Sie sind hier: Startseite ›› Wochenrückblick ›› 2007
„Geistige Lüftungsklappe“
Berlin – Vor 50 Jahren, im Mai 1957, tauchte an den Zeitungskiosken der Sowjetunion „ein etwas seltsam anmutendes Druckerzeugnis mit dem fremdländischen Titel ´Neues Leben` (NL) auf“. Es war der Beginn einer neuen, allerdings kurzen Epoche, die als „Tauwetter“ in die Geschichtsbücher einging. Erstmals seit 1941, als die Russlanddeutschen von der Wolga und anderen Gegenden der UdSSR nach Sibirien und Zentralasien deportiert worden waren, durfte wieder eine deutschsprachige Zeitung erscheinen, berichtet das «Neue Deutschland» am 15. Mai. Trotz aller politischen Rücksichtnahmen und Behinderungen, denen die Redaktion damals ausgesetzt war, gab die Zeitung „Hoffnung, bot geistige Heimat, war Kompensation für die verlorene nationale Identität“. Für die Sowjetdeutschen war ihr Erscheinen eine „geistige Lüftungsklappe“, schreibt die Zeitung. Es sei unverständlich, dass einige in jüngster Zeit nach Deutschland übergesiedelte „Aktivisten“ in der deutschen Presse das „Neue Leben“ der fünfziger und sechziger Jahre als ein „Parteipropaganda-Blättchen abzustempeln versuchten. Der Autor erinnert daran, dass sich mit Hilfe des „Neuen Leben“ russlanddeutsche Familienangehörige wiedergefunden haben, die auseinander gerissen worden waren.
Gesundheit ist Glücksache
Berlin – Wer in Deutschland als Kind von Einwanderern oder sozial schwachen Eltern geboren wird, ist häufiger krank, dick und depressiv, heißt es bei «Spiegel Online» am 16. Mai. Der Befund ergebe sich aus einer Untersuchung des Berliner Robert-Koch-Instituts, bei der überhaupt erstmals in der Bundesrepublik auch Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung berücksichtigt worden sind. Die beiden größten Gruppen unter den Migrantenkindern waren russlanddeutsche und türkischstämmige Kinder und Jugendliche. Für die Studie sind im Zeitraum von 2003 bis 2006 fast 18.000 Teilnehmer im Alter bis 17 Jahre an 167 Orten Deutschlands auf ihre körperliche und seelische Gesundheit hin untersucht worden. Heraus kam unter anderem, schreibt Spiegel Online, dass Gesundheit für Kinder in Deutschland nicht zuletzt Glücksache ist: „Sie hängt von dem Glück ab, in ein vorteilhaftes soziales Umfeld hineingeboren zu werden.“
Eigene Homepage
Forchheim – Die Mädchen sind noch in der Minderheit. Auf eins zu vier schätzt Bettina Schuierer das Geschlechterverhältnis im Forchheimer Container-Haus mit seiner offenen Jugendarbeit (oja). Vor einem knappen Jahr übernahm die Sozialpädagogin den Treff, seither finden sich 25 bis 30 Kinder und Jugendliche hier ein, spielen Dart, schießen Tore im Kicker-Spiel oder surfen im Internet. Eine eigene Homepage haben die Computer-Fans bereits eingerichtet, berichten die «Nordbayerischen Nachrichten» am 15. Mai. Von acht bis 18 Jahren reicht die Altersspanne. Es kommen Hauptschüler und Gymnasiasten, Russlanddeutsche, Türken, Albaner und Einheimische. Schulabgängern ohne Ausbildungsplatz hilft Schuierer beim Erstellen von Bewerbungsmappen. Im September geht die Container-Idylle schon wieder zu Ende, schreibt die Zeitung. Denn dann zieht der Treff in neue Räume um.
Deutschkurs mit Erfahrungsaustausch
Wiehl – Vor einem Jahr hat die Stadt Wiehl finanzielle Mittel für Deutschkurse zur Verfügung gestellt, die sich vor allem an Aussiedlerinnen wenden. Nun hat der Wiehler Bürgermeister Werner Becker-Bloningen im Rathaus fünf Teilnehmerinnen begrüßt und mit ihnen über die Erfahrungen im Kurs gesprochen. Viele von ihnen leben schon seit Jahren in Deutschland, berichtet «Oberberg aktuell» am 15. Mai. Der Unterricht fände zweimal wöchentlich statt: einmal als reiner Deutschkurs, das andere Mal mit einer Sozialpädagogin, die selbst Aussiedlerin ist und mit den Frauen russisch sprechen kann, als Kommunikationsrunde. Da tauschen sich die Kursteilnehmerinnen über Alltagsprobleme und die Kinder aus. „Für mich ist der Kurs eine wichtige Erfahrung“, bestätigt die aus Kasachstan stammende Tanja Schuldeis bei dem Treffen mit dem Bürgermeister. Das von den Wiehler Grundschulen und der Kreisvolkshochschule ausgearbeitete Kurs-Konzept richtet sich aber nicht nur an die Mütter der Vorschüler, sondern an alle interessierten Frauen, die aus Russland zugewandert sind.
Umgangssprache russisch
Chemnitz - Inna Louchanskaja kümmert sich in der Jüdischen Gemeinde Chemnitz um Alte und Kranke, organisiert medizinische Vorträge und Kulturveranstaltungen. Die ehemalige Ärztin aus Tscheljabinsk schwärmt von der vor fünf Jahren neu erbauten Synagoge der sächsischen Stadt, schreibt die «Lausitzer Rundschau» am 19. Mai. Sie sei ihr zweites Zuhause. Seit dem 1990 einsetzenden Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion ist die Gemeinde von einem Dutzend auf 640 Mitglieder angewachsen. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten hier weit mehr Juden; etwa 2.000 wurden von den Nazis ermordet. Heute ist die Umgangssprache unter den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Chemnitz überwiegend russisch. Sie treffen sich in der Synagoge weniger bei den Gottesdiensten als bei den Deutschkursen, Tanzgruppen Vorträgen, Konzerten oder im Sportverein. Im „Makkabi“ zum Beispiel betätigen sich Juden und Nichtjuden, meist Spätaussiedler, berichtet die Zeitung.
Zuwanderungszahlen: Spätaussiedler nicht erfasst
Mannheim – Fast 63.000 Mannheimer haben einen ausländischen Pass. Das sind rund 19 Prozent der gesamten Bevölkerung der Stadt. Die Zahl bedeutet aber nicht, dass die Zugewanderten im Stadtgebiet überall in gleicher Weise vertreten sind. Nach Angaben des Mannheimer Ausländerbeauftragten Claus Preißler gibt es Wohngegenden, in denen 42 Prozent der Anwohner Migranten sind, während andere innerstädtische Gebiete nur 5,5 Prozent zugewanderte Bürger aufweisen. Eine stadtweite Durchmischung zu erreichen, schreibt der «Mannheimer Morgen» am 18. Mai, sei „ungemein schwer zu schaffen“. In manchen Stadtteilen könne sich die Mieten eben nicht jeder leisten, und private Vermieter entschieden, wer einzieht. Mit Blick auf die Statistik stellt sich für Preißler noch ein anderes Problem: Eine Erfassung nur nach Nationalität berücksichtige weder eingebürgerte Migranten noch Spätaussiedler. Diese mitgezählt, müsse von fast 96.000 Mannheimern mit „Migrationshintergrund“ ausgegangen werden. Nur wenn sie mit erfasst würden, sei eine „bedarfsgerechte Integrationsplanung“ überhaupt erst möglich.
Aufgefundener Toter könnte Spätaussiedler gewesen sein
Kirchmöser – Bei den Skelett-Teilen, die im August vergangenen Jahres bei Bauarbeiten im brandenburgischen Ort Kirchmöser gefunden wurden, könnte es sich um die Überreste eines Spätaussiedlers handeln, der getötet wurde. Wie die «Märkische Allgemeine» am 15. Mai berichtet, ist es dem Landeskriminalamt gelungen, den Schädel und das Gesicht des Toten zu rekonstruieren. Die Zeitung hat das Bild mit dem möglichen Aussehen des vermutlich aus dem russischen Sprachraum stammenden Mannes veröffentlicht, dessen Leiche seit zehn bis 15 Jahren auf einem ehemaligen russischen Militärgelände gelegen hat. Nach dem Abzug der russischen Truppen im Jahr 1993 waren in einem Wohnblock der Soldaten Spätaussiedler untergebracht. Nun bittet die Polizei um Mithilfe bei der Aufklärung der Frage, wer der Tote war und wie er ums Leben gekommen sein könnte.