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Wo liegt Mantakistan? - Seite 2

Die Vergangenheit der deutschen Siedler in Metzenseifen steht mit jener des Bergbaus und der Verarbeitung der geförderten Eisenerze eng in Verbindung. Der Namensbestandteil „Seifen“, der ursprünglich ein Tal mit einem fließenden Bach meinte und später in die Bergmannsprache einging, deutet an, dass das rauschende Wasser in diesem, von sanft ansteigenden Hügeln in einer Kessellage des slowakischen Erzgebirges gelegenen Ort seit alters von Bedeutung war, „Metzen“ könnte übrigens als Koseform vom Namen Mechthild abgeleitet sein.

Ein Einwanderer namens Elias Tegnagel, der wohl Kenntnisse über die Konstruktion von Wasserbauten mitgebracht hatte, erhielt im Jahr 1371 vom Grundherrn, dem Propst des Prämonstratenserklosters in Jooß, das Jahrhunderte später vom bekannten Wiener Architekten Franz Anton Pilgram (1699-1761) zu einer schönen Barockanlage ausgebaut werden sollte, die Erlaubnis für den Bau von Hammerschmieden. Fünf Jahre später waren drei Hammerwerke fertiggestellt, die Hochblüte der Schmiedezunft, die immer wieder Höhen und Tiefen erlebte, fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt, als 109 Hammerschmieden mit 198 Essen, das sind Feuerstellen, in Betrieb waren, wodurch rund fünfhundert Personen, Schmiedemeister und ihre Gesellen, Köhler und Fuhrwerker, Arbeit hatten.

Metzenseifen hatte sogar den „Weltprimat“ inne, verzeichnete es doch die weltweit höchste Konzentration an Hammerschmieden. Das Angebot wurde durchaus nach den Bedürfnissen des Marktes erstellt: Wiewohl man an sich auf die Herstellung von landwirtschaftlichem Gerät wie Schaufeln, Hauen, Spaten, Krampen oder Beile spezialisiert war, produzierte man etwa für die Hussiten, die die Region längere Zeit besetzt hielten, Speere.

Die Bezeichnungen der im Vergleich zu Schaufeln flacheren Hauen, wie Mistelbacher, Teschner, Hermannstädter, Czernowitzer, Ödenburger oder Bistritzer, um nur einige der dutzenden Varianten zu nennen, deuten den Verbreitungsgrad der Metzenseifner Schmiedewaren in der österreichisch-ungarischen Monarchie an. Eng im Zusammenhang mit der Schmiedezunft steht die Geschichte der Kolonisten im Bodwatal: Die Hammerwerke, jeweils an den ältesten Sohn vererbt, konnten jahrhundertelang im Besitz der deutschen Einwanderer gehalten werden.

Die Schmiedezunft erlebte ein ständiges Auf und Ab, man durfte keine Entwicklung verschlafen, die Gesetze des Marktes waren nämlich immer unerbittlich. Hatte man einmal das Nachsehen, brach große Armut aus. Besonders prekär wurde die Lage gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung einsetzte und sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verschlechterte. Zwischen 1873 und 1914 wanderten mindestens 1.500 Metzenseifner aus, manche in andere Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie, viele aber in das gelobte Land, nach Amerika.

Die meisten von ihnen ließen sich in Cleveland, Ohio, nieder, wo sie etwa beim ebenfalls aus Metzenseifen ausgewanderten Holzunternehmer und Finanzier Theodor Kundtz (1852-1937) anheuerten, andere gingen nach Pittsburgh im Quäkerstaat Pennsylvania. In diesen Regionen leben neben den Nachfahren der Metzenseifner viele Einwanderer mit Wurzeln auf dem Gebiet der heutigen Slowakei. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2001 hatten etwa in Pennsylvania über 240.000 Menschen eine slowakische Herkunft angegeben.

Die dritte und vierte Generation der Metzenseifner Auswanderer hat offensichtlich ein großes Bedürfnis, die Familiengeschichte zu erfahren. Die Jungen, die sich gern als „Metzis“ bezeichnen, nutzen auch die Möglichkeit der globalen Vernetzung, um zu erkennen, dass die Welt klein ist. Auf dem „Metzenseifen Message Board“ schreibt etwa ein gewisser Laurel Stroempl an einen Guy J. Gaspar: „Yes, we are related! Your grandmother Agnes (Stark) Gaspar was the sister of my grandmother Theresa (Stark) Stroempl. I believe this makes us second cousins.” Heutzutage ist alles ganz einfach.

Von der Untermetzenseifner Dorfstraße zweigt eine Straße ab, die hinauf in das kleinere Obermetzenseifen führt. Bald kommt man zu neu errichteten Wohnblöcken, wo Kinder ausgelassen miteinander spielen. Zwei betagte Männer, die auf der alten Bank wie unzertrennlich wirken, beobachten das Treiben auf dem Spielplatz und scheinen sich über die alten Zeiten zu unterhalten, worauf einige Wörter schließen lassen: dazumal, mein Vater, der Krieg. Ein paar Wörter klingen vertraut, doch dem Gespräch der beiden vermag man nicht zu folgen, es ist ähnlich wie mit dem Holländischen. „Haben Sie wirklich etwas verstanden?“ fragt einer der Herren beinahe bestürzt, als hätte man eine Geheimsprache entschlüsselt. „Wir sprechen hier Mantakisch, nicht Deutsch“, ergänzt sein Nachbar pathetisch.

Sie seien Mantaken, behaupten die beiden Gefährten selbstbewusst, als wäre es die größte Selbstverständlichkeit auf Erden, aus einer Mundart seine Identität zu schöpfen, etwas Opakes, das den Anderen fortan zum Fremden macht. Das Mantakische, das in Metzenseifen am reinsten erhalten geblieben sei, dürfe man keinesfalls mit anderen Mundarten wie dem Hopgartnerischen oder dem Potokischen, verwechseln, die andernorts, in der oberen Zips nämlich, gesprochen würden.

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