neben dem S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße trainieren rund 300 Kinder und Jugendliche. Die Kleinsten sind zwischen vier und sechs Jahre alt. Die Kinder kommen aus Familien, deren Eltern sich nicht den Tennis- oder Golfclub leisten können, sagt Fabian Gröger, künstlerischer Leiter am Standort Marzahn.
Andere Eltern könnten es psychisch nicht leisten, sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern. Und berufstätige Eltern hätten oft einfach keine Zeit für den Nachwuchs. Mindestens 30 Prozent der Kinder, die in Marzahn trainieren, kommen aus russlanddeutschen Spätaussiedler-Familien, so die Zeitung.
„Kampf in den Nischen der Gesellschaft“München – Die tödlichen Messerstiche auf eine Ägypterin, ausgeführt von einem 28-Jahre alten Russlanddeutschen in einem Dresdner Gerichtssaal, sind auch zwei Wochen nach der Tat Thema zahlreicher Medien in Deutschland und im Ausland. In der islamischen Welt gelte der Anschlag zwar als Beweis für den antiislamischen Hass des Westens, schreibt Andrian Kreye am 13. Juli in »
jetzt.de«, einer Seite für Jugendliche in der Süddeutschen Zeitung. In Wirklichkeit gehe es aber nicht darum, sondern um einen „Kampf einander fremder Kulturen, der in den Nischen der Gesellschaft tobt und nur selten bemerkt wird“.
Zweifellos sei der Antiislamismus die treibende Kraft gewesen. Doch es war eben kein gebürtiger Deutscher, der den Mord beging, so Kreye, sondern ein Russlanddeutscher, der seit sechs Jahren in Deutschland lebt und den Großteil seines Lebens in Perm nahe dem Ural in Russland verbrachte. Es seien also zwei einander vollkommen fremde Kulturen gewesen, die hier aufeinander trafen. Einerseits der Arbeitslose, der in Russland sozialisiert wurde, „wo der Fremdenhass gesellschaftlich längst noch nicht die Ächtung erfahren hat wie im westlichen Europa“. Auf der anderen Seite die exotisch gewandeten Ausländer (die Ägypterin trug Kopftuch), die offensichtlich viel besser gestellt seien als der Aussiedler mit seinem deutschen Pass.
„Unten macht man sich die Plätze streitig“Berlin – Ähnlich wie Kreye kommentiert auch Thomas Schmid, Chefredakteur der »
Welt«, am 15. Juli die Dresdner Tat. Sie sei typisch für die Dramen, die der multikulturelle Alltag bereithalte, „nicht zuletzt in seinen Nischen“. Migranten würden oft von jenen Deutschen als Gefahr und Provokation wahrgenommen, die den Anschluss an die Entwicklung und produktive Teilhabe in der Gesellschaft verloren hätten. „Unten macht man sich die Plätze streitig, unten trägt man den Zorn oder den Hass, den das auslöst, direkt und manchmal auch mit Gewalt aus“, so Schmid auf der Debattenseite der »Welt«.
Was den Dresdner Fall hervorhebe, sei das völlig untypische Verhältnis zwischen Täter und Opfer. Die ermordete Ägypterin war Apothekerin, ihr bei dem Anschlag schwerverletzter Mann ein Wissenschaftler. Die beiden hätten gewissermaßen die Sonnenseite der Migration verkörpert. Der Täter besitze zwar als Russlanddeutscher die deutsche Staatsbürgerschaft „und mag daraus gegenüber der Muslimin ein Überlegenheitsgefühl bezogen haben, das indes ganz grundlos war“. In Wirklichkeit sei er, wie viele Russlanddeutsche, einer, der „ganz unten“ stehe, meint Schmid.
„Ein Fall von Minderheiten-Konkurrenz“Berlin – »
Die Tageszeitung« führt am 16. Juli ein Gespräch mit der Medienpädagogin Sabine Schiffer über die Dresdner Tat. Die 42-Jährige leitet das Institut für Medienverantwortung in Erlangen und hat an der Islamkonferenz von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble teilgenommen, berichtet das Blatt und will von der Expertin wissen, ob es in den Medien bei der Bewertung des Falls eine Rolle spielte, dass der Täter ein Spätaussiedler aus Russland ist. „Mir scheint hier eine Minderheitenkonkurrenz eine Rolle zu spielen“, antwortet Schiffer. Der Mann sei ja erst 2003 nach Deutschland gekommen und dürfte sich als Ausländer fühlen. Vielleicht habe er gemeint, sich deshalb als besonders guter Deutschen behaupten zu müssen. „Wenn man aber die Herkunft des Täters thematisiert, besteht natürlich die Gefahr, dass die Mehrheitsgesellschaft sagt: Das ist deren Problem.“
„Der Täter war keiner von uns“Hamburg – Der Mord an der Ägypterin hat Deutschland an den Rand eines Kulturkampfes gebracht, schreibt »
Die Zeit« am 16. Juli und versucht zu erklären, warum die Tat zunächst kaum ein Echo in der Öffentlichkeit fand: „Wenn man einmal Mutmaßungen über das (west-)deutsche Mehrheitsbewusstsein anstellen darf, dann spielten sich dort nach der Tat folgende Gedankengänge ab: 1. Wie furchtbar, die arme Frau, was für ein Unglück. 2. Die Tat geschah nicht wirklich in Deutschland, sondern im Osten. 3. Der Täter ist ein Russlanddeutscher, bekanntermaßen die problematischste Minderheit, die in diesem Land lebt, also keiner von uns. 4. Ein Einzelfall also: Übergang zur Tagesordnung.“
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