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Von Herta Müller
... Der wichtigste »Partner« in Deutschland für Verleumdungsmaßnahmen war die Landsmannschaft der Banater Schwaben. Schon 1985 konstatiert die Securitate mit Genugtuung: »Die Führung der Banater Landsmannschaft in Deutschland hat negative Kommentare zu diesem Buch (Niederungen) gemacht, einschließlich mit Vertretern der rumänischen Botschaft aus Deutschland.«
Das ist ein starkes Stück. Seit dem Erscheinen der Niederungen führte die Landsmannschaft in ihrem Blatt Banater Post eine Rufmordkampagne gegen mich. »Fäkaliensprache, Urinprosa, Nestbeschmutzerin, Parteihure« waren die gängigen Urteile ihrer hauseigenen »Literaturkritik«.
Ich sei ein Spitzel, behauptete man, habe die Niederungen gar im Auftrag der Securitate geschrieben. Während ich auf der Betontreppe der Fabrik saß, war die Landsmannschaft offenbar im trauten Beisammensein mit dem Botschaftspersonal der Ceaucescu-Diktatur. Ich hingegen hätte mich nie getraut, einen Fuß in diese Botschaft zu setzen, weil ich nicht wusste, ob ich von dort wieder herauskommen würde. Angesichts dieser Beziehungen zu Ceaucescus Diplomaten wundert es nicht, dass die Landsmannschaft in all den Jahren über die Diktatur keine einzige kritische Silbe geäußert hat.
Herta Müller
Foto: Annette Pohnert/Carl Hanser Verlag |
Hauptfeind
Im Bunde mit dem Regime hat sie den Ausverkauf der Rumäniendeutschen betrieben, das Kopfgeld von bis zu 12000 D-Mark, das die Bundesrepublik für jede auswandernde Person bezahlte, hat die Landsmannschaft nicht gestört. Genauso wenig, dass dieser Menschenhandel eine beträchtliche Devisenquelle für die Diktatur war. In der gleichen Einvernehmlichkeit mit dem Regime teilte man sich den Hass auf mich genauso wie die Verleumdungsarbeit.
Ich wurde zum Hauptfeind hochstilisiert, wurde als permanentes Angriffsziel zum Bestandteil der Landsmannschafts-Identität. Wer mich verleumdete, bewies seine Heimatliebe. Die Landsmannschaft hat also ihre Brauchtumspflege erweitert durch meine Verleumdung. Der Ausdruck »Spitzel« kam ihr nur in den Sinn, wenn es galt, mich zu verunglimpfen.
In meiner Akte steht: »Ihrer Schriften wegen, die die Banater Schwaben in ein schlechtes Licht rücken«, hätten mich Personen aus diesem Kreis außerhalb Rumäniens »isoliert und blamiert«. Und: »An dieser Aktion haben auch unsere Organe mitgewirkt durch die Möglichkeiten, über die wir im Ausland verfügen.«
IM »Sorin«
In meiner Akte steht: »Kompromittierendes Material soll auch an Horst Fassel, an seine Institutsadresse, geschickt werden mit der Bitte, es zu verbreiten.« Gemeint ist das Donauschwäbische Institut in Tübingen, dessen Leiter Fassel damals war. Und davor, in den achtziger Jahren, war er Redakteur der Banater Post.
In ihren Berichten haben die Spitzel dem rumänischen Geheimdienst eine Bedeutung der Landsmannschaft in Deutschland vorgegaukelt, die sie nie hatte. Trotz der räumlichen Distanz gab es offenbar dieselbe Abhängigkeit, wie man sie vom Stasi-IM zum Führungsoffizier kennt, denselben Druck, zu parieren, dieselbe Angst, fallen gelassen und hier im Westen enttarnt zu werden.
Einer der Fleißigsten war »Sorin«, der schon 1983 die Temeswarer Autorengruppe auskundschaftete. Ein Bekannter, der die Akte seines mittlerweile verstorbenen Vaters eingesehen hat, entnimmt dem kodifizierten Kennzeichen, das dem Spitzelnamen auf jedem Bericht beigefügt ist, dass »Sorin« 1982 bereits 38 Berichte geliefert hatte.
Auch in meiner Akte mit den über 30 Spitzelnamen ist »Sorin« eine der Hauptpersonen. In einem Maßnahmeplan vom 30. November 1986 steht ausdrücklich, dass »Sorin« beauftragt wird, auszukundschaften, was ich demnächst vorhabe und welche Beziehungen ich in Rumänien und im Ausland pflege.
"Die meisten waren Buchhalter des Staates"
Der rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu über den Geheimdienst Securitate |
Blasmusik und Trachtenfeste
Einmal besuchte uns in Temeswar der Feuilleton-Chef der Bukarester Zeitung Neuer Weg in Begleitung von Walther Konschitzky. Im Abhörprotokoll dieses Tages notiert Oberstleutnant Padurariu, der mich immer verhörte, am Rand als Identifikation dieses Besuchers: »Sorin«.
Schon während der Diktatur ist dieser »Sorin« regelmäßig nach Deutschland gereist und noch vor dem Sturz Ceaucescus ausgewandert, wie so viele Spitzel. Dann war er Kulturreferent der Banater Landsmannschaft von 1992 bis 1998. Seither übt er – da diese Stelle in der Münchner Zentrale gestrichen wurde – seine Funktion ehrenamtlich aus.
Um die Spitzel in den eigenen Reihen hat sich die Landsmannschaft nie geschert. Seit ihrer Gründung 1950 hat sie sich eine Kopfheimat aus Blasmusik, Trachtenfesten, schmucken Bauernhäusern und geschnitzten Holztoren geschaffen. Die Diktaturen Hitlers und Ceaucescus wurden immer ausgeblendet. Führungspersonen der nationalsozialistischen Volksgruppe im Banat gehörten zu den Gründern der Landsmannschaft.
Heute weigert sich die Landsmannschaft, den Einfluss der Securitate in ihren Reihen zu untersuchen mit der Ausrede, das sei verjährt. Das ist nicht hinnehmbar angesichts ihres politischen Gewichts in Deutschland. Obwohl weniger als zehn Prozent der ausgewanderten Banater Schwaben in ihr organisiert sind, hatte sie all die Jahre Vertreter in Rundfunkräten und Kulturinstitutionen.
Das Verhör
Nach meiner Ankunft in Deutschland erzählten mir Radiojournalisten, dass ihre Sendung mit mir Schwierigkeiten für sie zur Folge gehabt habe, weil die Landsmannschaft interveniert habe. Außerdem war sie all die Jahre eine der Schaltstellen für die Abwicklung der Ausreiseanträge aus Rumänien, die sie gelegentlich auch zu verhindern suchte.
Den Ausreiseantrag des Literaturkritikers Emmerich Reichrath, dessen Rezensionen über den Banater Tellerrand hinauswiesen, versuchte sie zu verhindern. Auch ich erhielt vor der Ausreise Briefe von »Landsleuten« aus Deutschland, in denen stand: »Sie sind in Deutschland nicht willkommen.« Im Übergangsheim in Nürnberg war das Büro der Landsmannschaft Tür an Tür mit den Büros des BND. Ein Stempel der Landsmannschaft war für die Abwicklung der Einreiseformalitäten unumgänglich. Mich empfing man mit dem Satz: »Die deutsche Luft bekommt Ihnen nicht gut.«
Ich war schwer erkältet nach einer Nachtfahrt auf dem offenen Anhänger eines Traktors zur Grenze. Es war Februar. Hinter der nächsten Tür, beim BND, war der Empfang noch schroffer. Heute weiß ich, warum. Der Verleumdungsplan der Securitate ging auf: »Hatten Sie mit dem dortigen Geheimdienst zu tun?« Meine Antwort: »Er mit mir, das ist ein Unterschied«, beeindruckte den Beamten nicht.
»Lassen Sie das meine Unterscheidung sein, dafür werde ich bezahlt«, sagte er. Und: »Wenn Sie einen Auftrag haben, können Sie es jetzt noch sagen.« Während alle anderen dieses Büro nach ein paar Minuten mit einem Unbedenklichkeitsstempel verlassen konnten, wurden Richard Wagner und ich mehrere Tage gemeinsam und einzeln verhört.
Die Nobelpreisträgerin
- Herta Müllers Dankrede in Stockholm (Wortlaut) - Herta Müllers Dankrede in Stockholm (O-Ton) |
Links zum Thema |
- Landsmannschaft der Banater Schwaben - Banater Schwaben bei Wikipedia - Auf den Spuren der Nobelpreisträgerin (Berliner Literaturkritik) - Zum Beispiel Werner Söllner |
Weitere Fotos zum Artikel |
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Der nebenstehende Text ist mit freundlicher Genehmigung der Autorin entnommen aus Herta Müller
Cristina und ihre Attrappe. Was (nicht) in den Akten der Securitate steht Göttingen (Wallstein-Verlag) 2009 |
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Deckblatt der Securitate-Akte Herta Müllers
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Die Landsmannschaft der Banater Schwaben will jetzt die Spitzel-Vorwürfe prüfen. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur gibt sich Geschäftsführer Peter-Dietmar Leber eher kleinlaut. |