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In den vergangenen 20 Jahren sind rund drei Millionen Menschen als Aussiedler nach Deutschland gekommen – 2,2 Millionen aus Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, 800.000 Personen aus den mittel-osteuropäischen Ländern. In dieser Zeit hat Deutschland für Hilfen in den Herkunftsgebieten knapp eine Milliarde Euro ausgegeben.
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„Zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und nationale Minderheiten“ –
so der Titel der Konferenz – hätten gewiss Anlass geboten, nach Art
manch wohlfeiler Jubiläumsveranstaltung mit Geleistetem zu glänzen,
Konflikte und Probleme jedoch dem lästigen Alltag zu überlassen.
Bergner warb dagegen für Offenheit und hatte bereits zuvor auf
integrationspolitische Versäumnisse hingewiesen, etwa in Bezug auf
russlanddeutsche Spätaussiedler, deren Status in der Vergangenheit
„immer wieder Einschränkungen, Relativierungen und Infragestellungen
ausgesetzt war“.
In seiner Eröffnungsrede machte auch
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble deutlich, dass „längst nicht alle
Aufgaben befriedigend gelöst“ seien, und erwähnte die im Verlauf der
Konferenz immer wieder angesprochenen Probleme bei der beruflichen
Integration von Aussiedlern, bei der Anerkennung von
Bildungsabschlüssen und die zuweilen erzwungene Trennung von
Familienmitgliedern bei der Ausreise nach Deutschland. Die
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland vertritt gar die Ansicht,
Angehörige der deutschen Minderheit etwa in Russland und Kasachstan
stellten häufig keine Ausreiseanträge, weil sie befürchteten, dass die
gesetzlichen Regelungen durch das seit drei Jahren geltende
Zuwanderungsgesetz ihren Familienzusammenhalt zerstören würden.
Zur Eröffnung sprach Innenminister Wolfgang Schäuble
Foto: Hans-Joachim M. Rickel |
Ähnlich
argumentierte Altbischof Klaus Wollenweber für die Evangelische Kirche,
der den grundgesetzlich verankerten Schutz von Ehe und Familie anmahnte
und sich damit für eine liberalere Haltung der Behörden bei
Aufenthaltsrecht und bei Anforderungen an Sprachkenntnisse aussprach.
Wollenweber: „Warum kann im Sinne der Familienzusammengehörigkeit der
Sprachstandstest zur Einbürgerung nicht hier in Deutschland nachgeholt
werden?“
Ein so genannter Sprachstandstest wird vom
Zuwanderungsgesetz vorgeschrieben, wenn ein Familienangehöriger sich in
den Aufnahmebescheid eines deutschstämmigen Aussiedlers aufnehmen
lassen möchte. Wie stark sich diese Regelung auf ausreisewillige
Familien auswirkt, machte der Präsident des Bundesverwaltungsamtes,
Jürgen Hensen, in einem Rückblick auf die Geschichte der Aufnahmepraxis
deutlich. In den vergangenen drei Jahren sind über drei Viertel aller
Absolventen in den Herkunftsgebieten bei diesen Tests durchgefallen.
„Die Arbeit zur Unterstützung der deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten wäre ohne die Mittlerorganisationen nicht zu leisten gewesen. Ich darf deshalb stellvertretend für die dabei Engagierten die Teilnehmer der GTZ begrüßen.“ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble
zur Eröffnung der Fachtagung |
Die Notwendigkeit deutscher Sprachkenntnisse bleibt unbestritten, wenn Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft gelingen soll, aber es gilt auch: „Russlanddeutsche zeigen uns, Sprache kann nicht als Zugehörigkeits-Kriterium verabsolutiert werden.“ Peter Rosenberg, Sprachwissenschaftler an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), unterstrich daher in einem Beitrag über Sprachenvielfalt und Minderheiten die Rolle der Sprache als identitätsstiftendes Mittel und kam zu dem Schluss: „Moderne Minderheiten in Europa werden bilingual und bikulturell sein oder sie werden gar nicht sein.“
Minderheiten praktizieren zwei oder mehr Sprachen, die Angehörigen von Minderheiten sind mehreren Kulturen verpflichtet. Der Grund: „Minderheiten sind in aller Regel nicht homogen geprägt, sondern tragen mehrere ethnisch-kulturelle Identitätsaspekte in sich.“ (Rosenberg)
Audiobeitrag zum Thema |
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zum Nachlesen:
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Jugendwettbewerb
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An der Fachtagung nahm auch eine Gruppe Jugendlicher aus deutschen Minderheiten teil – Gewinner eines Aufsatzwettbewerbs zum Thema
„Herausforderung und Auftrag für die junge Generation der deutschen Minderheit – die Jugend als künftige Ideenträgerin“. Broschüre "Herausforderung und Auftrag ..." |