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F o r t s e t z u n g
Foto: hvaldez1/stock.xchng

Die neueren Studien konstatieren hohe Bildungsinteressen bei Mädchen und jungen Frauen aus Aussiedlerfamilien bei gleichzeitiger konstanter Bindung an den familiären Kontext. Damit wird deutlich: Die Töchter aus Aussiedlerfamilien sind in den deutschen Schulen wesentlich erfolgreicher als die Söhne. Und der Trend – so zeichnet es sich bereits ab – setzt sich an den Universitäten fort. Es sind ähnliche Erfolgslinien, wie sie sich auf für Mädchen und junge Frauen aus anderen Migrationskontexten abzeichnen.

Die Säulen des Erfolgs

Der Bildungserfolg der Mädchen und jungen Frauen beruht auf drei Säulen. Zum einen beziehen die jungen Frauen sich explizit auf die Familie als Netzwerk. In der familiären Einbindung erleben sie keinen Zwang, sondern ein Unterstützungssystem, das ihnen die Stärke gibt, in der fremden Außenwelt zu reüssieren. Die familiäre Aufgabe, mit ihrem Bildungserfolg zur Rechtfertigung des Migrationsprojekts beizutragen, erfüllen sie bereitwillig. Die Sozialwissenschaftlerinnen Ursula Boos-Nünning und Yasemin Karakasoglu kommen in ihrer Studie „Viele Welten leben“ von 2005 zu dem Ergebnis, dass bei den jungendlichen Aussiedlerinnen die familiären Bindungen eine ganz bedeutsame Ressource darstellen. Eine enge Familienbindung steht keinesfalls in Widerspruch zu Bildungsaspirationen, sondern ist Grundlage des Erfolgs.

Zum anderen - hier scheint ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis des geschlechtsspezifisch ungleich verteilten Erfolgs zu liegen – orientieren sie sich besonders an ihren Müttern. Die Mütter weisen – im Unterschied zu den Müttern anderer Migrantenkinder – oft einen hohen Bildungs- und Ausbildungsstand auf. Sie wurden in der Sowjetunion sozialisiert, als Mädchen und jungen Frauen alle Ausbildungsgänge offen standen, als Frauen in technische Berufszweige drängten und sich darin behaupteten. Auch wenn die Generation der Mütter in Deutschland erhebliche berufliche Misserfolge erleben musste (und immer noch erleben muss), gibt sie den Töchtern das Bewusstsein weiter, dass sie sich mittels Bildung und Ausbildung ein eigenständiges und selbstbewusstes Leben aufbauen können.

Schließlich beruht die enorme Leistungsbereitschaft der jungen Mädchen auch auf ihrer gegenseitigen Unterstützung. Die Gleichaltrigen treten nicht als negativ beeinflussende Clique in Erscheinung, sondern als positives Unterstützungssystem, ohne das ein Zurechtkommen in der fremden Gesellschaft von Schule und Ausbildung nicht denkbar wäre. Die enge stabilisierende und freundschaftliche Bindung im innerethnischen Kontext unterstützt den erfolgreichen Weg. Spürbar ist bei den jungen Frauen die Ambivalenz hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Peergroups, die sie einerseits als identitätsstiftend, andererseits aber auch als integrations- und entwicklungshemmend erleben.

Negativ konnotiert werden von ihnen insbesondere die innerethnischen Gruppen, in denen sich jugendliche Russlanddeutsche, insbesondere männliche Jugendliche zusammenfinden. Wichtig scheinen die Zweiergruppen als kleinste ethnische Gruppen zu sein; die Verbundenheit in der Zweiergruppe ist eine besondere Unterstützung in einer von zahlreichen Anforderungen geprägten modernen Gesellschaft. Ebenso bilden die transethnischen Netzwerke in der Schule eine positive Ressource.

Schule als Lebensraum

Olga hat Erfolg in der gymnasialen Oberstufe und ist doch unglücklich: „Also mir ist es schon manchmal ziemlich schwer in der Klasse, also wenn man da sich verspricht oder ein Referat hält, vielleicht irgend ein kleiner Fehler, oder es ist supergut, das Referat, hat man vielleicht 14,15 Punkte bekommen, und da kommen dann die Schüler und ‚Wie habt ihr das geschafft, das kann doch gar nicht sein‘ und dann kommen da so Hinterlistigkeiten, und du stehst dann da, und du bist auf dich stolz, dass du 15 Punkte bekommen hast, und dann machen die dir das alles kaputt.“

Tanja stimmt ihr zu und ergänzt: „Ich find es hier auch ganz schön oberflächlich, dass hier keiner auf jemanden Rücksicht nimmt, nur an sich denken, Hauptsache, ich hab mein Ding jetzt durchgezogen. Und was du jetzt hast, ach das ist mir sowieso egal, als ob jeder gegen jeden hier kämpft. Das ist überhaupt nicht mein Ding, das hab ich mir irgendwie nicht so vorgestellt. Ich hab ja erzählt, dass es nicht mein Wunsch war, hierher zu kommen.“ Tanja bereitet sich auf ihr Abitur vor, sie weiß, dass sie gute Noten bekommen wird und bewegt sich in dem Dickicht des Oberstufenregelwerks wie ein Fisch im Wasser. Ihr Terminkalender ist gefüllt mit Klausurterminen und Planungen. Sie hat keine Panik, sie hat den Ablauf fest im Griff. Und doch ist sie schlecht auf das deutsche Schulsystem zu sprechen.

Sie wirft dem System Benachteiligung vor, sie fühlt sich nicht wohl in einem System, in dem sie bei gleicher Leistung immer die zweite Geige hinter den deutschen Mitschülern spielt; sie beklagt mangelnde Transparenz in der Notengebung und bei den Anforderungen. Sie leidet unter der Anonymität des Oberstufensystems und wirft den Lehrerinnen und Lehrern vor, kein Interesse an den Schülerinnen und Schülern zu haben.

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