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Gegen Diskriminierung von Russlanddeutschen
Göttingen – Deutschstämmige Aussiedler aus Russland werden nach Darstellung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zurückgesetzt und diskriminiert, meldet die «Frankfurter Neue Presse» am 10. Dezember. Aus Anlass des Tages der Menschenrechte habe GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch zu größerer Unvoreingenommenheit und mehr Offenheit gegenüber Russlanddeutschen aufgefordert. Zülch erinnerte an ihre „erschütternde Geschichte“ in der früheren Sowjetunion. Auch nach ihrer Rehabilitation in den 1950er Jahren seien Russlanddeutsche weiterhin „massiv diskriminiert und in ihrer Entwicklung behindert“ worden.
Kaliningrad: Altenheim für Bedürftige
Berlin – 2.500 Mitglieder zählt die evangelisch-lutherische Propstei in Kaliningrad. Sie umfasst 44 Gemeinden, von denen mit knapp 500 Mitgliedern die Stadt Kaliningrad die größte ist, berichtet der private Berliner Fernsehsender «n-tv» am 15. Dezember. Propst ist der 48-jährige Heye Osterwald aus dem norddeutschen Landkreis Pinneberg. Zuhause hatte er nach dem Vikariat 1996 keine Anstellung gefunden, in Kaliningrad wurde dagegen ein Pastor gesucht. Die Gemeindemitglieder seien in vielen Fällen Zuwanderer aus Mittelasien, darunter Russlanddeutsche aus Kasachstan, berichtete der Pfarrer dem Sender: „Diese Menschen gehörten zu den ärmeren Schichten.“ Im vergangenen Jahr habe die Lutherische Kirche im Kaliningrader Kreis Osjorsk ein Alten- und Pflegeheim für bedürftige alte Menschen eröffnet. Das ‚Carl-Blum-Haus‘ koste rund 80.000 Euro im Jahr, an denen sich der russische Staat nicht beteilige. Hilfe komme aus dem schleswig-holsteinischen Landtag, dessen Präsident Martin Kayenburg Schirmherr des Seniorenheims sei.
Hilfe für seelisch kranke Kinder
Augsburg – Seit dem 1. November gibt es im Augsburger Josefinum an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Ambulanz für russischsprachige Patienten. Durch den Umzug in ein anderes Land mit anderer Sprache, anderer Geschichte und anderen Lebensgewohnheiten hätten Spätaussiedler und andere Migranten ein hohes Risiko für psychiatrische Erkrankungen, erläutert die Ärztin Alfia Dietmayer in der «Augsburger Allgemeinen» am 11. Dezember. Die Menschen hätten jedoch „Angst vor der Psychiatrie. „Die Behandlung in Russland war längst nicht so gut wie in Deutschland“, sagte sie, die selbst aus der ehemaligen Sowjetunion stammt. Dietmayer hofft, mit der neuen Einrichtung, in der die Mitarbeiter russisch sprechen, „generell die Hemmschwellen zu nehmen“. Wichtig sei es, nicht nur die Sprache der Patienten zu sprechen, sondern auch ihre Kultur und Mentalität zu kennen. Den ratsuchenden Eltern der Kinder und Jugendlichen entstünden keine Kosten.
Russlanddeutscher Jugendtreff ist für alle da
Frankfurt am Main – „Sie sind eine Bereicherung für das Land. Ich freue mich, dass so viele Russlanddeutsche in Hessen eine Heimat gefunden haben.“ Das Lob von Ministerpräsident Roland Koch für die Migrantengruppe fiel bei der Weihnachtsfeier der hessischen Landesgruppe des Vereins ‚Deutsche Jugend aus Russland‘ (DJR), schreibt die «Frankfurter Neue Presse» am 17. Dezember. Der Verein mit über 550 Mitgliedern zwischen 6 und 27 Jahren will vor allem das Selbstvertrauen der Heranwachsenden stärken, so die DJR-Geschäftsführerin Albina Nazarenus-Vetter. Einwanderer seien völlig aus ihren sozialen Bezügen herausgerissen. Ohne Kontakte untereinander und zu Einheimischen sei es schwer, Fuß zu fassen. Die heute 33-Jährige kam selbst vor über zehn Jahren aus Südwest-Sibirien nach Berlin und habe zunächst einen Kulturschock erlebt, berichtete sie der Zeitung. „Das Problem war die Frage nach meiner Identität.“ Sie habe sich in Russland immer als Deutsche gefühlt, doch viele Deutsche, denen sie begegnete, hätten das anders gesehen. Um anderen Russlanddeutschen den Einstieg leichter zu machen, gründete sie zusammen mit weiteren Zuwanderern den DJR. Die Vereinsmitgliedschaft sei nicht auf Deutsche aus Russland beschränkt. In ihrem offenen Jugendtreff im Frankfurter Stadtteil Eckenheim „kümmern wir uns vor allem um Kinder aus marokkanischen und türkischen Familien“.
Rechtsradikaler Anschlag auf Jugendtreff
Berlin – Nicht nur Aufkleber der NPD entdeckten Mitarbeiter des Stadtteilzentrums der Volkssolidarität ‚Kieztreff interkulturell‘ an den Scheiben der Einrichtung in der Marzahner Promenade 38. Sie fanden auch einen Schweinskopf, berichtet das «Neue Deutschland» am 13. Dezember. In dem Stadtteiltreff würden viele Veranstaltungen zu fernen Ländern, anderen Kulturen und Religionen durchgeführt. „Zu uns kommen viele langjährige Berliner und vor allem auch Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion“, sagte Asli Peker, Leiterin der Einrichtung. Ihre Veranstaltungen und Weiterbildungskurse gegen Rechtsextremismus passe der NPD nicht. Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) erinnerte daran, dass es sich bereits um den dritten Anschlag auf den ‚Kieztreff interkulturell‘ handle. Wie das Blatt weiter berichtet, gab es auch wiederholt Anschläge auf Jugendeinrichtungen wie das ‚Schallasch‘ in Marzahn-Nord und das ‚Haus Babylon‘ in Hellersdorf.
„Konflikte frühzeitig verhindern“
Bad Friedrichshall – Integration kann nur gelingen, wenn viele Kräfte daran mitwirken, Zugewanderte ebenso wie die aufnehmende Gesellschaft. Dabei ist gegenseitiges Vertrauen und Verständnis genauso wichtig wie die frühzeitige Verhinderung von aufkommenden Konflikten, sagte der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech auf einer Veranstaltung des Bad Friedrichshaller Arbeitskreises ‚Kommunale Kriminalprävention Plattenwald‘. Wie «Cop2Cop» am 14. Dezember berichtet, bezog sich der Politiker vor allem auf die Integration von Spätaussiedlern. Seit 1983 habe allein Baden-Württemberg 483.000 Russlanddeutsche aufgenommen. „Wir haben die Aufnahme sehr begrüßt“, so Rech. Natürlich gebe es auch Konflikte. Beispielsweise fehle es an Arbeitsplätze, und auch der knappe Wohnraum habe Probleme bereitet. Wichtig seien aber auch die ehrenamtlichen Projekte im Land. Ein gelungenes Beispiel sei das von der Landesstiftung unterstützte Modell ‚ehrenamtliche Integrationsbegleiter‘. „Das überwältigende Engagement der Ehrenamtlichen ist ein eindrucksvoller Beleg für gelebtes Miteinander“, so der Innenminister.
Wiedereingliederung von Straffälligen gefördert
Mainz – Drei Projekte des rheinland-pfälzischen Strafvollzugs sind von der ‚Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation‘ auf einer bundesweiten Tagung zum Thema „Humanisierung des Strafvollzugs – Konzepte und Praxismodelle“ als vorbildlich gewürdigt worden, teilt «Cop2Cop» am 14. Dezember mit. Die Tagung, eine gemeinsame Veranstaltung der Stiftung mit der Universität Greifswald und dem Jugendgefängnis Hameln, stellte Projekte aus sieben Bundesländern vor, „die über die allgemeinen Aufgaben des Vollzugs hinausgehen und in besonderer Weise die Perspektiven für die Wiedereingliederung von Straffälligen fördern“, zitierte der Informationsdienst den rheinland-pfälzischen Justizminister Heinz Georg Bamberger. Darunter habe sich ein Projekt der Jugendstrafanstalt Schifferstadt befunden, das die Suche deutscher Strafgefangener russischer Herkunft nach kultureller Identität in den Mittelpunkt stelle. Es unterstütze den Austausch über Herkunft, Kultur, Werte, Normen und Menschenbilder zwischen Gefangenen und Bediensteten der Anstalt. „Hierdurch haben sich der gegenseitige Umgang und die Integration innerhalb der Anstalt deutlich verbessert“, heißt es bei Cop2Cop.
Prügel für russlanddeutsche Polizisten
Ingolstadt – Zwei junge Russlanddeutsche, die Anfang des Jahres einen Landsmann nur deshalb brutal verprügelt haben, weil er Polizeibeamter ist, sollen für dreieinhalb beziehungsweise drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, berichtet die «Augsburger Allgemeine» am 14. Dezember. Der mutmaßliche Haupttäter sei darüber hinaus von der Jugendkammer des Landgerichts wegen Heroinhandels verurteilt worden. Die 19 und 23 Jahre alten Spätaussiedler hatten den jungen Polizisten auf einer privaten Silvesterfeier krankenhausreif geschlagen. Nach Ansicht von Staatsanwalt Nicolas Kaczynski sollte er „als Abtrünniger eine Abreibung erhalten“. Eine breite Öffentlichkeit schaue auf diesen Prozess, und mit einem entsprechend harten Urteil müsse „ein Zeichen für die rechtstreue Bevölkerung“ gesetzt werden. Wie stark der Zusammenhalt unter den jungen Spätaussiedlern sei, zeige die Aussage eines russlanddeutschen Zeugen, der dem Polizisten zu Hilfe geeilt war: „Wenn ich gewusst hätte, dass das ein Polizist ist, hätte ich ihm nicht geholfen.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.