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Auf Stimmenfang unter Russlanddeutschen / Seite 7

Warum gibt es Xenophobie unter Russlanddeutschen?

Auf den ersten Blick erscheint fraglich, warum die xenophobische Rhetorik ausgerechnet unter Russlanddeutschen an Zugkraft gewinnt. Gerade sie, die ganz genau wissen, was es heißt, Fremde zu sein, sollten gegen fremdenfeindliche Rhetorik immun sein. Doch es können mindestens drei Faktoren genannt werden, die dieses paradoxe Verhalten erklären.

Der erste Faktor ist die Identitätskrise, die die Spätaussiedler wahrscheinlich noch stärker als alle anderen Einwanderer trifft. Viele Einwanderer behalten in der Regel ihre nationale Identität bei, sie wissen, dass sie keine Deutsche sind und erwarten auch nicht, für Deutsche gehalten zu werden. Anders bei den Russlanddeutschen. Sie identifizieren sich zwar als Deutsche, werden aber von den Deutschen als Ausländer behandelt. Die Nationalität, mit der sie sich ihr ganzes Leben lang identifizierten, ist plötzlich nicht mehr „ihre“ Nationalität.

So versucht man sich abzugrenzen, um in den Augen der Gesellschaft nicht zur großen und bunten Gruppe ausländischer Einwanderer zu gehören. Vor diesem Hintergrund breiten sich xenophobische Stimmungen leicht aus. Um den Vorurteilen und Benachteiligungen zu entfliehen, sind viele bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der sie als Deutsche anerkennt - auch wenn das die NPD ist. Und diese unterscheidet geschickt zwischen den aus Russland und den GUS-Staaten stammenden Aussiedlern einerseits und den übrigen Migranten andererseits.

Der zweite Faktor sind Integrationsprobleme, die sich für die Russlanddeutschen im Verlust ihres sozialen Status und ihrem im Vergleich zu den einheimischen Deutschen etwas niedrigeren Lebensniveau ausdrücken. Davon ist vor allem die ältere Generation stark betroffen. Nachdem sie in Russland (Ukraine, Kasachstan usw.) einen relativ hohen sozialen Status besaßen, gehören die meisten Spätaussiedler gleich nach der Einwanderung als Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger eher zu den unteren sozialen Schichten, und viele bleiben für immer auf dieser Position.

Quelle: Publik-Forum

Die Unzufriedenheit mit der Umwelt und mit sich selbst findet ihren Ausdruck nicht nur im Neid auf diejenigen, die es „geschafft“ haben. Im Falle der Russlanddeutschen führt dies auch zur Feindseligkeit gegenüber anderen Migrantengruppen, die sich der harten Lebensrealität besser als sie selbst angepasst haben. Für eine Partei wie die NPD ist es leicht, mit xenophobischer Rhetorik anstatt auf dem positiven Feld der Erwartungen auf dem negativen Feld enttäuschter Hoffnungen und Vorurteile zu spielen.

Der dritte Faktor ist darauf zurückzuführen, dass die Russlanddeutschen aus Staaten mit hohem Xenophobieniveau kommen, in denen der Nationalismus zu den Maximen staatlicher Politik gehört. Nach dem Zerfall der UdSSR bekamen die ehemaligen sowjetischen Republiken die Möglichkeit, sich als Nationen zu positionieren, und dieser Prozess wurde häufig von einem wachsenden Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit begleitet. Antisemitismus, Antiislamismus, Antiamerikanismus – das sind gewohnte Ansichten in manchen postsowjetischen Gesellschaften.

Schon deswegen erweckt die xenophobische Rhetorik der NPD bei den Russlanddeutschen keinen Schock oder Empörung: Was man in Deutschland für inakzeptabel hält, können die Bewohner der GUS-Staaten als selbstverständliche Argumente von ihren Präsidenten und anderen angesehenen Politikern hören.

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